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Gegen Kleingläubigkeit und Unglauben: Bulgakows Arztgeschichten

"Man kann, ohne einen Irrtum zu riskieren, voraussagen, dass der Leser bei der ersten und bei der wiederholten Lektüre der „Arztgeschichten“ oft laut auflachen und fortwährend lächeln wird, nicht nur weil es komisch ist, sondern weil er das Gefühl empfindet, das man künstlerischen Genuss nennt – so lebendig, so talentiert, so „ähnlich“ ist alles geschrieben…

Doch unmerklich dringt in unser Bewusstsein der erste, tiefe Gedanke dieser Erzählungen, der für Bulgakow in jenen Jahren, als er sie schrieb, sehr wichtig war: Der Mensch soll Kleingläubigkeit und Unglauben an sich selbst besiegen. Er soll geduldig das Kreuz seiner Berufung tragen und an den Erfolg glauben. Und das betrifft nicht allein die Medizin." (Wladimir Lakschin im Vorwort zur sowjetischen Ausgabe)

Als Michail Bulgakow 1923 / 1924 seinen ersten Roman "Die weisse Garde" beendet hatte, verarbeitete er seine Erfahrungen als Arzt – er praktizierte bis 1920 – in mehreren Erzählungen (z.B. Morphium). Am Grunderlebnis des Arztes überprüft der bereits berühmte Schriftsteller seinen eigenen Weg und gestaltet den Konflikt zwischen traditionalistischem Bewusstsein und den Anforderungen einer neuen geschichtlichen Entwicklungsstufe. Der junge Arzt, der frisch von der Universität aufs Land kommt, um zu praktizieren, wird mit der rückständigen Realität des zaristischen Russland konfrontiert, die Praxis lehrt ihn, den Kampf des sich selbst befreienden Volkes zu unterstützen.

Michail Bulgakow wurde 1891 in Kiew geboren und starb 1940 in Moskau. Er beendete 1916 sein Medizinstudium, praktizierte zunächst als Landarzt im Gouvernement Smolensk und während des Bürgerkrieges in Kiew. Nach einigen Jahren journalistischer Tätigkeit ging er 1921 nach Moskau. Als Bulgakow 1940 starb, nahm keine Zeitung oder kulturelle Institution von seinem Tod Notiz. Die "Aufzeichnungen eines Toten". 1965 in der Zeitschrift "Nowy Mir" unter dem Titel "Theaterroman" abgedruckt, gaben das Signal für die Wiederentdeckung des Autors. Bei Luchterhand sind erschienen: Der Meister und Margarita. Roman. 1968: Hundeherz. 1968 (SL 5): Die weisse Garde. Roman. 1970 (SL 312); Das Leben des Herrn Moliere, 1971 (SL 387); Aufzeichnungen eines Toten, 1982 (SL 434): Die verhängnisvollen Eier, 1984 (SL 548).

Der Slawist Thomas Reschke ist der Übersetzer der Werke Bulgakows. Er studierte (Slawistik) an der Humboldt-Universität Berlin. Ab 1955 arbeitete er als Redakteur und Lektor im Verlag Kultur und Fortschritt. Der Verlag ging 1964 im Verlag Volk und Welt auf. Ab 1957 fertigte er – zunächst nebenher – Übersetzungen an. Im Laufe von 4 Jahrzehnten wurden es mehr als hundert Romane, Bühnenstücke, Erzählungen und Kinderbücher aus dem Russischen. 1987 erhielt er den Maxim-Gorki-Preis des sowjetischen Schriftstellerverbands. Seit 1990 ist Thomas Reschke freiberuflich tätig. 1992 und 1998 Stipendium des Deutschen Literaturfonds, zusammen mit Renate Reschke, seiner Frau. 2001 Übersetzerpreis der Stiftung Kunst und Kultur des Landes Nordrhein-Westfahlen“.

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