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Aus Hoffenheim deportiert: Menachem und Fred

Manfred (Fred) und Heinz (Menachem) Mayer leben zusammen mit ihren Eltern in Hoffenheim, einem kleinen Ort südlich von Heidelberg. Im Oktober 1940 werden sie mit anderen badischen und pfälzischen Juden in das Lager Gurs deportiert.

Nach vier Monaten im Lager entschliessen sich die Eltern schweren Herzens, sich von ihren Söhnen, damals sechs und acht Jahre alt, zu trennen: Sie geben sie in die Obhut eines jüdischen Kinderhilfswerkes (OSE), um das Leben ihrer Söhne zu schützen. Manfred und Heinz kommen in ein Waisenhaus im südfranzösischen Aspet. Dort müssen sie sich ohne Eltern, mit einer völlig neuen Sprache und fremden Kindern zurechtfinden…

Die Eltern schreiben ihnen Briefe, schicken ihnen Pakete und versuchen so gut es geht, an dem Leben ihrer Kinder teilzuhaben. Diese Briefe sind die einzige Verbindung, die sie haben. 15 Monate nach der Trennung wird ihnen mitgeteilt, sie könnten ihre Eltern besuchen. Sie sind aufgeregt und horten Nahrungsmittel in Schuhschachteln unter ihren Matratzen, um sie den Eltern mitzubringen.

Der Besuch findet niemals statt. Ein Mitarbeiter der OSE verhindert es, indem er den Eltern rät, sich nicht mit ihren Söhnen zu treffen, um sie nicht in Gefahr zu bringen. Im August 1942 erhalten Manfred und Heinz den letzten Brief der Eltern. Sie vermuten, dass beide gleich nach der Ankunft in Auschwitz getötet wurden.

Der Weg zweier Brüder

Nachdem deutsche Truppen den bisher unbesetzten Teil Frankreichs besetzt haben, müssen sie 1943 in ein anderes Waisenhaus verlegt werden. Im selben Jahr, Heinz ist 11 und Manfred 14 Jahre alt, werden die beiden getrennt. Manfred wird in ein anderes Haus verlegt und muss später untertauchen. Nach dem Krieg kommt er im Dezember 1946 in die USA. Er war nach seinem Studium, das er sich selbst finanzieren musste, in der Luft- und Raumfahrtindustrie tätig.

Heinz bleibt weiterhin in Toulouse und flüchtet danach in die Schweiz. Dort bleibt er bis zu seiner Immigration nach Israel im Oktober 1948. Nach dem Militärdienst trat er in einen Kibbuz ein. Später studierte er an der Hebräischen Universität Erziehungswissenschaft und arbeitete u.a. für das israelische Bildungsministerium.

Viele Jahre gab es fast keinen Kontakt zwischen den Brüdern, bis sie das Bedürfnis verspürten, über ihre Erfahrungen zu reden, besonders mit ihren Enkeln. Sie erneuerten ihre Beziehung zueinander, gingen auf Spurensuche zu den Plätzen ihrer Vergangenheit und schrieben gemeinsam diese ergreifende Geschichte ihrer Kindheit.

Diese Biografie ist vielleicht die bewegendste, die in den letzten Jahren erschienen ist. Mit einer ehrlichen und tief berührenden Offenheit geben Menachem (Heinz) und Fred (Manfred) Einblick in ihr Leben. Sie zeigen was damals geschehen ist und erinnern sich, was diese Geschehnisse in ihnen ausgelöst haben. Sie öffnen sich den Lesern trotz dem Schmerz, den das Erinnern und das darüber Sprechen hervorruft.
Das Besondere an diesem Buch ist die ungewöhnliche Erzählweise. Die Brüder erinnern sich und berichten, stellen sich Fragen und beantworten sie: man hat den Eindruck, sie sitzen sich gegenüber und man könne ihnen bei einem Gespräch zuhören, das die Jahre der Trennung zu überbrücken versucht. Dazwischen liest man Briefe von den Eltern und sieht Fotos von den Stationen der beiden.

Dieses Buch ist eine Neuauflage, nachdem es längere Zeit vergriffen war. Es ist erweitert um das, was seither geschehen ist: Die Besuche von Frederick Raymes und Menachem Mayer in Hoffenheim im Herbst 2005. Sie kamen mit ihren Familien und Enkeln. Die beiden Autoren beschreiben, wie ihre Familien dort ihre Wurzeln entdeckten. Das Buch endet mit dem Ausblick auf einen Dokumentarfilm, der im November 2005 gedreht wurde und auch bald in Deutschland zu sehen sein wird.

Die DIG Rhein-Neckar/Mannheim, zu deren Zuständigkeitsbereich Hoffenheim gehört, hat das Buch am 23. Oktober 2008 in Sinsheim der Öffentlichkeit vorgestellt.

Margit Doris Heitz

Vorgestellt wurde:
Frederick Raymes (Manfred Mayer) / Menachem (Heinz) Mayer:
Aus Hoffenheim deportiert. Menachem und Fred
Der Weg zweier jüdischer Brüder
2., überarbeitete und erweiterte Auflage.
Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2008, 208 Seiten, 16,90 ‚¬.

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