Nach dem Mauerfall reist Jutta Ditfurth nach Ostdeutschland und sieht sich mit den Widersprüchen ihrer Herkunft konfrontiert. Sie folgt den Spuren ihres schillernden Urgroßonkels Börries Freiherr von Münchhausen, einem Balladendichter, der ein Freund der Juden zu sein schien – doch dann findet sie einen Brief …
„Wann und warum hat sich der Adel dem antisemitischen Lager angeschlossen?“
Video: Gespräch mit Jutta Ditfurth
Hinter dem Mythos des 20. Juli 1944 verbirgt sich der besondere Antisemitismus des deutschen Adels im 19. und 20. Jahrhundert. Juden galten in adligen Kreisen oft als „Fremdrassige“, die die adlige „Blutreinheit“ bedrohten. Auf den Schlössern und Rittergütern hatten Juden bis 1945 nichts verloren. Sie trugen vermeintlich Schuld an Revolutionen, an Kriegsniederlagen, am Sturz der Monarchie und an der Errichtung der Weimarer Republik. Der Hass auf die Juden wurde schließlich „von allen moralischen Skrupeln befreit“. Jutta Ditfurth erzählt die bewegte Geschichte von Börries Freiherr von Münchhausen. Sein engster Freund war um 1900 der Künstler Ephraim Moses Lilien – bis Münchhausen zum glühenden Antisemiten wurde.
Jutta Ditfurth, 1951 in Würzburg geboren, ist Soziologin, Publizistin und politische Aktivistin. Sie arbeitete u.a. als Forscherin und Auslandsreporterin in England und den USA. In den 80er-Jahren war sie Bundesvorsitzende der Grünen, trat 1991 aus und gründete im selben Jahr die Ökologische Linke mit. Seit 2011 vertritt sie die Wählervereinigung ÖkoLinX-ARL erneut im Frankfurter Römer. Sie veröffentlichte 16 Bücher, darunter die Bestseller „Feuer in die Herzen. Gegen die Entwertung des Menschen“ (1997), „Ulrike Meinhof. Die Biografie“ (2007) und „Krieg, Atom, Armut. Was sie reden, was sie tun: Die Grünen“ (2011).
Der Baron, die Juden und die Nazis: Reise in eine Familiengeschichte
Dass sich der Adel dem Antisemitismus anschloß, galt für die meisten der deutschen Adeligen, jedoch nicht für alle. Einige deutsche Adelige erkannten während des NS ihren Irrtum, sattelten um und wurden zu Anführern des Widerstands.
In Bayern, dem Ursprungsland des NS, war die Affinität zu Antisemitismus-Rassismus besonders groß und sie ging sogar ganz offen von der herrschenden Dynastie aus.
http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Rupprecht_von_Bayern#Kronprinz_Rupprecht_von_Bayern_und_die_Juden
http://www.hagalil.com/archiv/2012/11/04/rupprecht-von-bayern/
Der übrige Adel in Bayern, wie etwa die von und zu Guttenbergs oder die von Aretins verhielten sich mehrheitlich entsprechend der Königsdynastie.
http://www.hagalil.com/archiv/2013/02/05/aretin/
Leider gehört es zu den allgemeinen Tabus der bayerisch-deutschen Geschichtsschreibung diese Seite der deutschen Minderheitengeschichte einer genaueren Untersuchung zu unterwerfen. Man will den Adel als Gestalter der Geschichtsläufte der Vergangenheit, man will die Eliten von einst mit den direkten Bezügen zu heute (CSU-Hansel Karl Theodor zu Guttenberg, FDP-Adeliger Gumppenberg etc.), man will den deutschen Konservativismus nicht recht in Frage stellen. Denn, wer die Größen von einst nicht ehrt, der wird auch wenig Respekt vor den Regierenden von heute haben. Das gilt es zu vermeiden. Kontinuität und Autorität sind zu wahren…
Lesenswert:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/die-rolle-des-adels-im-dritten-reich-wir-waren-alle-im-widerstand-11011821.html
http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/adel-vernichtet
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-31478230.html
http://www.zeit.de/2003/39/P-Malinowski/komplettansicht
Vom König zum Führer. Sozialer Niedergang und politische Radikalisierung im deutschen Adel zwischen Kaiserreich und NS-Staat. Akademie-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-05-003554-4; Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 2004, ISBN 3-596-16365-X
Stephan Malinowski; Vom blauen zum reinen Blut. Adliger Antisemitismus und antisemitische Adelskritik in Deutschland 1871-1945. In: Jahrbuch für Antisemitismusforschung. Band 12, 2003, S. 147–169.
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2003-3-071
http://www.adelskartei.de/318.htm
http://www.cicero.de/salon/es-war-kein-aufstand-des-adels/38066
Scheint endlich mal wieder ein Buch einer deutschen Autorin zu sein, die sich ernsthaft mit der deutschen Geschichte auseinandersetzt. Man kann es im Netz ja anlesen. Das was Daniel Goldhagen das „kollektive Bewusstsein“ und das „öffentliche Gespräch“ über Juden nennt, schildert Jutta Ditfurth (nach dem was ich bisher lesen konnte) nicht nur anhand der eigenen adeligen Familiengeschichte, sondern auch auf höchst belesene und informative Weise darüber hinaus.
Werd mir das Buch auf jeden Fall besorgen.