Als ich damit begann, mich mit den wenig gesprächigen Beziehungen zwischen Müttern und Söhnen zu beschäftigen, erschien deren alltägliches Verhältnis noch in die Selbstverständlichkeit einer natürlichen Ordnung getaucht. Selbst das Schweigen über die still daneben stehenden Väter war davon nicht ausgenommen, obwohl oder vielleicht gerade weil sie zeitgleich als Väter ihrer Töchter bereits heftig kritisiert, wenn nicht sogar von manchen leichtfertig als universelle Täter an Töchtern und Frauen phantasiert wurden…
Aber Männer und Väter schweigen noch immer so vor sich hin, wie sie es bereits als junge Söhne zur Geschichte mit ihrer eigenen Mutter und dem ebenfalls daneben stehenden schweigenden Vater taten.
Das Gerüttel vom Schlitten, das macht mich ganz müde.
… Ich leg mich zurück und schliesse die Augen
und vertraue auf Dich, mein Sohn!
Henrik Ibsen: Peer Gynt
Vorwort zu Gerhard Amendts „Vatersehnsucht“
Viel Forschung gab es damals wie heute nicht und was vorlag, sah die Beziehung eher gänzlich ohne Probleme, wenn nicht gar von einem Schleier der Friedfertigkeit und der geruhsamen Ausgeglichenheit bedeckt. Natürlich interessierte mich zu allererst, wie Söhne rückblickend ihre Beziehung zur Mutter mit der Reife erwachsener Männer sehen. Denn nur wer diesen Blick wagt, dem gerät die Beziehung zu seinem Vater ebenfalls in den Blick. Wer die Mutter nicht sieht, sieht nämlich auch den Vater nicht!
Interessiert hat mich die sehr einfache, ja, geradezu naheliegende aber gänzlich ungewöhnliche und selten gestellte Frage: Was trägt eigentlich die Beziehung von Mutter und Sohn dazu bei, dass spätestens im Alter von 20 Jahren aus dem kleinen Jungen ein erwachsener Mann geworden ist, der eine unverwechselbare Persönlichkeit und zugleich doch alle Zeichen zeitgenössischer Männlichkeit und Väterlichkeit in sich trägt? Eine Männlichkeit und Väterlichkeit, über die in den letzten drei Jahrzehnten eher Unerfreuliches denn Rühmliches zu hören war.
Wie trägt also das dreieckige Beziehungsgeflecht zwischen Söhnen, Müttern und Vätern dazu bei, dass Männer so werden wie sie später sind. Oder sind Männer ganz einfach nur deshalb so wie sie sind, so lautet eine weit verbreitete These, weil spätestens mit der Pubertät die männliche Kultur wie ein verheerendes Unwetter über die Jungen hereinbricht und sie dazu zwingt, sich der maroden Männlichkeit und der nichtssagenden Väterlichkeit ihrer Väter anzupassen? Ja, und dass sie damit – wie von einem unwiderstehlichen Sog – der heilen Welt der Mutter entrissen würden. Mit der schrecklichen Folge, dass all die segensreichen Erfahrungen der ersten Lebensjahre unwiederbringlich verloren gehen und die gute Aussaat im widrigen Wetter verrottet.
Allein der Versuch, für die heftig kritisierte Männlichkeit Erklärungen nicht in den himmlischen Gefilden der Natur, sondern auf dem irdischen Boden alltäglicher Arrangements zwischen Männern und Frauen, Vätern und Müttern zu suchen, hat Kritikerinnen zu der Vermutung verführt, ich wollte den geschädigten Ruf der Männlichkeit „zu Lasten der Mütter“ wieder herstellen. Da das Geschlechterarrangement von Macht und Ohnmacht, mehr noch, von stillschweigenden Übereinkünften handelt, führt ein Streit für den guten und gegen den schlechten Ruf nur in die Leere.
Wer die Alltäglichkeit des Geschlechterarrangements in seinen Tiefen und gegenseitigen Abhängigkeiten verstehen, wer sie für Veränderungen überhaupt offen halten will, der muss sich der Suche der Wahrheit, nicht der Rücksicht und schon gar nicht der Selbsttäuschung verpflichten. Und solange die unmittelbare Erziehungsmacht wie in diesem Jahrhundert fast vollständig noch immer in den Händen der Mütter liegt, tragen sie unmittelbar die Verantwortung dafür, wie sie diese ausüben.
Die frühe Erziehung in der Familie ist das Herrschaftsterrain der Frauen, egal ob sie viel Gutes, weniger Gutes oder viel Schlechtes daraus machen. Das Elternarrangement lässt sich nur verstehen, wenn auch die Welt der Frau als Mutter untersucht wird.
Das sich einzugestehen, ist für beide Geschlechter zur Jahrtausendwende der allgemeinen Zeitrechnung durchaus eine zumutbare Perspektive, der sich der Einzelne, die Politik und selbstverständlich ebenso die Forschung nicht mit politischen oder psychischen Einwänden widersetzen sollte.
Das heisst, dass Männlichkeit und Väterlichkeit in einer Art und Weise besichtigt werden müssen, die verstehen will, wie beides entstanden ist und wie es sich im Alltag von Familien und Gesellschaft über Generationen hinweg kulturell fortpflanzt oder vor sich hin vegetiert. Allein diese Besichtigung macht Änderungen in der Väterlichkeit und damit überhaupt erst im Arrangement von Elterlichkeit möglich. Dieser Zugang verzichtet auf offene oder unterschwellige Unwerterklärungen, die neben dem kurzfristigen und flüchtigen Gefühl der moralischen Überlegenheit nichts bewirken.
Es gibt ein stetig wachsendes Interesse daran, nicht nur über die Arbeitsweisen männlicher Macht in der ausserhäuslichen, sondern ebenso über die Mechanismen weiblicher Macht in der häuslichen Sphäre mehr zu verstehen. Dass dabei die Grenzen ins Terrain des anderen Geschlechts jeweils überschritten werden, ist selbstverständlich. Gerade daraus bezieht der Begriff des Geschlechterarrangements und der Elterlichkeit als einer besonders wichtigen Erscheinungsweise dieses Arrangements seine überragende Bedeutung.
Der Wunsch nach Veränderung rückt immer mehr ins Zentrum und das ewige Gezeter, ob nun Männer oder Frauen das bessere Geschlecht seien und ob das von Natur aus so gegeben sei, wird in den Hintergrund treten. Ausgeprägter scheint mir dieses Interesse schon unter den jungen Männern und Frauen, deren Generation den verdammenden Feminismus und das sprachlose männliche Wegducken nur als Rückblick auf einen Kosmos von schwer nachvollziehbaren Feindseligkeiten kennengelernt hat. Das sind wegweisende Anzeichen dafür, das die alle Veränderungen lähmende Spaltung der Geschlechter in gute Frauen und gute Mütter und böse Männer und schlechte Väter und umgekehrt sich allmählich entschärft.
Es zeichnet sich eine neue Gelassenheit ab, die Männer auf ihre Mutter und deren Weiblichkeit voller Interesse blicken lässt. Egal auf welche Überraschungen sie dabei stossen. Und Mütter werden sich ebenso fragen, was in ihrer Beziehung zu den Söhnen es hat gewesen sein können, was die Söhne so hat werden lassen, wie sie es sich nicht gewünscht hatten. Nämlich eine höchst zwiespältige Männlichkeit, in welcher der Hass auf die Frauen und die Abwertung des Weiblichen immer noch eine überbordende bewusste wie unbewusste Bedeutung einnehmen.
Und zugleich geraten durch die anstehenden Rückblicke der Söhne und der Töchter die Väter ins Visier. Denn ohne den Vater geht es nun einmal nicht. Dabei ist es einerlei, ob er klug und weise die Realität vertritt, ob er sich seinen Pflichten entzieht, sie begeistert wahrnimmt oder ob die Kinder ihn nicht einmal kennen. Der Vater gehört zur Kindheit dazu. Sowohl im Zorn der Mutter auf ihn, wie in ihrer Verachtung für seine Unaufmerksamkeit oder in der Enttäuschung der Kinder über das väterliche Schweigen wird er vorausgesetzt. Er ist zumindest symbolisch gegenwärtig. Denn totschweigen kann man nur einen Lebenden und zornig sein nur auf einen, der enttäuscht.
So wird die neue Gelassenheit daraus entstehen, dass die Beziehung der Mutter zum Sohn oder zur Tochter ebenso als eine Beziehung des Sohnes oder der Tochter zum Vater gesehen wird. Ebenso wird man sich daran gewöhnen, Vater und Mutter nicht nur als zwei Personen, sondern als Elemente eines gemeinsamen Dritten, nämlich von Elternschaft zu sehen.
Man wird wahrnehmen, was der Vater getan, was er gemildert oder was er unterlassen hat. Denn immer gibt es Vater und Mutter. Es gibt sie als konkrete Personen, und es gibt sie als Vorstellung und als Phantasie in den Kindern. Für viele Kinder ist der Vater aber oft nur noch eine nebulös zwiespältige Figur, die sich öffentlich abwerten und in der Familie an den Rand drängen lässt oder die sich sprachlos selbst zerfleischt. Der Vater droht als inneres Bild zu verblassen. Und das ist die eigentliche Gefahr für die Kinder wie die Gesellschaft als Ganzes. Aber wie immer Männer ihre Väterlichkeit gestalten werden, der Vater wird immer Anlass für heftige Reibungen sein.
Aus dem Schwinden der Vatererfahrung entsteht die Vatersehnsucht. Die Vatersehnsucht ist ein sehr intensives Gefühl, das allerdings zumeist verleugnet wird. Ob Männer sich als Väter selbst zerfleischen oder ob sie geschmäht werden, ist für Kinder, ja, sogar für Erwachsenen einerlei. Was sie nicht hatten, was sie vermissten oder worin sie sich ärgerlich fügten, es schuf jene unendliche Vatersehnsucht, die sich kaum zu äussern wagt. Die Angst vor der abermaligen Enttäuschung ist einfach zu gross, sowohl für Kinder als auch Erwachsene. Nur wer die Vatersehnsucht kennt, weiss dass es keine idealen Väter gibt.
Vater und Mutter sind die Eltern. Sie sind es gemeinsam. Ob sie ihre Elternschaft praktizieren, ist damit noch nicht gesagt. Wenn sie es gemeinsam nicht sein wollen (oder es nicht sein können), so ist „Einelternschaft“ doch nie ein Ausweg. Zumal es gar keine Einelternschaft gibt, allenfalls einzelne Elternteile. „Einelternschaft“ ist allenfalls eine Wunschvorstellung von Erwachsenen, die sich über kindliche Elternwünsche hinwegsetzt und aus äusserer Not, aus Schicksalsschlägen, aus Leichtsinn, Hass auf Männer, deren Verachtung oder ideologischen Wahngebilden und vielen anderen Gründen auf den Vater verzichten will.
Und dieser Verzicht hat vielfach etwas Heroisches, das von sich meint, auf den Vater verzichten zu können, indem man sich und Teile seines Lebens im Namen und zum Wohl der Kinder opfert. Die Kinder erhalten die Rechnung dafür später.
Alle erwachsenen Anstrengungen, wie ehrlich, aufopfernd oder sanft manipulierend zum Wohle des Kindes sie sein mögen, werden nichts daran ändern, dass den Kindern der andere Elternteil fehlt. Und je mehr die Erwachsenen das verleugnen, um so mehr unterdrücken sie den Wunsch der Kinder nach ihrem Vater.
Wie Frauen den fehlenden Vater präsentieren, entscheidet letztlich darüber, wie Kinder sein Fehlen merken und ob ihnen erlaubt wird, ihn überhaupt zu vermissen. Das werde ich eingehend untersuchen. Ich werde zeigen, in welche inneren und äusseren Konflikte Kinder gestürzt werden, wenn ihr Wunsch nach dem Vater in unendlichen Spielweisen an der äusseren Welt der Verleugnungen zerschellt. Eben wenn sie sich nicht einmal ein Bild von ihm machen, ja, noch nicht einmal ein schlechtes von ihm haben dürfen. Aber alle Kinder haben ein Recht auf ihre Eltern und ihre Phantasien über diese. Sie sind nicht als idealisierte, realitätsferne Bilder zu verwerfen, sondern als ambivalente Vorstellungen, eben als innerpsychische Wirklichkeit der Kinder ernst zu nehmen. Es geht darum, dass beide Elternteile eine widersprüchliche und spannungsreiche Einheit in der Vorstellungswelt der Kinder bilden dürfen.
Deshalb hat gerade die zunehmende Abwertung und Verleugnung der Väterlichkeit ein paradoxes Phänomen entstehen lassen. Paradox deshalb, weil es hervorbringt, was im Namen eines missverstandenen Kindeswohls unterdrückt werden sollte: die Bindung an den Vater. Je mehr die Väterlichkeit verschrieen oder als unabdingbares Element von Kindheit in Abrede gestellt wird, um so heftiger wird die Sehnsucht nach ihm entfacht. Daraus ist jenes leidenschaftliche Begehren im Untergrund entsprungen: die Vatersehnsucht. Paradoxerweise entzündete sie sich sowohl an der Feindseligkeit wie der sachlichen Kritik, die an der Väterlichkeit geübt wurde.
Aber wo, so lässt sich fragen, zeigt sich denn das leidenschaftliche Gefühl der Vatersehnsucht? Wie kann ein leidenschaftliches Sehnen nach dem Vater verbreitet sein, wenn niemand die Sehnsucht spürt und statt dessen nur Entwertungen zu vernehmen sind? Auf diese Frage will ich versuchen, in elf Essays aus höchst unterschiedlichen Blickwinkeln Antworten zu geben.
So sei als erste Orientierung angemerkt, dass gerade Gefühle von besonderer Leidenschaft den Weg ins bewusste Fühlen mitunter besonders schwer finden. Das wird immer dann der Fall sein, wenn der Leidenschaft zugleich sich grosse Gefühle der Angst zugesellen und wenn – wie bei der Vatersehnsucht – die Leidenschaft fürchtet, ihr Ziel nicht zu finden und das Hoffen vergeblich gewesen sein könnte. Vatersehnsucht zu verleugnen, wirkt dann wie ein Schutz gegen die gefürchtete Enttäuschung. Aber es ist bei weitem nicht die individuelle Angst allein, die sich dem bewussten Erleben der Vatersehnsucht hemmend entgegenstellt. Was individuell als Angst vor der bewussten Sehnsucht sich zu erkennen gibt, wird ebenso durch die Kultur wie die politisch und wissenschaftlich geübte Vaterverachtung hervorgebracht. Die Vaterfeindlichkeit der Kultur wirkt wie eine Gefühlszensur. Man könnte sagen, dass das Gebot, Du sollst Vater und Mutter ehren in der Moderne den Vater ausschliesst.
Von selbst wird die Vatersehnsucht den Weg ins bewusste Erleben nicht finden. Dazu bedarf es eines anderen Verständnisses von Elternschaft und neugieriger Kinder in jedem Alter, die ihrer Sehnsucht folgen möchten.
Um die Sehnsucht nach dem Vater zu verstehen, war ich auf die Mitarbeit von Müttern und Söhnen angewiesen. Fast fünfhundert Männer und mehr als eintausend Frauen haben dankenswerterweise den sehr umfangreichen Fragebogen ausgefüllt, der die empirische Grundlage für einige meiner wesentlichsten Überlegungen bildet. Die Fragen waren beschwerlich, weil sie Antworten erbaten, die für viele in intime Bereiche führten, in denen sie sich bislang nicht bewegt hatten.
Mein Dank gilt den Frauen und Männern, die den Fragebogen ausfüllten, aber auch den anderen, die den Fragebogen zwar angefordert haben, dann aber aus sehr persönlichen Gründen darauf verzichteten, ihn zurück zuschicken. (…)
Scheidungsväter:
Wie Männer die Trennung von ihren Kindern erleben
Von Gerhard Amendt
Leider finde ich die Sprache des oben wiedergebenen Vorworts ebenso unzugänglich wie ich den Versuch lobenswert finde, endlich dem Thema „ausgegrenzte Väter“ Stimme zu verleihen.
Die Emanzipation der Frauen hat, neben zahlreichen überfälligen Befreiungen des nicht immer schwächeren Geschlechts, beispielsweise bei der rechtlichen Stellung, Scheidung, Abtreibung, freie(re)n Berufswahl etc. geführt; teilweise muss konstatiert werden, dass nicht überall die Gleichstellung der Frauen ausreichend realisiert ist, etwa was gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit anbelangt.
Gleichzeitig hat sich aber in manchen Bereichen so etwas wie eine Herabsetzung männlicher Eigenschaften und Gegebenheiten durchzusetzen begonnen. Ich habe manchmal den EIndruck, als würde sich eine Art parthenogenetischer Mentalität in unserer Gesellschaft ausbreiten.
Männer werden aufgefordert, sitzend zu urinieren, was der männlichen Haltung bei diesem Geschäft komplett widerspricht. Häufiges Verlangen nach konsensuellem Sex wird als Macho-Verhalten verteufelt, obwohl sich bei frau doch herumgesprochen haben müsste, dass Männer in dieser Hinsicht anders funktionieren als Frauen.
Aber der Gipfel ist jene Art der „Weiber-Scharia“, nach der Kinder im Trennungsfall grundsätzlich der Frau zugesprochen werden, etwa so, wie sie in Tunesien ab dem 7. Lebensjahr zum vater zu kommen haben. Eine Überprüfung ist nur im Ausnahmefall vorgesehen. Die Frau erhält somit Unterhalt, den sie bequem auch für eigene Zwecke einsetzt, und der Mann darf im Normalfall eine Wochenend- und Ferienbeziehung zu seinen Kindern unterhalten, bleibt von der Entscheidung über alle „minder bedeutende Aspekte“ (die 90% einer normalen Eltern-Kind-Beziehung ausmachen) ausgeschlossen.
Wer hier ein emanzipatorisches Defizit zu Gunsten des Mannes anmahnt, gilt als verquerter Macho mit politisch unkorrekten Vorstellungen.
SO sehr ich unter dieser Situation als von seinen Kindern getrennt lebender Vater leide, so sehr sehne ich mir nach mehr gesellschaftlicher Akzeptanz für unsere männlichen und väterlichen Belange.
Was Man’s Advocate hier von sich gibt passt eher zum Neu-Konservativismus der Chauvinisten und hat mit Amendt sicher wenig zu tun.
diesen reaktionären mist sollte man bitte nicht- und das gleich mehrfach- GÜNTHER amendt unterjubeln, das hat der nicht verdient.
m
und nochmals: man kann diesen text NICHT günther amendt unterschieben, wie mehrfach geschehen. auch pat scheint drauf reingefallen zu sein.
m.