Wieder, wie in „Trümmerkind“, dem ersten Teil seiner Brucker-Trilogie, führt uns Bernd Späth in seine bayerische Heimatstadt, Fürstenfeldbruck, genannt Bruck, Anfang der 50iger Jahre des letzten Jahrhunderts…
Der bereits aus Trümmerkind als Erzähler bekannte Wolfi Achinger berichtet diesmal von seinem Mitschüler, dem Listl Toni, der behindert, also „deppert“ ist, obendrauf noch ein Bluter.
Er erzählt vom Racker Sepp, vom Ernstl und vom Manni, alle mit einer Behinderung: „Beim Hitler hätten s’den weg! Dann tät‘ er den Staat kein Geld kosten! Hauptsach‘, mir dürfen zahlen, mir zahlen ja eh für alles. Wenns überlegst, was mir inzwischen für Schecks nach Israel ´nüberschicken, dann sollert ja wenigstens noch a bissel was über bleiben für a deutsches Kind. Und wenn er noch a so deppert ist, das ist mir allweil noch lieber, als wenn mir`s dene` Langnaserten nachschmeißen…“
„Die Depperten“ und der Sanitäter Danzinger erweisen in dramatischen Situationen Fürsorglichkeit, Menschlichkeit und Anstand, die den „normalen“ Stadtbewohnern fehlen, die alle lieber ihre dunklen Geheimnisse tagtäglich in den Wirtshäusern mit Bier und Schnaps ertränken.
„Eine Stadt ist stets ein Gruppenphänomen. Verfügt eine Stadt nicht über die nötige Anzahl von Depperten, dann beginnen die angeblich Normalen sofort damit, sich untereinander hoffnungslos zu zerstreiten.
Eine Stadt ohne Depperte ist keine Stadt. Erst die Depperten verleihen ihr Würde.“
Trotz der teilweise derben Sprache ist das Buch sehr liebenswert, humorvoll und feinfühlig geschrieben, es mutet zum Schmunzeln und zum Nachdenken an.
Nachkriegszeit im bayrischen Fürstenfeldbruck: Die letzten Trümmer im Land sind noch nicht beseitigt und die Wunden in den Seelen sowieso noch nicht. Amerikaner auf den Straßen, die ersten Waschmaschinen kommen auf, Wasserklosetts werden in den Häusern eingebaut.
An den Stammtischen wird nachträglich der Krieg gewonnen, und man hasst Amerikaner und Juden gleichermaßen.
Für den kleinen Wolf Achinger ist das ganze Gerede von “dem Jud, der an allem Schuld ist, mehr noch als der Amerikaner” undurchsichtig und äußerst verwirrend. Kennt er doch den netten alten Matusowicz, der ihm jedes halbe Jahr eine neue Hose näht, und der ist – Jude! Nachkriegsdeutschland aus der Sicht eines kleinen Jungen, der in einer zutiefst bayrischen Großfamilie aufwächst – wo der Opa sturzbetrunken die Treppe runterfällt, wo der Vater traumatisiert aus dem Krieg zurückkehrt und die Mutter eines Tages weg ist, weil sie die Verhältnisse nicht mehr erträgt. Nachkriegsdeutschland aus der Sicht eines Heranwachsenden, der verbotenerweise mit den Grattlerkindern spielt. Der sich an die “Greane Gumpen” zurückzieht und seinen Träumen nachhängt, wenn es zu Hause zu schlimm wird. Der seine ersten Erfahrungen mit der Liebe macht.
Mit viel menschlicher Wärme und bayrischer Deftigkeit, in ebenso komischen wie erschütternden Bildern schildert Bernd Späth das ganz eigene Schicksal eines “Trümmerkindes”, das doch für eine ganze Generation verlorener Kinder steht, über die bisher nicht viel nachgedacht worden ist in der deutschen Literatur. … (Trümmerkind, nur noch antiquarisch zu erhalten…)…http://astore.amazon.de/buchundjudenhaga/detail/3404151003