Adam Smith‘ »Wohlstand der Nationen«, das 1776 erschien, markiert die Geburtsstunde der Ökonomie als eigenständige Disziplin. Gleichwohl muss der Titel seines Werkes auch programmatisch gewirkt haben: Trotz der Verschiedenheit der Theorien, die seitdem entwickelt wurden, hatten die Wirtschaftswissenschaftler immer eine gemeinsame Triebkraft. Von Anfang an ging es ihnen um die Suche nach den Gesetzen des menschlichen Zusammenlebens, nach denen Reichtum geschaffen und verteilt wird…
Mehr oder weniger vordergründig, mehr oder weniger sozial orientiert, hatten und haben die von Vera Linß in ihrem Buch „Die wichtigsten Wirtschaftsdenker“ porträtierten 60 Denker stets die Hoffnung, ihre Erkenntnisse könnten dazu beitragen, die Wirtschaft besser zu lenken – eben zum »Wohlstand der Nationen«. Umso erstaunlicher ist es, dass die Ökonomie zu Beginn des 21. Jahrhunderts in gewisser Hinsicht wieder – oder noch – ganz am Anfang steht.
Aus dem Vorwort von Vera Linß
Während die Naturwissenschaften Erfolge feiern dürfen, weil der Fortschritt in Medizin und Technik bei allen offenen Fragen doch unbestritten ist, sind die Wirtschaftsdenker eine skeptisch beäugte Zunft. Nach wie vor schlägt sich die Menschheit mit Problemen herum, zu deren Beseitigung auch die Theorie beitragen sollte. Noch immer ist die Welt in Arm und Reich geteilt, gibt es Kriege und Hungersnöte, Millionen von Arbeitslosen – sogar in der Konjunktur – und wohin sich die globale Wirtschaft angesichts des enormen Wachstums in den asiatischen Staaten entwickelt: Keiner kann es Vorhersagen. »Ich weiß, dass ich nichts weiß – aber auf hohem Niveau.« Dieser Sokrates’sehen – um ein Augenzwinkern erweiterten – Einsicht, kann man sich, bei allem Respekt, kaum entziehen.
An dieser Stelle jedoch seien die Ökonomen in Schutz genommen. Denn ihr Gegenstand ist gleich in mehrfacher Hinsicht kompliziert. Zum einen ist die Wirtschaftswissenschaft streng genommen keine Wissenschaft. Die Ökonomen bedienen sich zwar wissenschaftlicher Methoden, gültige Aussagen, wie in den Naturwissenschaften, lassen sich jedoch nicht treffen – auch wenn das viele gern hätten.
Nicht umsonst rufen etliche Aspekte in den Wirtschaftstheorien heute nur noch ein Lächeln hervor, oder, um es deutlicher zu sagen: Die Geschichte verlief anders, als gedacht. Eben weil, wie der Vater der Neoklassik Alfred Marshall in seinen »Principles of Economics« 1890 schrieb, die Ökonomie auch »mit den ewig wandelbaren und undurchsichtigen Kräften der menschlichen Natur befasst ist.«
Doch nicht nur das macht die Begrenzung aus. Zum Leidwesen ihrer Verfasser wurde nicht eine der hier vorgestellten Wirtschaftstheorien jemals konsequent umgesetzt und konnte so nie wirklich »bewiesen« werden. Man sei nicht richtig verstanden oder angewendet worden – nicht umsonst zieht sich diese Klage durch viele Porträts. Und selbst Karl Marx möchte man unterstellen, dass er sich nicht nur einmal fehlinterpretiert gefühlt hätte. So bleibt den großen Wirtschaftsdenkern vor allem ein Verdienst: ihr Beitrag dazu, dass wir alle die Rahmenbedingungen des Kapitalismus – denn um den geht es – besser verstehen können.
Auf welche Weise dies geschah, soll dieses Buch zeigen. Dabei zieht sich die Kernfrage, die recht bald kontrovers diskutiert wurde, bis heute durch: Wie weit darf man auf die Smith’sehe »unsichtbare Hand« vertrauen, sprich: den Markt sich selbst überlassen, und wann und in welchem Umfang sollte der Staat ins Wirtschaftsgeschehen eingreifen? An dieser Problemstellung, die teilweise religiöse Züge annimmt, formieren sich die »Lager«: Klassiker, Neoklassiker und Neoliberale auf der einen, die Vertreter des Keynes’sehen Ansatzes auf der anderen Seite.
Daneben kommen jene zu Wort, die sich keiner Richtung zugehörig fühlen, und diejenigen, die auf gewisse Weise abseits stehen: die Kritiker des Kapitalismus. Und nicht zuletzt zieht sich ein Thema durch fast alle Biografien: die Diskussion um das Selbstverständnis und die Instrumentarien der eigenen Disziplin und welche Bedeutung die Erkenntnisse der Ökonomen denn nun tatsächlich haben. Denn dass das Wissen um die Mechanismen des Kapitalismus benötigt wird, dessen sind sie sich durchaus bewusst. Auch wenn Politik nicht allein auf Wirtschaftstheorien fußt, so lässt sich ohne Theorie auch keine Gesellschaft gestalten.
Vera Linß:
Die wichtigsten Wirtschaftsdenker
Porträts von 60 bedeutenden Ökonomen, die jeweils ihre Zeit geprägt haben. Ein Muss für alle, die Wirtschaft verstehen wollen!Von Anfang an ging es den Wirtschaftsdenkern um die Suche nach den Naturgesetzen des menschlichen Zusammenlebens, nach denen Wohlstand geschaffen und verteilt wird. Dahinter stand die Hoffnung, ihre Erkenntnisse könnten helfen, die Wirtschaft zum Wohle der Menschheit zu lenken.
Dieses Buch enthält die Porträts von 60 Ökonomen, die jeweils ihre Zeit geprägt haben. Es gibt Einblick in die Gedankenwelt und die Lebensumstände der mit einer Ausnahme männlichen Vordenker, stellt ihre wichtigsten Theorien dar und zeigt, wie sie gewirkt haben und noch heute wirken. Ein Muss für alle, die Wirtschaft verstehen wollen.
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