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Habsburgs jüdische Soldaten

Anlässlich des diesjährigen Gedenkens an den Ausbruch des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren werden das damalige Kriegsgeschehen und die daraus folgende schicksalhafte Neuordnung Europas unter verschiedensten Aspekten beleuchtet. Eine Thematik, die sowohl medial als auch wissenschaftlich in den Fokus des Interesses rückt, ist die Auseinandersetzung mit den jüdischen Soldaten, die in den beteiligten Armeen dienten…

Habsburgs jüdische Soldaten: 1788-1918Von Monika Halbinger

Das Thema „Jüdische Soldaten“1 scheint im allgemeinen Bewusstsein immer noch ein wenig exotisch, auch wenn es bereits in den vergangenen Jahren in diversen Publikationen behandelt wurde.2 Juden in Europa werden in der historischen Betrachtung immer noch vor allem als Kulturträger und Intellektuelle rezipiert; denkt man an jüdische Soldaten, assoziieren manche eher israelische Soldaten der Gegenwart. Dabei ist das Topos des „jüdischen Soldaten“ mit zahlreichen antisemitischen Mythen behaftet, z.B. mit dem Bild des „feigen Drückebergers“, untauglich für den Kriegsdienst. In Deutschland fand diese Vorstellung im 1. Weltkrieg Ausdruck in der sogenannten „Judenzählung“, einer Erhebung der Anzahl jüdischer Soldaten in den deutschen Streitkräften im Oktober 1916. Hintergrund war die weit verbreitete Annahme, dass es den deutschen Juden an Vaterlandsliebe mangele und diese deshalb in den kämpfenden Truppen unterrepräsentiert seien. Die Erhebung konnte diese Beschuldigungen widerlegen, bewies sogar, dass Juden überrepräsentiert waren, wurde aber gerade auch deshalb nicht veröffentlicht. Die 100.000 jüdischen Soldaten, die in den deutschen Streitkräften kämpften und von denen 12.000 im Kampf fielen, waren für viele unerwünschte Patrioten.

Wie aber zeigte sich das Verhältnis von Juden und Militär im Habsburgerreich? Erwin A. Schmidl, ein profunder Kenner dieser Thematik, hat seine Forschungsergebnisse nun in einem lesenswerten Buch zusammengetragen. Dabei muss gleich vorab auf eine wichtige methodische Entscheidung Schmidls im Umgang mit den Quellen hingewiesen werden. Schmidl lässt nur diejenigen als jüdische Soldaten gelten, die gemäß den vorliegenden Quellen eindeutig der jüdischen Religionsgemeinschaft angehörten. Seine Studie umfasst keine getauften Juden. Diese Vorgabe ist umso wichtiger, als die Ergebnisse seiner Studie sich wirklich nur auf Juden beziehen, die sich weiterhin zu ihrer Konfession bekannten und somit ein weitaus besserer Indikator für eine gesellschaftliche Akzeptanz sind als Juden, die sich taufen ließen, egal ob aus Überzeugung oder – was wahrscheinlicher war – weil sie sich durch diesen Schritt bessere Karriere- und Aufstiegschancen ausrechneten. Schmidl kann nachweisen, dass diese Überlegung für das Habsburgerreich nicht so entscheidend war wie für andere Nachbarstaaten, zumindest bis zum Aufkommen des Rassenantisemitismus Ende des 19. Jahrhunderts. Österreich gehörte vielmehr zu den ersten Ländern in Europa, die in der Neuzeit Juden zum Militärdienst heranzogen.

Nachdem der Hofkriegsrat entsprechende Bemühungen der Hofkanzlei vorerst abgewehrt hatte, entschied Joseph II. am 18. Februar 1788, die Militärpflicht für jüdische Bürger. Zunächst auf Galizien beschränkt, wurde diese am 4. Juni 1788 auf alle habsburgischen Länder ausgedehnt. In Preußen wurden im Vergleich dazu Juden erst 1812 zum Militärdienst eingezogen, in der Regel nur auf Kriegsdauer.

Allerdings muss man sich auch hier darüber im Klaren sein, dass der hinter dieser Entscheidung stehende und für die Regierungszeit Kaiser Josephs II. so prägende Aufklärungs– und Toleranzgedanken auch mehr oder weniger antisemitisch grundiert war. Die neuen Maßnahmen wurden mit dem Ziel verfolgt, den „Staat im Staate“, den Juden bilden würden, zu eliminieren, und sie zu nützlichen Staatsbürgern zu „erziehen“. Weniger die Gleichberechtigung, als vielmehr eine paternalistische Duldung stand hier im Vordergrund.

Generell war die Entscheidung nicht unumstritten. Während die Einwände von nichtjüdischer Seite häufig vorgeschoben wurden, um Juden die gesellschaftliche Gleichberechtigung zu verwehren, waren die Bedenken von jüdischer Seite nicht von der Hand zu weisen. Viele religiös-observante Juden fürchteten, dass sich die jüdischen Soldaten ihrer religiösen Herkunft entfremden könnten. Und tatsächlich war die Einhaltung der Religionsgesetze häufig nur schwer vereinbar mit den militärischen Pflichten. So war es auch nicht verwunderlich, dass sich auf jüdischer Seite vor allem assimilierte Juden im Westen des Habsburgerreiches eher für den Militärdienst aussprachen, die zudem aufgrund privilegierter Stellung ohnehin von der Einberufung ausgenommen waren, zumindest vorläufig. Für toratreue Juden gestaltete sich die militärische Verpflichtung in einer Armee, die sich dezidiert als katholisch verstand, schon schwieriger. Das Arbeitsverbot am Schabbat, Kaschruth und Schatnesverbot (Verbot, Wolle und Leinen zu mischen) stellten sowohl die religiösen Soldaten als auch die Militärverwaltung vor heikle Probleme. Die Respektierung jüdischer Gesetze war häufig nur theoretischer Natur, doch versuchte man teilweise den halachischen Bestimmungen entgegenzukommen: so wurde z.B. bei Schatnes in Uniformen das Flachs durch Hanf ersetzt. Und auch von jüdischer Seite versuchte man so gut wie möglich, seinen religiösen Verpflichtungen nachzukommen. Der Prager Rabbiner Ezechiel Landau hatte 1789 den ersten jüdischen Soldaten geraten, so lange von „Butter, Käse und anderen erlaubten Speisen [zu] leben“, bis sie von jüdischen Familien koscheres Essen erhalten könnten. Gleichzeitig ermahnte er sie: „… folget ohne Murren, gehorchet Euren Vorgesetzten, seid treu aus Pflicht und geduldig aus Gehorsam.“3

Jüdische Soldaten wurden im österreichischen Heer bald eine alltägliche Erscheinung und während der Napoleonischen Kriege wurden erstmals auch jüdische Offiziere ernannt. Wie alle anderen gesellschaftlichen Gruppen wurde die jüdische Bevölkerung von der patriotischen Begeisterung dieser Jahre, die sich in den „Befreiungskriegen“ gegen Napoleon manifestierte, ergriffen. Die bisherige Einschränkung auf das Fuhrwesen fiel und der jüdische Militärdienst wurde auf alle Waffengattungen ausgedehnt. Zwischen 1793 und 1815 dürften 36.000 Juden im kaiserlichen Heer gedient haben. Juden hatten auch die Möglichkeit, am berühmten Wiener „Josephinum“, einer militärärztlichen Hochschule, zu studieren; hier konnte ein Jude eine Stelle erhalten, die der eines Chefarztes eines zivilen Krankenhauses entsprach, ihm dort aber verwehrt geblieben wäre.

Dennoch gab es immer noch Misstrauen gegenüber jüdischen Soldaten und bestimmte diskriminierende Haltungen bestanden weiter. So sollten jüdische Soldaten beispielsweise möglichst nicht nach Hause reisen, da ihnen ein höheres Desertationsrisiko unterstellt wurde.

Mit den Revolutionsjahren kam es zu einer Verschärfung dieser Tendenz und auch eines generellen Antisemitismus. Angesichts der Beteiligung von Juden an den Aufständen von 1848 /49 wurden sie als Sympathisanten der Demokratie gebrandmarkt. Dabei war auch die jüdische Gemeinschaft gegenüber den revolutionären Ausschreitungen durchaus gespalten. So gab es innerhalb der Gemeinden Differenzen zwischen den konservativen Kreisen, die den Kaiser und die Armee unterstützten, und den liberalen Juden, die eher die Nationalgarde favorisierten. Nichtsdestotrotz wurden Juden 1850 von einer Laufbahn als Militärjuristen und den Militärakademien ausgeschlossen.

Doch auch vor diesem Hintergrund nahm die Zahl der jüdischen Soldaten in der k.k. Armee4 stetig zu. Schätzungsweise 10.000 bis 20.000 Juden dienten in den Kriegen von 1859 und 1866. Die Niederlagen dieser Kriege führten zu einer umfassenden Reform des Heerwesens, die Juden im Zuge der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1869 endgültig zu einem integralen Bestandteil der kaiserlichen Armee machte. Bereits zwei Jahre zuvor waren die vollständige Gleichberechtigung aller Staatsbürger endgültig im „Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder“ festgesetzt und die bis dahin geltenden Benachteiligungen für Juden für nichtig erklärt worden.

Die weit verbreitete Annahme, dass Juden vor allem im Fuhr- und Sanitätswesen gedient hätten, kann laut Schmidl durch die Statistiken nicht bestätigt werden, da die meisten Juden in den kämpfenden Truppen verpflichtet waren, auch wenn es regionale Unterschiede gab. Waren Juden in bestimmten Gegenden in der Verwaltung überrepräsentiert, hatte dies auch damit zu tun, dass dort die religiösen Vorschriften leichter einzuhalten waren. Außerdem waren Juden häufiger geeignet für Verwaltungsaufgaben aufgrund ihrer im Vergleich zum Durchschnitt besseren Kenntnisse der deutschen Amtssprache. Wie sehr aber Juden doch noch mit Argwohn und Vorurteilen konfrontiert gewesen sein mussten, lässt sich an folgendem Umstand erkennen: Juden verschwiegen nicht selten intellektuelle Qualifikationen wie Sprachenkenntnisse, um nicht auf angenehmere Bürostellen versetzt zu werden, bei denen sie ihren Kampfgeist nicht unter Beweis stellen konnten.

Schon in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts hatte Kaiser Franz Joseph I. gegenüber seinem Finanzminister Dr. Julian Ritter von Dunajewski seine Missgunst gegenüber der antisemitischen Bewegung zum Ausdruck gebracht. Sie sei ihm „jetzt, nachdem die jüdischen Soldaten in den Jahren 1878 und 1882 [d.h. in den Feldzügen in Bosnien-Herzegowina 1878 und bei der Niederschlagung des Aufstandes in der Herzegowina und im südlichen Dalmatien 1881/82] so vieles Respektable geleistet [haben], sogar peinlich. Ja, soll ich denn die vielen Hunderte, die sich im Okkupationsgebiet ausgezeichnet haben, kränken lassen? […] Dienen doch in meiner Armee mehr als 30.000 jüdische Soldaten! So mancher europäische Kleinstaat wäre stolz darauf, wenn er eine so starke Armee aufbringen könnte.“5

Zur Klärung der Frage, in welchem Ausmaß Antisemitismus in der Armee verbreitet war, zieht Schmidl vor allem Erinnerungsliteratur bzw. Egodokumente heran. Die Beurteilung fällt hierbei durchaus unterschiedlich aus. So berichtet beispielsweise Oberleutnant Rudolf Kohn (1894-?): „Ich habe beim Militär überhaupt einen Antisemitismus nicht gespürt und das habe ich [den Habsburgern] sehr angerechnet.“6 Ein anderer Soldat, David Neumann (1894-1992), beklagt indes, er sei unter Druck gestanden, „doch [zu] beweisen, dass ich ein guter Soldat bin.“7

Schmidl führt als Beleg für das Fehlen zumindest stark virulenter antisemitischer Tendenzen an, dass eine größere Anzahl von Offizieren mit jüdischen Frauen verheiratet war, die dem damaligen Verständnis nach genauso gesellschaftsfähig wie ihr Mann sein mussten.

Trotz einer sicherlich nicht zu vernachlässigenden Dunkelziffer geht Schmidl davon aus, dass im Großen und Ganzen jüdische Soldaten in Österreich-Ungarn mit weniger antisemitischen Diskriminierungen und Vorurteilen konfrontiert waren als in anderen Armeen. Generell habe sich das Offizierskorps dem zunehmenden Antisemitismus gegenüber vergleichsweise immun gezeigt.

Zwischen 1897 und 1911 waren 18 Prozent aller Reserveoffiziere Juden, was im Vergleich mit Preußen nicht selbstverständlich war. Dort gelang es zwischen 1885 und 1914 keinem einzigen von rund 30.000 Reserveoffiziersanwärtern zum Leutnant ernannt zu werden. Vor dem Hintergrund der damaligen bürgerlichen Wertvorstellungen war der Rang des Reserveoffiziers für viele Juden das endgültige Symbol für die langersehnte gesellschaftliche Anerkennung. Illustriert wird dies auch durch das Coverfoto des Buches, das die Reserveoffiziere Ernst und Martin Freud 1916 auf Heimatbesuch bei ihrem berühmten und stolzen Vater Sigmund Freud zeigt.

Generell lässt sich eine bemerkenswerte Entwicklung feststellen. Der anfänglich gegenüber den Reformvorhaben der Hofkanzlei dezidiert zurückhaltende Hofkriegsrat wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in seiner Einstellung gegenüber Juden immer offener. Nach 1867 kam es sogar zu einem „Turn“ und die Militärbehörden brachten Juden größeres Wohlwollen entgegen als die zivilen Verwaltungsbehörden. Und sie waren bereit, das auch durchzusetzen. Das Militär konnte nämlich auch Gleichstellung befehlen; als es gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Diskussion über die „Satisfaktionsfähigkeit“ von Juden gab, die von zahlreichen reaktionären Studentenverbindungen negiert wurde, konnte im Militär kein Duell verweigert, sondern sogar angeordnet werden.

Für seine These, dass die Stellung von Juden im Heer besser war als in vielen zivilen Lebensbereichen führt Schmidl folgenden Grund an:

„Dies war vor allem auf die besondere Einstellung der multinationalen k.u.k. Armee zurückzuführen, die rund ein Dutzend Nationalitäten und ebenso viele Religionsgruppen umfasste und ein einigendes Band des langsam zerfallenden Reiches darstellte. Obwohl zum überwiegenden Teil deutscher Nationalität und katholischer Religion, stellten die Offiziere ihre Aufgabe über die nationalistischen Streitereien. Ihre Treue gehörte nicht einer Nation, sondern dem Staat und dem Kaiserhaus.“8

Die vergleichsweise hohe Zahl jüdischer Offiziere in der k.u.k. Armee wurde dann auch von deutschnationalen Gegnern aus Deutschland in ihren Attacken gegen die Habsburger-Monarchie aufgegriffen. Schätzungsweise zwischen 275.000 und 400.000 jüdische Soldaten haben in der k.u.k. Armee im 1. Weltkrieg gedient, man geht von 30.000 jüdischen Kriegstoten aus. Diskriminierende Maßnahmen wie z.B. die „Judenzählung“ in Deutschland gab es nicht. Juden dienten häufig voller patriotischer und kaisertreuer Überzeugung, da sie gerade angesichts des wachsenden Antisemitismus die Monarchie als zentralen Verbündeten ihrer Sache sahen. So konnten – nach diversen Berichten – auch russische jüdische Soldaten leicht zum Desertieren bewegt werden, da für sie die tolerante Atmosphäre der Donaumonarchie attraktiver erscheinen musste als die Unterdrückungen im zaristischen Russland. Den Militärbehörden war die seelsorgerische Betreuung der jüdischen Soldaten ein wichtiges Anliegen. Bei Ausbruch des 1. Weltkrieges gab es im k.u.k. Heer zehn Feldrabbiner der Reserve, im Verlauf des Krieges wurden zehn weitere ernannt und 56 „auf Kriegsdauer“ verpflichtet. Es gab in den Kasernen eigene Beträume und im Krieg errichtete man sogar in Frontnähe eigene Synagogen (wenn es keine zivilen Synagogen in der Nähe gab), ebenso auch in den Kriegsgefangenenlagern.

Der Untergang der Donaumonarchie bedeutete für Juden eine Zäsur mit weitreichenden Folgen. Die thematisch einschlägige Ausstellung des Jüdischen Museums Wien, die noch bis 14. September 2014 läuft und an der auch Erwin A. Schmidl mitgewirkt hat, heißt auch „Weltuntergang“9, weil das Ende des Habsburgerreiches für Juden auch tatsächlich ein solcher war. Die Zukunft sollte nichts Gutes bringen. Schmidl meint dazu:

„In der Alten Monarchie galten die Juden manchmal als die einzige >übernationale< Gemeinschaft, als die einzigen wahren Österreicher in einem Reich, das zunehmend durch Auseinandersetzungen zwischen den Nationalitäten geprägt war. Dies galt vielleicht am stärksten für jene Juden, die in der Armee dienten, die sich ja selbst als Bindeglied über den Nationalitäten empfand.“10

Von 1918 bis 1938 war Antisemitismus in allen politischen Lagern und Parteien anzutreffen. Vielen österreichischen Juden erschien auch der autoritäre Ständestaat vom Mai 1934 angesichts der von Deutschland ausgehenden nationalsozialistischen Bedrohung als „Schutzmacht“. Die Ereignisse im März 1938 änderten dies dramatisch. Das österreichische Bundesheer wurde in die deutsche Wehrmacht übernommen. Jüdische Soldaten (einschließlich diejenigen jüdischer Herkunft) sowie nichtjüdische Soldaten mit jüdischen Ehefrauen wurden in Pension geschickt. Eine große Anzahl jüdischer Österreicher, darunter auch viele Soldaten, wurden diskriminiert, verfolgt, zur Flucht gezwungen oder in den Folgejahren in der Shoah ermordet. Schmidl geht aber auch den Wegen der Juden nach, die sich bereits in der Zwischenkriegszeit zur Auswanderung nach Palästina entschlossen. Darunter waren auch viele Teilnehmer des 1. Weltkrieges, die nun auch noch in der neuen Heimat ihre Uniform des „Bundes jüdischer-Frontsoldaten“, der größten jüdischen Veteranenorganisation der Zwischenkriegszeit, trugen und teilweise dann auch in der Hagana, der jüdischen Untergrundarmee, später in den israelischen Streitkräften, Karriere machten. Zudem kämpften zahlreiche österreichische Juden in den Reihen der alliierten Armeen für die Befreiung Österreichs und Europas gegen Nazi-Deutschland.

Insgesamt mögen Schmidls Einschätzungen manchem wohl zu positiv erscheinen. Obgleich er antisemitische Tendenzen und Probleme, mit denen sich jüdische Soldaten in der k.u.k. Armee konfrontiert sahen, nicht verschweigt, gewinnt der Leser manchmal den Eindruck, dass die Studie ein wenig die Habsburgermonarchie verklärt und gewissermaßen dem Habsburg-Mythos huldigt. Ob die Donaumonarchie als Sehnsuchtsort, den tatsächlich viele jüdische Österreicher und ihre Nachkommen pflegten, nicht einer gewissen rückblickenden Sentimentalität geschuldet ist, gerade angesichts von Verfolgung und Ermordung, die noch folgen sollten, kann diskutiert werden. Auch Schmidls These, dass das österreichische Bundesheer in der 2 . Republik im Großen und Ganzen, wie zuvor die k.u.k.-Armee, judenfeindlichen Tendenzen gegenüber immun gewesen sein soll, kann angesichts des weit verbreiteten Antisemitismus in Österreichs Zivilgesellschaft in Frage gestellt werden.

Schmidls kenntnisreiche Studie enthält aber unzweifelhaft eine Fülle von Informationen und interessanten Details, kompakt zusammengefasst. Dieser gut zu lesende Überblick mit seinem umfangreichen Quellenteil ist zur Lektüre sehr zu empfehlen und führt auch anhand von Egodokumenten eindrucksvoll vor Augen, welchen Stellenwert „Habsburg“ im Allgemeinen und die k.u.k.-Armee im Besonderen bis heute im jüdischen Gedächtnis einnehmen.

Erwin A. Schmidl, HABSBURGS JÜDISCHE SOLDATEN 1788-1918, Böhlau Verlag Wien, Köln, Weimar 2014, Euro 29,90, Bestellen?

  1. So z.B. für den deutschen Raum das neu erschienene wissenschaftliche Werk „Feldrabbiner in den deutschen Streitkräften des 1. Weltkriegs“ oder auf literarischer Seite der erste Roman des ehemaligen israelischen Botschafters in Deutschland, Avi Primor, „Süß und ehrenvoll“, der die Geschichte zweier jüdischer Soldaten erzählt. Während der eine für die deutsche Armee kämpft, ist der andere für Frankreich ins Feld gezogen. Ebenfalls diesem Thema widmet sich eine Ausstellung München mit ergänzendem Begleitprogramm und Ausstellungskatalog: Ausstellung Jüdisches Museum München: „Krieg! Juden zwischen den Fronten 1914-1918″, bis 22. Februar 2015. Außerdem beschäftigt sich in Berlin eine Ausstellung mit der jüdischen Sicht auf den 1. Weltkrieg, auch unter Berücksichtigung jüdischer Soldaten: Kabinettausstellung Jüdisches Museum Berlin: „Der Erste Weltkrieg in der jüdischen Erinnerung“, bis 16. November 2014. []
  2. So z.B. Michael Berger: „Eisernes Kreuz – Doppeladler – Davidstern / Juden in deutschen und österreichisch-ungarischen Armeen. Der Militärdienst jüdischer Soldaten durch zwei Jahrhunderte“, Berlin 2010. Oder. Wladimir Struminski: „An allen Fronten: Jüdische Soldaten im Zweiten Weltkrieg“, Berlin 2012. Oder: Michael Berger/Gideon Römer-Hillebrecht (Hrsg.): „Jüdische Soldaten – Jüdischer Widerstand in Deutschland und Frankreich“, Paderborn 2011. Eine frühe Auseinandersetzung mit den jüdischen Soldaten des ersten Weltkrieges: „Kriegsbriefe gefallener deutscher Juden“, Stuttgart 1961, mit einem Geleitwort des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß [Neuauflage des 1935 vom „Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten“ herausgegebenem Buch; erneute Auflage 1992]. []
  3. S. 173 f. Anhang 1: Rede des Rabbiners Ezechiel Landau an die ersten Rekruten aus Prag (1789). []
  4. Die Bezeichnung k.k. (kaiserlich-königlich) bezog sich bis zum österreichisch-ungarischen Ausgleich 1867 für die Einrichtungen des gesamten Kaiserreichs. Ab diesem Zeitpunkt bezog sich die Abkürzung k. k. nur mehr auf die westliche Reichshälfte. Für gemeinsame Einrichtungen beider Reichshälften fand 1867–1918 die Bezeichnung k.u.k. Verwendung. []
  5. S. 81 zitiert nach Moritz Frühling, Wiener Juden für die österreichisch-ungarische Armee, in Ost und West X (1910), S. 539-546, hier: S. 545. Einfügung zu den Jahreszahlen nach Schmidl. []
  6. S. 116 zitiert nach: „Auf rot-weiß-roten Spuren in der Levante: Israel“, gesendet im ORF, am 18. Juli 1986: Interview mit Oberleutnant a.D. Rudolf Kohn. []
  7. S. 182 Anhang 4 Erinnerungen David Ignatz Neumanns an seine Soldatenzeit im Ersten Weltkrieg. []
  8. S. 96 f. []
  9. Ausstellung „Weltuntergang. Jüdisches Leben und Sterben im Ersten Weltkrieg“. Jüdisches Museum Wien, kuratiert von Marcus G. Patka. []
  10. S. 138. Diese These wird in gewisser Weise auch in der zurzeit im Jüdischen Museum Hohenems laufenden und sehr sehenswerten Ausstellung „Die ersten Europäer. Habsburger und andere Juden – eine Welt vor 1914“ (bis 5. Oktober 2014) diskutiert. Auch hier wird ausgehend von den Erfahrungen des 1. Weltkriegs postuliert, dass die ansonsten heterogene Gemeinschaft der Juden des Habsburgerreiches eigentlich durch ihren europäischen Horizont geeint war, und somit als die „ersten Europäer“ zu sehen sind, deren utopisches Potential auch heute noch Vorbildcharakter haben könnte. []

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