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Medien, Macht und Politik…

Zum neuen Jüdischen Echo 2013/14…

Von Ramona Ambs

„Gegen volksfremden Journalismus demokratisch-jüdischer Prägung, Gegen Frechheit und Anmaßung, für Achtung und Ehrfurcht vor dem unsterblichen deutschen Volksgeist“ wurde zu den Bücherverbrennungen im nationalsozialistischen Deutschland skandiert. Die Bücherverbrennung und Journalistenhatz der Nazis war ein historischer Tiefpunkt im Spannungsfeld Medien, Politik und Macht. Aber auch außerhalb dieses Ereignisses, im ganz normalen Alltag, zeigt sich oft die Anfälligkeit dieses ambivalenten Beziehungsgeflechts. Zahlreiche Abhängigkeiten, auch wirtschaftlicher Art, schränken die Medienfreiheit ein, kritische Berichte brauchen bisweilen lange, bis sie jemanden finden, der sie druckt; gleichzeitig sind Politiker in einer multimedialen Welt mehr und mehr auf für sie zuverlässig-positive Darstellung angewiesen und müssen folglich immer transparenter und präsenter sein, also dafür Sorge tragen, dass Journalisten ihnen wohlgesonnen sind.

Das Jüdisch Echo 2013/2014Diesem Spannungsfeld: „Medienmacht und Politik“ ist das neuste Jüdische Echo gewidmet. Zahlreiche Autoren aus Politik, Medien und Literatur liefern einen Beitrag zu einer interessanten Gesamtschau.

Auch mit historischen Rückblicken. So beschreibt beispielsweise Andreas Hutter, wie schon Karl Kraus und Ernst Spitz gegen den erpresserischen Journalismus ihrer Zunft kämpften. In ihrer kulturkritischen Zeitschrift „Die Fackel“ griffen sie immer wieder die Vorgehensweise ihrer Kollegen als Revolverjournalismus an.

Einen anderen Rückblick gibt Jonathan D. Sarna, der über die jüdische Presse in Amerika und ihre teils selbstauferlegten Beschränkungen in der Berichterstattung schreibt. Weniger selbstauferlegt, als von außen erzwungen sind die Beschränkungen der russischen oder ungarischen Presse derzeit. Markus Müller-Schinwald beschreibt, wie der Journalismus in Russland mittlerweile hauptsächlich der Propaganda Putins dient und unter welchem Druck die scheinbar verbliebenen Mitarbeiter, beispielsweise der Nowaja Gaseta (die Zeitung, für die auch die ermordete Anna Politkowskaja arbeitete) arbeiten müssen. Ernst Gelegs hingegen beleuchtet die Ausgrenzung kritischer Korrespondenten in Ungarn mithilfe von Orbans Mediengesetz. Desweiteren zeigt Ulrike Lunacek ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit dem Verfall publizistischer Ethik einerseits und der übermäßigen Einflußnahme durch Politik anhand der EU-Ungarndebatte anderseits auf.

Aber auch andere Ecken dieser Welt mit ihren presserechtlichen Spezialitäten finden Eingang ins Jüdische Echo. Ekrem Eddy Güzeldere beispielsweise berichtet über die Situation in der Türkei und deren Schwierigkeiten. Hannes Stein  beschreibt wie entspannt es sich als Jude in der amerikanischen Medienlandschaft lebt, während Miguel Szymanski sehr persönlich und humorvoll von seinen Erfahrungen als Journalist in Protugal erzählt, die ihn heute schließlich als Werbetexter in Deutschland arbeiten lassen.

Beim Blick auf das sehr spezielle Thema Israel und seine Darstellung in den Medien gibt das Echo die gesamte Bandbreite von Meinungen wieder, die es in diesem Bereich gibt. Währnd Michael Wolffsohn analysiert, warum „Israel und die Juden“ von „den Deutschen“ mehrheitlich durch eine ganz spezielle Brille gesehen werden, stellen Timo Stein und Oliver Jeges die sogenannte Israelkritik in ihren sehr unterschiedlichen Facetten vor. Besonders anschaulich führt Oliver Jeges anhand zahlreicher Beispiele aus deutschen Medien vor, wie leichtfüßig, naiv und galant-wohlmeinend der neue Antisemitismus daherkommt. Dabei analysiert er Bildunterschriften in diversen Tageszeitungen,  tagesschau-Meldungen aber auch Leserkommentare im Internet. Auch Maximilian Gottschlich stellt dar, wie die Medien zum wachsenden Antisemitismus beitragen. Und Michael Brenner erzählt, wie gerne die Medien Juden dafür benutzen, um Kritik an Juden oder Israel in einen vermeintlich koscheren Mantel hüllen zu können. Antony Lerman allerdings hält dagegen und versucht darzustellen, dass oft gerade jüdische Lobbyorganisationen selbst mt doppelten Standarts arbeiten. Auch Israel selbst und sein Umgang mit Medien ist Thema im Heft. Andrea Livnat schildert, wie Israel mit der globalen Delegitimierungskampagne umgehen sollte und die Martha S. Halpert beleuchtet den teils ruppigen, teils originellen Umgang israelischer Politiker mit der Presse.

Man könnte diese Beispiele weiter führen, denn das Echo versammelt- wie man es gewohnt ist- interessante Stimmen von klugen Köpfen aus aller Welt. Ich will hier jedoch nur noch kurz meinen Lieblingsbeitrag im aktuellen Heft eingehen. Er stammt vom Schriftsteller Vladimir Vertlib und zeigt das Problem von Literatur im  Spannungsbogen Medien und Politik. So beschreibt er unter anderem, wie sein Roman „Schimons Schweigen“ quasi zeitgleich mit dem Grass-Gedicht auf den Markt kam. Während ihm nun die einen voraussagten, das würde dem Verkauf des Buches gut tun und es würde sicherlich zusätzlich rezipiert werden, kam gleichzeitig eine Absage für eine Lesung rein: Die Leute hätten aufgrund der Debatte um das blödsinnige Grass-Gedicht das Israelthema satt und wollten nicht noch zusätzlich mit einem Roman damit konfrontiert werden… Diese kleine Anekdote zeigt meines Erachtens am deutlichsten, dass das Thema Medien, Macht und Politik sehr konkret auch außerhalb des eigentlichen Bereichs wirkt und dabei gleichermaßen unmittelbar wie unberechenbar ist.

Gerade deshab ist es aber gut, wenn eine Publikation wie das jüdische Echo sich solch komplexer Themen annimmt. Die vielfältigen und sehr unterschiedlichen Autoren sorgen dafür, dass die Themen  in ihrer großen Bandbreite abgebildet werden und dennoch oder sogar gerade durch die Vielstimmigkeit dem Leser das Nachdenken und Bewerten selbst überlassen bleib.

Jüdisches Echo 2012/2013, vol. 62, Medienmacht und Politik. Neuer Journalismus – alte Vorurteile, 152 S., Euro 14,50, Bestellen?

LESEPROBE: Das D-Wort in aller Munde. Wie Israel mit der globalen Delegitimierungskampagne umgehen sollte…

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