Zwischen dem Film und der Psychoanalyse gibt es eine große Gemeinsamkeit, die vor allem aus der Zeitgleichheit ihrer Anfänge Ende des 19. Jahrhunderts resultiert, auch wenn von Freud bekannt ist, dass er nicht gerne ins Kino ging. Film und Psychoanalyse entstammen wie uneheliche Geschwister einem gemeinsamen, historischen, sozialen und kulturellen Hintergrund…
Sabine Wollnik und Brigitte Ziob
Auf dem langen Weg des Kinos vom Jahrmarktvergnügen zum kulturellen Leitmedium und der Psychoanalyse von der belächelten Theorie eines kleinen Kreises zur weltweit anerkannten Behandlungsform gibt es immer wieder erstaunliche Berührungspunkte. Wenn es zum Beispiel um die Konstruktion eines Charakters ging, der, von der traditionell linearen Logik des klassischen Kinos geprägt, vor einer Aufgabe stand oder eine Entwicklung zu durchlaufen hatte, griffen Filmautoren gerne auf psychoanalytische Theorien zurück. Auch heute ist das in den modernen Inszenierungen, in denen oft zirkuläre Strukturen des Films tief in ein Thema hineinführen, nicht anders. Umgekehrt hat das Kino schon immer das Interesse von Psychoanalytikern, die Filme zu deuten, geweckt.
Gute Filme befassen sich, ob bewusst oder unbewusst, immer mit Themen, die einen genauen Blick auf Zeitströmungen, aktuelle Ängste, die Struktur von Beziehungen, Veränderungen der Lebensbedingungen und der damit verbundenen Lebensgewohnheiten ermöglichen. Dabei fällt auf, dass Filmemacher sich in den letzten Jahren immer häufiger in ihren Filmen mit Extremerfahrungen und immer wiederkehrenden seelischen Verletzungen auseinandersetzen, während sich die Psychoanalyse in einer Phase intensiver Erforschung psychischer Traumata befindet. Damit scheinen beide das Interesse des Kinopublikums zu treffen, das ebenfalls an der Meisterung von Extremerfahrungen interessiert ist. Denn wenn wir als Zuschauer im Kino gespannt die Reise des Helden verfolgen, dessen Leben durch ein Ereignis aus der Bahn geworfen wurde, können wir Rückschlüsse auf unser eigenes Leben ziehen.
Aber woher kommt aufseiten der Filmemacher das große Interesse, sich vor allem in den letzten Jahren in ihren Filmen mit traumatischen Erfahrungen auseinanderzusetzen?
Es mag eine ganze Reihe Faktoren dafür geben: die Unübersichtlichkeit und zunehmende Komplexität des Lebens durch den fortschreitenden Prozess der Globalisierung und der damit verbundenen Verunsicherung des Einzelnen; ebenso die Aufarbeitung von Extremtraumatisierungen aus Kriegserfahrungen, die Angst vor ökologischen und ökonomischen Katastrophen und die Herausforderung an den Einzelnen, extreme innere und äußere Konfliktsituationen in zunehmend individualisierten Gesellschaften zu meistern. Außerdem konfrontiert die moderne Medienwirklichkeit uns von allen Enden der Welt ständig mit Bildern, die traumatisieren und in uns weiterwirken, selbst wenn wir, wie an den Ereignissen des 11. Septembers, gar nicht unmittelbar beteiligt sind. Auf uns prasselt eine ständige Bilderflut von Kriegen und Naturkatastrophen nieder, ohne Verarbeitungsmöglichkeiten bereit zu stellen. Diese Bilder wirken als kulturelle und gesellschaftliche Einflüsse von außen auf den Einzelnen ein und fordern ihn, sie in seine innere Realität zu integrieren. Damit drängt traumatisierendes Geschehen in das Leben des Einzelnen, was verunsichernd und angsterzeugend wirkt, insbesondere, wenn an eigene unverarbeitete, teilweise unbewusste Erlebnisse angeknüpft wird. Und hier gibt der Film als ein gestaltetes kulturelles Produkt dem Einzelnen die Möglichkeit, etwas zu durchleben und damit seinen Handlungsspielraum zu erweitern.
Dies korrespondiert auf der gesellschaftlichen Ebene mit den Anforderungen, die an den modernen Menschen gestellt werden: Er muss sich die sich ständig verändernde Realität immer wieder aneignen, was eine hohe Integrationsleistung fordert. Dazu braucht er soziale Erfahrungen, wofür die moderne, komplexe und effektiv strukturierte Gesellschaft immer weniger Raum bietet.
Richard Sennett beschrieb dies in den 90er Jahren als »Verfall des öffentlichen Raumes«. Hier übernimmt der Film eine wichtige Aufgabe, indem er die Möglichkeit schafft, in fremdes Leben hineinzuschauen, oder wie Neal Gabler in seinem Buch Das Leben, ein Film schreibt: »Leute gucken anderen Leuten beim Leben zu.«
Im Film ist das »Leben der Anderen« gestaltet, ästhetisch aufbereitet, durch Verdichtung und Verschiebung bearbeitet, und gibt damit dem Zuschauer die Möglichkeit, eine Krise oder eine traumatische Erfahrung zu durchleben und zu einer Katharsis zu gelangen. Um zu verdeutlichen, was unter einem psychischen Trauma verstanden wird, werden wir im folgenden Kapitel die Geschichte des psychoanalytischen Traumabegriffs darstellen. Zunächst bezog sich der Begriff Trauma, der aus dem Griechischen stammt und übersetzt Verletzung bedeutet, nur auf den Körper.
Die Geschichte des Traumabegriffs in der Psychoanalyse und die heutige Definition
Sigmund Freud war der erste, der sich mit der Konzeption eines Traumabegriffs beschäftigte. In seiner Verführungstheorie ging er zunächst davon aus, dass sexuelle Traumatisierung während der Kindheit die Ursache der Hysterie sei. Diese theoretischen Vorstellungen entstanden aus Erfahrungen, die er an der Salpetriere in Paris bei dem Psychiater Charcot machte und aus der Erkenntnis, die er aus der Hypnose von Patienten zog. Er ging also schon früh von einem Traumamodell aus, das die Akzente auf die offensichtlichen Faktoren der Realität setzte. Im Jahr 1896 schrieb Freud unter dem Titel Zur Ätiologie der Hysterie:
»Ich stelle also die Behauptung auf, zugrunde jedes Falles von Hysterie befinden sich – durch die analytische Arbeit reproduzierbar, trotz des Dezennien umfassenden Zeitintervalles – ein oder mehrere Erlebnisse von vorzeitiger sexueller Erfahrung, die der frühesten Jugend angehören. Ich halte dies für eine wichtige Enthüllung, für die Auffindung eines caput Nili der Neuropathologie« (Freud 1896, S. 439).
Schon ein Jahr später distanzierte er sich aber von der Verführungstheorie. Die Schlussfolgerungen, die seine Überlegungen nahelegten, beunruhigten ihn zunehmend. Hysterie war zu dieser Zeit eine weit verbreitete Erkrankung. Sollten seine Behauptungen richtig sein, so fänden sexuelle Übergriffe auf Kinder nicht nur im französischen Proletariat statt, sondern in weiten Teilen der bürgerlichen Wiener Gesellschaft, aus der seine Patienten stammten. Das war für ihn zu dieser Zeit nicht denkbar.
Verunsichert war er auch dadurch, dass er keine sicheren Hinweise für den Realitätscharakter der Erzählungen seiner Patienten fand. Zudem erzielte er nicht die erwünschten therapeutischen Resultate mit seiner Methode der Aufdeckung.
Freud gab sein Traumamodell zugunsten eines Konfliktmodells auf: Nun stand der Ödipuskomplex im Zentrum des Interesses, und die Erzählungen der Hysterikerinnen wurden als Fantasien betrachtet.
Die Kriegsneurosen des Ersten Weltkrieges zwangen die Psychoanalytiker, den Traumabegriff neu zu überdenken. Freud hob darauf ab, dass im Trauma ein hilfloses Ich überflutet wird von einem Zuviel an Erregung, die seelisch nicht gebunden werden kann. In seiner neuen Definition verfolgte er eine psycho-ökonomische Sichtweise, die das Seelische als ein Energiesystem auffasste. In seinen Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse schrieb er (1915-1918): »Wir nennen so [traumatisch] ein Erlebnis, welches dem Seelenleben innerhalb kurzer Zeit einen so starken Reizzuwachs bringt, dass die Erledigung oder Aufarbeitung desselben in normal-gewohnter Weise missglückt, woraus dauernde Störungen im Energiebetrieb resultieren müssen« (Freud 1916-17a, S. 284). Ein weiterer wichtiger Begriff ist die Nachträglichkeit. Freud ging von einem zweizeitigen Traumabegriff aus. Dieser besagt, dass dem traumatisierenden Ereignis ein früheres vorausgegangen ist, das dann nachträglich mit dem aktuellen Ereignis in einen Zusammenhang gebracht wird. So bekommen sexuelle Übergriffe in der Kindheit erst durch die erwachende Sexualität in der Pubertät eine neue Bedeutung.
Der zweizeitige Traumabegriff erwies sich aber als schwierig bei der Behandlung von Holocaust-Überlebenden. Die Therapeuten versuchten hinter das Trauma zurückzugehen, um mit der prätraumatischen Persönlichkeit in Kontakt zu kommen, in der Hoffnung, dass sich das Ausmaß der Traumatisierung dann verringern würde. Die Überlebenden, deren innerer Motor es war, Zeitzeuge zu sein, wollten ihre Erlebnisse in ein Narrativ überführen, für das die auf Deutung zielenden Analytiker zunächst kein Verständnis hatten, was oft zu Therapieabbrüchen führte (vgl. Bergmann 1998, S. 117). Dennoch gab es von psychoanalytischer Seite weiterhin eine intensive Beschäftigung mit Holocaust-Überlebenden und den Auswirkungen von Extremtraumatisierungen auf deren seelische Struktur und die ihrer Kinder und Kindeskinder. So entwickelten sich Vorstellungen vom Traumageschehen aus Untersuchungen von Holocaust-Überlebenden, also Extremtraumatisierten. Wichtige Erkenntnisse ergaben sich aus dem objektbeziehungstheoretischen Ansatz: Im Trauma werde das gute innere Objekt zerstört, der empathische innere Andere, weshalb das Trauma nicht mehr kommuniziert werden könne (vgl. Laub/Auerhahn 1993, S. 287).
In den USA formierten sich die Vietnam-Veteranen und forderten eine systematische psychiatrische Forschung zu den Kriegsfolgestörungen ein. »Eine fünfbändige Studie zu den Folgen des Vietnamkriegs beschrieb das posttraumatische Syndrom und bewies schlüssig den direkten Zusammenhang zu Kampferlebnissen« (Herman 2003, S. 44).
Die Frauenbewegung in den USA trieb die Forschung zu sexuellen Missbrauchserfahrungen in Kindheit und Erwachsenenalter und deren Folgen weiter voran.
Aus diesen vielfältigen Erkenntnissen entstanden die modernen Konzepte zu Traumatisierungen.
»Das Trauma bezeichnet in der Psychoanalyse ein Erlebnis, das von solcher Intensität ist, daß es die psychischen Verarbeitungsmöglichkeiten des Betreffenden überschreitet« (Ehlert-Balzer 2002, S. 727).
Diese Definition ermöglicht es, den Traumabegriff zugleich von der äußeren Seite des objektiven Ereignisses als auch von den inneren, subjektiven Verarbeitungskapazitäten zu verstehen. Einige Autoren verwenden den Begriff Trauma nur im Fall von Extremtraumatisierung verbunden mit Erlebnissen intensiver Angst, häufig Todesangst, sowie mit Gefühlen extremer Hilf- und Hoffnungslosigkeit, die zum Zusammenbruch der zentralen Ich-Funktionen führen. In einem Versuch, das traumatische Ereignis nachträglich zu bewältigen, kommt es zu verschiedenen Restitutionsversuchen des seelischen Apparates. Diese zeigen sich in Symptomen der Posttraumatischen Belastungsstörung, wie in wiederkehrenden Flashbacks und Wiederholungszwängen als Tendenz, traumatische Situationen immer wieder aufsuchen zu müssen. Mit der Betonung der Intensität werden allerdings die kumulativen Traumatisierungen nicht berücksichtigt. Darunter versteht man die lang andauernden chronischen Traumatisierungen, die in Beziehungen entstehen, wobei ein Einzelereignis noch keine Folgen zeitigt, wohl aber eine Fülle von Erlebnissen zu seelischen Folgestörungen führt. Heute weiß man, welche Folgen für die seelische Gesundheit chronisches, grob un-empathisches Verhalten der wichtigsten Beziehungspersonen, Objektverluste, chronischer seelischer und körperlicher Missbrauch oder Misshandlungen für die Betroffenen nach sich ziehen. Dabei sind die Auswirkungen auf den Einzelnen von dessen subjektiven Bewältigungsmöglichkeiten, heute unter dem Begriff Resilienz gefasst, abhängig.In diesen Definitionen wird deutlich, dass der Begriff des Traumas immer subjektiv zu fassen ist. Trauma bezieht sich auf das Individuum und dessen Verarbeitungsmöglichkeiten, die zusätzlich noch kulturell bestimmt sind.
Trauma und Film
Der Film gibt dem Zuschauer die Möglichkeit, traumatisierendes Geschehen zu verarbeiten oder daraus zu lernen. Im Kino können wir die Kontrolle des Bewusstseins aufgeben, uns unseren Emotionen, die durch die Inszenierung ausgelöst werden, überlassen und in einen kreativen Austausch mit der Erzählung des Films eintauchen. Dies knüpft an eine Beobachtung aus unserer klinischen Erfahrung an, dass traumatisierte Patienten sich oft mit Filmen bes chäftigen, die traumatische Ereignisse darstellen. Nach einem akuten Trauma steht oft in lange währenden Verläufen die Bewältigung des Geschehenen an. Filme können bei der Integration eines Traumas in die seelische Struktur des Einzelnen wie auch in die Matrix der Gesellschaft hilfreich sein.
Während die traumatische Situation durch Bedrohung und Unsicherheit gekennzeichnet ist, sitzen wir im Kinosessel in Sicherheit und Geborgenheit. Zun Trauma gehört das Gefühl, allein gelassen zu werden, im Kino sind wir nicht allein, zwar unter Umständen anonym, aber emotional verbunden mit den Mitschauern. Ein wesentliches Kriterium für ein erlittenes Trauma ist das Gefühl von Kontrollverlust. Die Kontrolle haben wir als Zuschauer aber in eigener Hand, wir können jederzeit das Kino verlassen. Gelungene Filme schaffen Verwirrung und Intransparenz in ihrer Struktur, zumindest am Ende Aufklärung und Transparenz.
Aber es kann auch anders gehen: Filme könnenden Betrachter traumatisieren und akute, überwältigende Überflutungen durch Emotionen bis hin zur Panik und körperlichen Reaktionen auslösen. Bei manchem Betrachter lösen Filme Flashbacks über Tage aus, wenn das traumatische Material unverarbeitet auf ihn einwirkt. Solche Filme haben wir nicht ausgewählt, bzw. waren wir bemüht, solche Filme nicht auszuwählen, denn das Trauma ist, wie oben beschrieben, ein subjektiver Begriff.
Die in diesem Buch kommentierten Filme haben alle etwas gemeinsam: Sie gehen von einem Ereignis aus, welches das Leben der Protagonisten plötzlich und unvorhergesehen aus der Bahn geraten lässt, damit stehen sie in Bezug zum psychischen Traumabegriff. Die Auslöser für psychische Traumata ähneln den Plots der Filme, die als einschneidendes Ereignis den Protagonisten auf eine Reise schicken, das Leben, das aus der Bahn geraten ist, neu zu ordnen. Wenn die Helden des Films mit solchen Extremsituationen konfrontiert werden, geht es um existenzielle Themen. Stellvertretend für den Zuschauer erfährt der Protagonist eine Traumatisierung. Der Zuschauer kann sich nun mit dem Protagonisten identifizieren und das Trauma mit durchschreiten, das an seine eigene seelische Struktur gekoppelt ist.
Die Reise des Helden und die Behandlungstechnik – zwei unvereinbare Gegensätze?
Die im Film dargestellten Inszenierungen schaffen eine Narration, die es ermöglicht, die eigenen Traumatisierungen zu organisieren. Traumatischen Erfahrungen sind Transformationen versperrt, sie existieren eingekapselt und undurchlässig in unserer psychischen Struktur. Dennoch drängen sie zur Inszenierung, und hier liegt dann die Möglichkeit zur Veränderung. Filme können therapeutische Wirkungen haben, insofern das traumatisierte Individuum an den Inszenierungen des Films, die einer Lösung zugeführt werden, teilhat. Es kann wieder ein spielerischer Modus entstehen, Veränderungen können möglich werden.
Für die Bewältigung des Traumas ist es wichtig, in Gegenwart empathischer Zeugen zu einem Narrativ zu finden, das bezeugt werden kann. Denn traumatische Erfahrungen wirken als Fremdkörper im Inneren der Betroffenen. Filme können die Funktion erfüllen, ein Narrativ zur Verfügung zu stellen; wir Zuschauer sind Zeugen desselben. Da die meisten Filme Entwicklungsfilme sind, geht es um die Überwindung der zum Stillstand gekommenen seelischen Entwicklung auf dem Hintergrund der Reise des Helden.
Das könnte folgendermaßen aussehen:
Im Film durchlebt der Protagonist eine Entwicklung, die etwas, was aus der Bahn geraten ist, wieder zusammensetzt. Die Ordnung wird wieder hergestellt. Vergleichbar ist dies mit der Traumatherapie, die versucht, innere Verbindungen wieder herzustellen, um die innere Entfremdung aufzuheben. Traumatherapeuten beachten in letzter Zeit zunehmend die Bedeutung der Ressourcen und arbeiten lösungsorientiert. Wir meinen, dass Filme Teil eines ressourcen- und lösungsorientierten Zugangs sein können. In Filmen werden Entwicklungen aufgezeigt, in denen die Protagonisten lernen, mit den Traumatisierungen umzugehen. Wir können, uns identifizierend, an diesen Lösungen teilhaben. Filme bieten einen symbolischen Raum an, einen Ubergangs- und Spielraum, in dem das zum Trauma führende Ereignis neu verhandelt werden kann. Das Trauma als schwarzes Loch infolge fehlender Symbolisierung in der seelischen Struktur wird bearbeitbar und in die seelische Struktur integrierbar, wenn es symbolisiert, also in Sprache übersetzt werden kann. So kann die Zerstörung der seelischen Struktur eine Reparation erfahren.
Eine wichtige Funktion übernehmen Filme, die Extremtraumatisierung durch Krieg und politische Gewalt zum Thema machen. Hier übernehmen die Zuschauer die Funktion von Zeugen des traumatischen Geschehens und damit eine soziale Funktion, die durchaus politische Wirkung haben kann.
Die Autoren
Wir, eine Gruppe von Psychoanalytikern, Ärzten und Psychologen, die alle selbstständig klinisch mit Patienten arbeiten, haben uns zusammengeschlossen, um Filme miteinander zu betrachten und unter psychoanalytischen Gesichtspunkten zu verstehen. Unser Anliegen besteht nicht nur darin, psychoanalytisches Wissen auf Filme anzuwenden und darüber einen erweiterten Zugang zu den entsprechenden Filmen zu erreichen, sondern auch etwas über die gesellschaftliche Philosophie zu erfahren, die über Filme vermittelt wird, was wiederum Rückwirkungen auf unsere Arbeit hat. Entsprechend unserem psychoanalytischen Handwerkszeug versuchen wir dann, das Wahrgenommene zu transportieren.
Die Filme geben uns Psychoanalytikern die Möglichkeit, uns mit verschiedenen Erfahrungsaspekten zu beschäftigen, indem wir tief in die Handlung und den emotionalen Gehalt der Filme einsteigen und darüber andere Wirklichkeiten erleben, was fruchtbar in unsere Arbeit einfließt.
Die Filme
Die ausgewählten Filme haben alle gemeinsam, dass die Protagonisten eine traumatische Erfahrung machen. Diese ganz unterschiedlichen traumatischen Erfahrungen lassen sich unterteilen in Beziehungstraumata, Extremtraumatisierungen und Traumata, die die körperliche Integrität angreifen.
Dennoch unterscheiden sich die Filme, die wir hier unter dem Oberbegriff des Traumas gesammelt haben, wesentlich in ihrer Struktur und rufen unterschiedliche Reaktionen bei den Zuschauern hervor. Dies knüpft an die psychoanalytische Vorstellung von dem Begriff des Traumas an, die davon ausgeht, dass das Trauma nicht absolut gedacht werden kann, sondern immer in einem Sinnzusammenhang zu der inneren Realität des Einzelnen steht. In diesem Zusammenhang ist das Trauma nur als Zusammenspiel von »Innen« und »Außen« zu denken. Hier findet sich ein Bezug zum Film: Das »Äußere« des Films vergegenwärtigt sich im Inneren des Zuschauers und umgekehrt (vgl. Elsaesser/Hagener 2007, S. 192).
I.1 Beziehungstraumata: Verlust
Um einen frühen Verlust geht es in The Science of Sleep, in dem die Trennung der Eltern für den Protagonisten den Verlust eines elterlichen Liebesobjekts nach sich zieht.
Auch in Wie im Himmel ist der zentrale traumatische Punkt ein Verlust, nämlich der frühe Tod der Mutter des Protagonisten und dessen einsame Entwicklung zu einem anerkannten Künstler. Unter dieser leidet allerdings die Entwicklung von nahen Liebesbeziehungen. Denn der Held versucht, einer Wiederholung von Verlusterfahrungen vorzubeugen, indem er keine Bindung mehr eingeht.
Den Verlust kultureller Identität thematisiert der Film Auf der anderen Seite. Die Zerrissenheit und Entwurzelung der Protagonisten findet ihren Ausdruck in einem Bild, auf dem die Särge von einem Land ins andere transportiert werden.
Auch in den drei weiteren Filmen Catch me if you can, Das Mädchen, das die Seiten umblättert und Wolke 9 geht es um Verluste, die unterschiedlich verarbeitet werden.
I.2 Beziehungstraumata: sexuelle und aggressive Übergriffe
Wir haben auch Filme ausgewählt, die traumatische Erfahrungen mit den frühen Bezugspersonen thematisieren, die das Selbst in seiner Entwicklung nachhaltig schädigen. Beispielhaft sind sexuelle Übergriffe in Adams Apfel oder der Film Brokeback Mountain, in dem es um die Konfrontation mit der Leiche eines durch den Vater gelynchten Homosexuellen geht, die das noch unreife Ich des Jungen überwältigt.
In Lemming geht es um die sexuelle Versuchung, in die der junge Ehemann schlittert und die ihn in einen passageren psychotischen Zustand stürzt.
II Angriff auf die körperliche Integrität
Weitere Filme beschreiben den schnellen, gesellschaftlichen Wandel und die zunehmende Unüberschaubarkeit des modernen Lebens wie in 21 Gramm und Amores Perros, die davon handeln, wie der Einzelne durch einen plötzlichen Unfall aus der Bahn geworfen wird. Auch in dem Film Schmetterling und Taucherglocke geht es um den Verlust von körperlicher Intaktheit durch eine plötzliche Krankheit und um das Erleben von absoluter Hilflosigkeit und Ohnmacht gegenüber der neuen Situation.
III Traumatisierung durch politische/kriegerische Gewalt
Die einschneidenden Folgen von extremer Gewalt wie Mord und Vergewaltigung im Krieg werden in Lost Children, Esmas Geheimnis, Das Leben ist schön und Paradise Now dargestellt und zeigen, wie schwer es ist, nach Erfahrungen von Dehumanisierung und Ohnmacht aus dem Zustand von innerer Zerstörung wieder zu einem eigenen Leben zu finden.
In Hiroshima mon Amour geht es um das Durchleben einer Kriegserfahrung auf dem Hintergrund einer Liebesbeziehung.
Der Film Geheime Staatsaffären zeigt auf, welche Abwehrbewegungen entstehen, wenn politische Gewaltstrukturen aufgedeckt werden.
IV Kumulative Traumatisierung
Im Film Nichts als Gespenster geht es um die Anhäufung kleiner, wiederkehrender Traumata durch mehrmals erlebten Abbruch und Scheitern von Liebesbeziehungen, was bei den Protagonisten zu immer neuen Enttäuschungen führt. Die vielen Lebensenttäuschungen und deren Folgen für die Seele zeigt auch der Film Man muss mich nicht lieben auf.
Literatur
- Bergmann, Martin (1998): Die Interaktion zwischen Trauma und intrapsychischem Konflikt in der Gegenwart der Psychoanalyse. In: Schlösser, Anne-Marie & Höhfeld, Kurt (Hg.): Trauma und Konflikt. Gießen (Psychosozial-Verlag).
- Ehlert-Balzer, Martin (2002): Trauma. In: Mertens, Wolfgang & Waldvogel, Bruno: Handbuch psychoanalytischer Grundbegriffe. Stuttgart, Berlin, Köln (Kohlhammer).
- Elsaesser, Thomas & Hagener, Malte (2007): Filmtheorie – zur Einführung. Hamburg (Junius Verlag).
- Freud, Sigmund (1896): Zur Ätiologie der Hysterie. In: GW I, S. 423-459.
- Freud, Sigmund (1916/1917a): Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. In: GW XI.
- Gabler, Neal (1999): Das Leben, ein Film. Berlin (Berlin Verlag).
- Herman, Judith (2003): Die Narben der Gewalt. Paderborn (Junfermann).
- Laub, D. & Auerhahn, N. (1993): Knowing and not knowing massive psychic trauma: forms of traumatic memory. I.J. Psycho-Anal. 74, 287-302.
[…] Erkundungen: Trauma im Film Zwischen dem Film und der Psychoanalyse gibt es eine große Gemeinsamkeit, die vor allem aus der […]
Da hat zwar jemand kein Problem mit einer Realitätsprüfung, aber dafür um so mehr substanzielle Unterschiede zu bemerken. Film ist Technik und Psychoanalyse Theorie: den Vergleich zu setzen ist so wie zu sagen, dass eine bestimmte Mutation, die bei Borkenkäfern in der selben Zeit wie die Psychoanalyse auftrat, eine unheimliche Gemeinsamkeit dieser beiden Sachverhalte offenbart. Einleitungen schreiben fällt manches mal schwer, aber legitimiert noh lange nicht so einen Schwachsinn. Fragt sich wo dabei die Wunscherfüllung liegt… jedenfalls liegt die Gefahr nahe zu sehen, was man zu sehen benötigt, um seine Fixierung aufrecht zu erhalten.
Trauma ist wohl unter Akademiks der Klassiker der „Jetztzeit“….