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Anleitung zum subversiven Denken

In seinem Buch  geht Hubert Schleichert  der Frage nach, wie man ein dogmatisches System attackieren kann, ohne logische Fehler zu machen und ohne sich mit der bloßen Negation der Prinzipien des Systems zufriedenzugeben? Liegt es doch im Wesen des Glaubens, dass er nicht auf Argumenten beruht; und was ohne Argumente geglaubt wird, kann auch nicht argumentativ widerlegt werden. Man kann es aber erschüttern, unterminieren, untergraben. Das ist der subversive Gebrauch der Vernunft, von dem im folgenden die Rede ist…

… „Der Atheist wirkt in der Kontroverse ähnlich hilflos wie der Theist
– eine Feststellung, die man allerdings auch umkehren darf.“…

Wenn zwischen dem Gläubigen und seinem Kritiker, logisch betrachtet, Waffengleichheit besteht,  ist auch der Aufklärer keineswegs hilfloser als sein Gegner. Dabei kann der Aufklärer nur informieren und andere Denkmöglichkeiten vorführen. Er kann zeigen, was die betreffende Ideologie alles beinhaltet.

Darin liegt, so Schleichert, ein erheblicher Vorteil:

Hubert Schleichert in Wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren
p. 115ff Kap.: Das subversive Denken

Bei der internen Kritik muß die zur Kritik stehende Ideologie zunächst lauthals akzeptiert werden; bei externer Kritik wird die gegnerische Ideologie von vorneherein negiert; während für das subversive Vorgehen kein vorangehendes Glaubens- oder Unglaubensbekenntnis notwendig ist.

Beim subversiven Argumentieren gegen ein Gedankensystem werden Argumente vorgetragen, die für die individuelle Hinwendung oder Abwendung zu bzw. von diesem System wirksam sein können, die aber im Sinne der Logik nicht konklusiv, logisch zwingend sind. Konklusive Argumente gibt es an dieser Stelle nicht. Es wird vom subversiven Kritiker nie behauptet, daß er das gegnerische Gedankengebäude widerlegt hat oder widerlegen kann.

Das subversive Vorgehen lockert psychische Verspannungen und Fixierungen. Es legt nahe, daß die Dinge vielleicht auch anders sein oder anders gesehen werden können, es hebt die Verengung des Blickes auf. Es schärft den Blick für die Folgen einer Ideologie, es lehrt, Ideologien von außen zu betrachten, es zeigt, wie man oft einfache Erklärungen an die Stelle von Wundern und Mythen setzen kann, und vor allem, es nennt Unmenschlichkeiten beim Namen, statt sie mit einem religiösen oder ideologischen Schleier zu überdecken. Aber es erhebt nicht den Anspruch, eine Ideologie oder Religion zu widerlegen. Die subversive Argumentation hat nicht die Form einer externen Kritik der Art ‚Was du glaubst, ist falsch‘; sie lautet: ‚Ich zeige dir, an was du eigentlich glaubst.‘

Mit der subversiven Argumentation trifft man scheinbar den „Kern der Sache“ gar nicht, sondern demonstriert Dinge, die der Gläubige und vor allem der Fanatiker zugeben, aber für nicht entscheidend halten. Und damit haben sie logisch meist auch Recht. Man demonstriert dem Gläubigen etwa, wieviel Schwindel, Lüge und unkritische Gutgläubigkeit bei Wunderberichten im Spiel sind. Dies läßt sich zeigen, und der Gläubige wird nur matt widersprechen. Aber zugleich wird das nichts an seiner Grundposition ändern, daß Wunder jederzeit möglich und oft genug auch wirklich vorgekommen sind. Trotzdem ist der Hinweis auf die vielen Betrügereien, mit denen man es hier zu tun hat, auf längere Sicht nicht wirkungslos. Es ist kein konklusives, aber ein subversives Argument, der Wunderglauben wird dadurch zwar nicht widerlegt, aber eines Tages obsolet.

Das subversive Verfahren hat seine Grenzen an der Festigkeit der gegnerischen Überzeugung. Wenn wir zeigen können, daß eine bestimmte Maßnahme zum Untergang der Menschheit führen kann, so wird irgend jemand vielleicht sagen: Das macht nichts, umso besser; oder: Das muß man eben riskieren. Dagegen läßt sich nichts mehr sinnvoll entgegnen. Aber für gewöhnlich ist die Einsicht, daß eine Maßnahme den Untergang der Menschheit nach sich ziehen kann, ein Faktor, der die Entscheidungen der Leute beeinflußt. Deshalb hat es Sinn, in der Diskussion auf ihn hinzuweisen.

Daß freilich der echte Fanatiker durch Argumente welcher Art auch immer nicht zu beeindrucken ist, gehört zu seinen Wesensmerkmalen. Den Fanatiker muß man eigentlich sich selbst überlassen, aber man wird versuchen, die Gefahr, die von ihm ausgeht, zu verringern. Wer gegen einen Fanatismus argumentiert, scheint sich zwar an die Fanatiker zu wenden, um sie von den Vorzügen der besseren, menschlicheren Sache zu überzeugen. In Wirklichkeit richtet er sich aber an die noch nicht oder nicht stark vom Fanatismus Befallenen. Das Ziel des Aufklärers sollte nicht eine „Widerlegung“ des Fanatikers sein, sondern, daß die glühenden Ergüsse des Fanatikers nicht mehr auf Interesse stoßen, weil das Publikum dagegen immun geworden ist. Der Weg dahin ist leider lang.

Ein leicht verständlicher Grundkurs in Logik und Argumentation

Geistvoll und bissig entlarvt der Philosoph Hubert Schleichert – wienerisch charmant, witzig und bissig – anhand zahlreicher Beispiele die rhetorischen Tricks von Politikern, Dogmatikern und Fundamentalisten jeder Couleur. Er zeigt, wie man die Schwachstellen ihrer Diskussionsweisen und Weltanschauungen nutzt, um in Streitgesprächen besser zu bestehen. Den Leser erwartet ein im besten Sinne aufklärerisches Buch, ein Lesevergnügen in Logik und Argumentationskunst. Hubert Schleichert, geb. 1935, ist Philosophieprofessor an der Universität Konstanz; seine Hauptarbeitsfelder sind Logik, chinesische Philosophie und politische Philosophie. Die erste Auflage dieses Buches erschien schon 1997 bei C.H.Beck. Die 4. Auflage kam 2004 heraus.

Kundenrezension amazon.de:

Die Beispieltexte sind stets treffend gewählt und stammen überwiegend aus der abendländischen christlichen Kultur. Schleichert nimmt die Texte auseinander, analysiert gründlich und legt dabei den fanatisierenden Sprengstoff frei, der immer noch darin schlummert. Vor Fundamentalisten, die sich im Alleinbesitz der ideologischen oder religiösen Wahrheit dünken, müssen wir auch heute stets auf der Hut sein, da die Errungenschaften der Aufklärung immer wieder gefährdet sind.

Das Buch ist ein Lob der Vernunft, der Aufklärung und die Anleitung zum subversiven Denken wird anhand schöner Beispiele von Voltaire gezeigt. Es wird zwar erklärt, wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren, es wird aber auch dargestellt, daß es einen trotz aller Vorsicht das Leben kosten kann.

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