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Georg Kreislers "Unbeabsichtigte Gedichte"

„Zufällig in San Francisco“ heißt ein neuer Band mit Gedichten von Georg Kreisler, der im März diesen Jahres im Verbrecher Verlag erschienen ist. Kreisler als Poet ist noch immer weniger bekannt, denn zu sehr sitzt der Schriftsteller, der im Exil zum Kabarettisten wurde, zwischen den Stühlen der einzelnen Genre. Leicht und beschwingt kommen Kreislers Gedichte daher, lesen sich wie ein Lied, graben sich ein wie ein Chanson und sind dennoch große Poesie…

Von Andrea Livnat

Georg Kreisler wurde am 18. Juli 1922 in Wien geboren. 1938 emigrierte mit den Eltern nach Amerika und lebte zunächst in Los Angeles, wo er eine Zeit im Filmgeschäft arbeitete. Seit 1943 besitzt er die amerikanische Staatsangehörigkeit. 1945 kam er als US Soldat nach Deutschland und war unter anderem als Dolmetscher bei Verhören von Nazis tätig. Er lebte in New York, in Wien, Basel und Berlin. 1972 überlegte er, nach Israel einzuwandern, doch die Israelis seien ihm nicht unbedingt sympathisch, so Kreisler in einem Interview, die Ellebogenmentalität im Lande sei nichts für ihn gewesen. Heute lebt er in Salzburg. Nach eigener Aussage empfindet er kein Land als Heimat.

„Hüte Dich vor Kompromissen“ legt uns Kreisler in seinen „unbeabsichtigten Gedichten“ ans Herz. Kreisler ist durch seine provokanten Lieder bekannt geworden, obwohl er, wie er selbst beteuert, niemals provozieren wollte, sondern nur geschrieben habe, was ihm einfiel. Nach der Flucht aus Österreich kam er mehr aus Not zum Kabarett, um Geld zu verdienen, das Theater wäre der eigentliche Wunsch gewesen. Auf die Frage, ob er etwas im Leben bereue, antwortete er kürzlich, das Lied „Gehn wir Tauben vergiften im Park“, auch wenn er sich dazu bekenne. Jedoch wird er noch immer von vielen auf jene kabarettistische Arbeit reduziert.

Den speziellen Humor jener Lieder findet man auch in Kreislers Gedichten. Kreisler wuchs in einer nicht-religiösen Familie auf. Er habe sich jedoch aus einer Art Trotz zum Judentum bekannt. Nicht nur Verfolgung und Ausgeschlossensein seien dabei präegnd gewesen, so Kreisler. Man sei als Jude für eine bestimmte Art Witz empfänglich. Diesen Witz kann man aus jeder Zeile seiner Gedichte lesen, auch wenn sie durchaus nicht lustig sind.

Der Band enthält außerdem ein ausführliches Vor-, Zwischen- und Nachwort, die Kreislers Überlegungen zu Dichtung, aber auch zum Thema Judentum und jüdischem Leben in Europa enthalten.

Am 6. Juni wird Georg Kreisler für sein Lebenswerk der mit 20.000 Euro dotierte Friedrich Hölderlin-Preis 2010 der Stadt Bad Homburg verliehen. In der Begründung der Jury heißt es: „Mit Liedern, Gedichten und Stücken, erzählenden und autobiographischen Schriften hat er, der ein Vertriebener war und sich selbst einen Heimatlosen nennt, im freundlichen Asyl der Künste Refugien gesucht und gefunden. Seit Jahrzehnten bestechen sein wissender Spott, sein scharfer Blick auf die Zeit, sein satirisches Vermögen, sein melancholischer Esprit. Ihn im Namen Hölderlins auszuzeichnen, heißt, mit dem Wechsel der Töne auch dem dauerhaft poetischen Rang seines Œuvres Reverenz zu erweisen.“

„Zufällig in San Francisco“ sei jedem ans Herz gelegt, der sich diesem Œuvre annähern möchte.

Georg Kreisler: Zufällig in San Francisco. Unbeabsichtigte Gedichte, Verbrecher Verlag 2010, Euro 19,00, Bestellen?

http://www.youtube.com/watch?v=aT928WUh5QU

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