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Mit der Kraft des Lebenswillens - Paul Jakov Hronec

Paul Jakov Hronec wird 1927 in der slowakischen Kleinstadt Hlohovec als zweiter Sohn einer frommen, durchaus wohlhabenden jüdischen Familie geboren und gerät mit 12 Jahren in die Mühle der schrecklichen politischen Ereignisse. Der Junge muss mehrfach die Schule wechseln, der Vater stirbt an den Folgen des massiven psychischen und psychischen faschistischen Terrors. Der verehrte ältere Bruder meldet sich zum Transport und kehrt nie wieder zurück. Paul wird schliesslich in vermeintliche Sicherheit nach Ungarn gebracht, lebt dort ein Jahr in verschiedenen Lagern, ist mehrfach vom Tode bedroht, kehrt schliesslich zur Mutter in die Slowakei zurück und wird dort von der Roten Armee befreit, die er allerdings nur bedingt als Befreier erleben kann…

„Kann eine Qual, ein Schmerz durch das Bewusstsein gelindert werden, dass es noch viel grössere Leiden gibt?“ Oft plagt ihn schrecklicher Hunger, er befindet sich mehrfach in äusserster Lebensgefahr, vor allem aber hat er im Frühjahr 1944 über die Zustände in den Konzentrationslagern nicht den geringsten Zweifel. Und wie immer sein „Glaube an den Allmächtigen erschüttert“ ist, bleibt ihm „doch ein kleiner Schimmer Hoffnung, dass eine höhere Macht über unser Schicksal entscheidet.“ Und unbedingter Lebenswille! Inzwischen ist die frühere Wohnung der Familie anderweitig bewohnt, den Schlüssel zum Geschäft erhält die Mutter zwar zurück, es war jedoch leergeräumt, Entschädigung gibt es nicht. Auch das wertvolle Briefmarkenalbum des ermordeten Bruder wird widerwillig zurückgegeben, jedoch geplündert und fast völlig leer. Trotz allem findet die Mutter: Allen, die uns vernichten wollten zum Trotz: wir „haben beide um unser Leben gekämpft"¦, haben überlebt" Nie haben wir unser Selbstbewusstsein und den Glauben verloren, dass uns in der Not treue Freunde zur Seite stehen, und nie haben wir dabei die bewährte Hoffnung aufgegeben, dass es auch viele gute Menschen gibt, die uns helfen. Wir müssen es auch künftig, mit Hilfe G’ttes, schaffen, die Kraft aufzubringen, ein würdiges Leben zu führen!“

Paul holte seine versäumte Schulbildung nach, schafft sich eine berufliche Existenz in der Slowakei, heiratet dort 1955 und verlässt nach dem Einmarsch der Armeen des Warschauer Paktes 1968 die Slowakei, um — mit öfteren Aufenthalten in Israel – bis heute in Deutschland zu leben. „Ich denke, dass wir es geschafft haben – jedoch ohne jemals das in der Schoah Erlebte vergessen zu können.“ Denn nicht zuletzt: Was aufgeschrieben, veröffentlich und in einigen Bibliotheken der Welt aufgehoben ist, wird hoffentlich nicht so schnell vergessen.

(Aus dem Vorwort von Erhard Roy Wiehn)

hronecPaul Jakov Hronec: Der Flüchtling. Nach schöner Kindheit in der Slowakei Jahre dortiger Verfolgung, Überleben in Ungarn und Befreiung in der Slowakei
Jüdische Schicksale 1927-1945, Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn
Hartung-Gorre Verlag 2009, 1. Aufl. 2009, 142 Seiten. EUR 14,80, Bestellen?

30. Juli 2009 — Tischa be’Av 5769
Aus dem Vorwort Paul Jakov Hronec: Um unser Leben gekämpft:

Die Ereignisse vor mehr als 60 Jahren schildere ich so, wie ich mich jetzt an sie erinnere. Es ist wahrscheinlich, dass andere sich an dieselben Ereignisse anders erinnern, weil die Betrachtung eines jeden aus seiner eigenen Sicht, aus seinem eigenen Empfinden der Tatsachen resultiert. Um so mehr ist jedes traumatische Erlebnis subjektiv. Ich halte es für unmöglich, eine allgemeingültige Abstufung und Grenze zu
definieren, welche körperlichen und seelischen Qualen ein Mensch aushalten kann — und wie.

Darüber hinaus bin ich mir bewusst, dass meine Schoah-Erlebnisse nicht mit denen der Überlebenden der Konzentrations- und Vernichtungslager zu vergleichen sind und aus der Sicht dieser Überlebenden wahrscheinlich sogar unbedeutend erscheinen. Doch blieben mir diese Geschehnisse nicht nur unvergesslich, sondern sie prägten in hohem Masse mein späteres Denken und mein Ich. Selbstverständlich beeinflussten sie auch die Erziehung meiner Kinder. In meinen Aufzeichnungen bemühe ich mich, meiner damaligen Sicht und den Reaktionen eines Jungen im Alter zwischen 11 und 17 Jahren
gerecht zu werden.

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