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Leihst du mir deinen Blick?

Wie erklärt man Jugendlichen den Nahost-Konflikt? Wie kann man den Schrecken im Alltag vermitteln? Wie lassen sich die Standpunkte der beiden Konfliktparteien ebenbürtig darstellen? Die französische Autorin Valerie Zenatti hat diese Fragen in einem sehr empfehlenswerten Jugendbuch, das in deutscher Übersetzung bei Dtv erschienen ist, wunderbar gelöst…

Rezension von Andrea Livnat

„Leihst du mir deinen Blick?“ erzählt die Geschichte einer Freundschaft zwischen Jerusalem und Gaza. „Wir leben in Zeiten der Finsternis, der Trauer und des Schreckens. Die Angst ist wieder da.“ So beginnt das Buch aus der Sicht der 17-jährigen Tal, die in Jerusalem lebt. An die Selbstmordattentate in ihrer Stadt hat sie sich bereits gewöhnt, als jedoch ein Anschlag in einem Cafe in ihrem Viertel sechs Tote fordert und damit die Katastrophe in unmittelbare Nachbarschaft rückt, beginnt sie sich quälende Fragen zu stellen: „Ich möchte gerne wissen, wer ich bin, was mein innerstes Wesen ausmacht. Wodurch würde sich mein Tod von jedem anderen Tod unterscheiden?“ Das Attentat hat ihren Körper unbeschadet gelassen, „aber in meinem Kopf ist alles in tausend Scherben zersplittert“.

Tal beginnt, ihre Gedanken aufzuschreiben. Und mehr noch, die Idee wächst in ihr, dass sie diese Gedanken an jemanden schicken muss, an jemanden „von der anderen Seite“. Und so schreibt Tal einen Brief an ein unbekanntes „Du“ mit der Bitte um Rückantwort per Email. Den Brief steckt sie in eine Flasche und gibt diese ihrem Bruder Eytan, der im Gazastreifen seinen Militärdienst ableistet und die Flasche dort ins Meer werfen soll.

Und tatsächlich erhält Tal Antwort. Allerdings nicht, wie sie es erwartet hatte, von einem palästinensischen Mädchen in ihrem Alter, sondern von „Gazaman“, einem jungen Palästinenser, der sie mit Zynismus und Ironie überschüttet. Seine erste Email soll auch seine letzte sein, denn er sei „kein Affe, den man im Käfig beobachtet, weil man wissen will, welche Ähnlichkeiten er mit dem Menschen hat.“ Doch Tal lässt nicht locker, schreibt wieder und wieder an Gazaman und knackt schliesslich mit ihrer Offenheit seine schroffe Hülle. In wechselnden Perspektiven lässt Zenatti die Email-Freundschaft wachsen und Vertrauen entstehen.

Dabei bietet das Buch einen sehr guten Einblick in das Alltagsleben der beiden Konfliktparteien auf persönlicher Ebene, ohne sich dabei in Schuldzuweisungen oder auf der Suche nach der „Wahrheit“ im Nahostkonflikt zu verheddern. Für Jugendliche ist die Form des Briefromans sehr ansprechend, die Autorin lässt die Leser ausserdem in die Gedankenwelt der beiden Protagonisten eintauchen, ohne dabei wertend zu sein.

Insgesamt ist das Buch ein sehr lohnender Einstieg für Jugendliche in das so komplizierte Thema „Nahostkonflikt“. Dtv stellt auf seiner Webseite ausserdem Vorschläge für die Aufbereitung im Unterricht zum Download zur Verfügung.

zenattiValerie Zenatti, 1970 in Nizza geboren, hat ihre Jugend in Israel verbracht. Dort leistete sie auch, wie alle jungen Männer und Frauen, ihren Militärdienst ab. Heute lebt sie als Autorin in Paris, ausserdem übersetzt sie Bücher aus dem Hebräischen. Ihre Jugendromane sind von ihren Erfahrungen des israelischen Lebens geprägt. "ºLeihst du mir deinen Blick?"¹ ist ihr erstes ins Deutsche übersetzte Buch und stand auf der Nominierungsliste des Deutschen Jugendliteraturpreises.

Valerie Zenatti: Leihst du mir deinen Blick? Eine Freundschaft zwischen Jerusalem und Gaza, dtv pocket, 192 S., Euro 6,95, Bestellen?

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1 comment to Leihst du mir deinen Blick?

  • Anat

    Ist das jetzt eine Rezension oder der Klappentext des Buches – also Verlagswerbung?