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Die 68er und die Erziehung: Was ist davon geblieben?

In der allgegenwärtigen 68er-Retrospektive bleibt ein zentrales Anliegen der Bewegung erstaunlicherweise kaum erforscht, obwohl es vielleicht das wirkungsmächtigste und sichtbarste ist: Die Umwertung von Erziehung und Bildung…

Die Schule der 68er – wie das „Laboratorium der Ideen“ Erziehung und Bildungsideale veränderte und bis heute prägt…

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In „Seid realistisch, verlangt das Unmögliche“ erhellen Autoren und Erziehungswissenschaftler von Micha Brumlik und Oskar Negt bis Christin Sager, wie die 68er Debatte um Antiautorität zu einer lebendig diskutierten Pädagogik führte, die Eltern und Pädagogen gleichermassen bewegte. Propagiert wurde ein Erziehungsideal, das zu mehr Mut und Ichstärke führen und den „autoritären Charakter“ überwinden helfen sollte, der schliesslich zur Unterstützung und Duldung des Terrorregimes der Nazis geführt habe. Eine damit zusammenhängende zweite Säule bestand in der freien Äusserung und Selbstregulierung kindlicher Bedürfnisse – galten sie doch als neue Bedingungen für eine Erziehung, die sich zum ersten Mal das „Glück der Kinder“ zum Ziel setzte. Einseitige Leistungsorientierung, wie sie heute wieder präsent ist, wurde abgelehnt.

Kontrovers, immer im Hinblick auf heutige Debatten, erörtern die Beiträge Konzepte der Kinderläden und Modellschulen, der teilweise entgrenzt liberalisierten Sexualerziehung und des veränderten Sozialisationsraums Hochschule. Im grösseren Rahmen eingeordnet werden die Fremd- und Selbstwahrnehmungen der jungen 68er, 88er und der heutigen Jugend befragt und die sich auftuenden Risse im Geschlechterverhältnis untersucht. Stärken und Schwächen der oft extremen und exzentrischen, von breitem Engagement auch auf Elternseite ausgetragenen Bewegung herauszuarbeiten, ist dabei ein Hauptanliegen der Herausgeberin Prof. Meike Sophia Baader.

Da Stimmen der bildungspolitischen Debatte immer lauter hundert Jahre alte Slogans vom „Kind, das Unterordnung braucht“ (Bernhard Bueb, Michael Winterhoff) hervorkramen, gilt es umso dringender zu verstehen, welche konkreten Lehren die Jahre des Aufbruchs und des Experimentierens für uns bereithalten, wie viel vom Freiheits- und Glücksgedanken Summerhills in den Zeiten von McKinsey und Pisa überlebt hat und überleben sollte.

Die Herausgeberin
Meike Sophia Baader ist Professorin für Allgemeine Erziehungswissenschaften an der Universität Hildesheim. Sie veröffentlichte zahlreiche Bücher, u. a. zur romantischen Idee des Kindes und der Kindheit (1996) und zu den religiösen Dimensionen von Reformpädagogik (2005).

Die Autorinnen und Autoren
Johannes Bilstein (Essen), Lothar Böhnisch (Dresden), Micha Brumlik (Frankfurt), Peter Cloos (Hildesheim), Carola Groppe (Hamburg), Oskar Negt (Hannover), Tatjana Freytag (Hildesheim), Frodo Ostkämper (Hildesheim), Olga Remisch (Hildesheim), Christin Sager (Hildesheim), Pia Schmid (Halle-Wittenberg), Wolfgang Schröer (Hildesheim)

Meike Sophia Baader (Hrsg.)
Seid realistisch, verlangt das Unmögliche„.
Wie 1968 die Pädagogik bewegte.
Beltz 2008. ET 15.9.2008, ca. 200 Seiten, broschiert, ca. 16,90 Euro / ca. 32,90 sFr
ISBN 978-3-407-85872-6

Siehe auch:

Interview mit Micha Brumlik:
„Krise der Männlichkeit“
Herr Brumlik, stellen Sie sich vor, Sie werden abends in der U-Bahn von Jugendlichen angepöbelt und bedroht. Wie reagieren Sie?…
Micha Brumlik:
Abschiebung ist verantwortungslos
Der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik hat sich gegen Forderungen gewandt, jugendliche Gewalttäter mit Migrationshintergrund einfach abzuschieben. Die meisten der Jugendlichen seien hier „unter miserablen Schulbedingungen sozialisiert worden“. Deshalb läge es auch in der Verantwortung der Deutschen, sich um die jungen Leute zu kümmern. Man müsse die Kultur der Gewalt unter Migranten an ihren Wurzeln packen…

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