In dem Band sind 650 Biographien aus aller Welt enthalten, von der Spätantike bis zur Gegenwart: Politiker, Wissenschaftler, Theologen, Künstler, Schriftsteller, Publizisten, Vertreter des Wirtschaftslebens, die ihre Judenfeindschaft öffentlich gemacht haben und damit Antijudaismus oder Antisemitismus förderten…
Ebenso werden prominente Opfer wie Alfred Dreyfus, Habib Elghanian, Walther Rathenau, Emil Julius Gumbel vorgestellt und Vorkämpfer der Aufklärung und Toleranz wie Moses Mendelssohn, Gotthold Ephraim Lessing oder Christian Wilhelm von Dohm, die in der Abwehr von Judenfeindschaft eine wichtige Rolle spielten.
Das Spektrum des biographischen Kompendiums reicht von den ersten Repräsentanten antijüdischen Denkens bis hin zu Vertretern des zeitgenössischen Antisemitismus – von Papst Leo dem Großen, Martin Luther, Abraham a Sancta Clara, Richard Wagner, Theodor Fontane, Houston Stewart Chamberlain und Henry Ford bis zu David Irving, Horst Mahler, Richard Williamson, Mahathir bin Mohamad und Mahmud Ahmadinedschad.
[Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Bd. 2: Personen]
Auf Spiegelonline vermisst Henryk M. Broder, trotz allen Lobs, einige aktuelle Namen und erwähnt Jürgen W. Möllemann und Martin Hohmann:
„Der FDP-Politiker hatte im NRW-Wahlkampf von 2002 mit einem ‚israelkritischen‘ Flugblatt, das voller antisemitischer Stereotype steckte, für einen handfesten Skandal gesorgt; der CDU-Bundestagsabgeordnete wurde zuerst aus der Fraktion und dann aus der Partei ausgeschlossen, nachdem eine Rede von ihm bekannt wurde, in der er Juden mit dem Begriff ‚Tätervolk‘ in Verbindung gebracht hat.“
Benz stimmte dem Einwand unumwunden zu, erklärte die Nichtaufnahme der beiden aber mit taktischen Erwägungen: Beide hätten sich zwar typischer und ‚abgefeimter Techniken‘ bedient, es sei jedoch keinem gedient, wenn prozessfreudige Angehörige ein wissenschaftliches Werk vom Markt klagen könnten.
Für diesen Einwand hat Broder durchaus Verständnis: „Man muss Wolfgang Benz für diese Offenheit dankbar sein. Denn in der Bundesrepublik wird die Frage, wer die Bezeichnung ‚Antisemit‘ verdient, inzwischen nicht in Seminaren, sondern von Gerichten verhandelt, wobei sich die Richter erst selbst kundig machen müssen. Sogar das Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung hat vor kurzem einen Prozess gegen einen Verschwörungstheoretiker verloren, der munter mit antisemitischen Stereotypen hantiert und zu seiner Entlastung angibt, er sei mit einer Jüdin verheiratet, wenn ihm Antisemitismus vorgeworfen wird.“
Zur Auswahl hat auch Samuel Salzborn in der Jüdischen Allgemeinen einige Anregungen. So begrüßt er zwar den Eintrag für Martin Walser, bemängelt aber ebenfalls das Fehlen von Martin Hohmann. Auf seiner „Vermisstenliste“ folgt aber auch der heutige Papst, sowie diverse andere jüngere und aktuelle Zeitgenossen: Hugo Chávez, Evo Morales, Ulrike Meinhof. Selbst Muammar al-Ghaddafi und Osama Bin Laden seien nicht erwähnt. Doch ihm geht es nicht nur um die Erwähnung sondern auch um die Gewichtung der Person. Im Falle des iranischen Diktators Mahmud Ahmadinedjad empfindet er den Beitrag als zu schwach, dfür die Gewalt mit der der iranische Führer nach der Vernichtung Israels strebt. Salzborn gibt jedoch selbst zu, „dass die wissenschaftliche und politische Kontroverse über die Bedeutiung der jeweiligen Person umso ausgeprägter sein dürfte, je weiter ihre Aktivität in die Gegenwart reicht“. Insgesamt ist das Werk auch seiner Meinung nach zu begrüßen:
Das Werk erleichtert durch die „Vorstellung von mehreren hundert Antisemiten den personenorientierten Forschungszugriff ungemein. Und was auch zu betonen ist: Der Personenband dürfte konzeptionell der schwierigste Band des gesamten Handbuchs gewesen sein. Er ist also gelungen, trotz der Kritik.“
Im Tagesspiegel wird Wolfgang Benz von Uwe Schlicht folgendermassen zitiert:
„Das „Handbuch des Antisemitismus“ ist auf sieben Bände angelegt und wird bei de Gruyter verlegt. Der jetzt vorgelegte zweite Band enthält die Biografien von 650 Persönlichkeiten, die im Antisemitismus von der Spätantike bis zur Gegenwart eine Rolle gespielt haben, darunter sind Judenfeinde und Förderer des Antisemitismus ebenso vertreten wie prominente Opfer.
Genannt seien unter den Opfern Alfred Dreyfus, Walther Rathenau und Emil Julius Gumbel (ein Kritiker der einseitigen politischen Justiz in der Weimarer Republik). Unter den Vorkämpfern der Aufklärung gegen die Judenfeindschaft wird Moses Mendelssohn ebenso gewürdigt wie Gotthold Ephraim Lessing. Neben bekannten Antisemiten wie Richard Wagner, Houston Stewart Chamberlain und Henry Ford werden auch heute lebende Antisemiten wie David Irving, Horst Mahler, Bischof Richard Williamson und Mahmud Ahmadinedschad genannt. Die Forscher haben jedoch auch bei Theodor Fontane, Thomas Mann, Martin Luther und Papst Pius XII. antisemitische Haltungen entdeckt.“
Der siebte und letzte Band des Handbuchs soll in gut 2 Jahren abgeschlossen sein, so Benz in einem Interview mit Ingo Way, ebenfalls in der Jüdischen Allgemeinen:
„Derzeit arbeiten wir an der Drucklegung zum Band III.: ‚Begriffe, Theorien, Ideologien ‚ und der Redaktion von Band IV, ‚Ereignisse, Dekrete, Kontroversen‘. Band V befasst sich mit ‚Organisationen, Institutionen, Bewegungen‘, Band VI mit ‚Publikationen‘ und Band VII mit Antisemitismus in Theater, Film, Literatur, Kunst.“
Eine Beschäftigung, die durchaus unterhaltsam sein kann, wie auch Henryk M. Boder, Spiegelonline , bestätigt:
…“es ist streckenweise auch unterhaltsam, zum Beispiel wenn das Wirken des zu recht vergessenen Schriftstellers Hans Diebow (1896 bis 1975) beschrieben wird, der mit einer Arbeit über ‚Archäologische Studien über die Nacktheit des Weibes in der griechischen Kunst‘ promovierte, bevor er sich der Lösung der ‚Rassenfrage‘ zuwandte.“
Beteiligt sind, neben dem Herausgeber Wolfgang Benz, auch Werner Bergmann, Johannes Heil, Juliane Wetzel, Ulrich Wyrwa. Die Raktion lag bei Brigitte Mihok. Erschienen ist das Werk bei de Gruyter Saur, es umfasst 934 Seiten, aufgeteilt in zwei Büchern.
dg
[…] Antisemiten: ein Handbuch … hagalil […]
Recht teuer, aber danke für den Tipp!
Ist Dostojewski auch dabei?
sehr schön, aber wie bei vielen publikationen dieser art wird wieder kaum ein mensch sich diese reihe zulegen (können). und ich befürchte, dass auch unsere stadtbibliothek nicht die über die finanziellen mittel verfügt, diese bücher der öffentlichkeit zugänglich zu machen.
also wird dies weiterhin ein disput im wissenschaftlichen elfenbeinturm bleiben – schade eigentlich!
[…] Handbuch des Antisemitismus, Jens Dobler […]