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Reloaded: Woher kommt Judenhass?

Jetzt ist es wieder lieferbar. Das Buch "Woher kommt Judenhass?", dessen Rezension Anfang des Jahres für Aufregung und böse Angriffe auf die Rezensentin und die Herausgeber sorgte…

von Ramona Ambs

Der Verlag reagierte damals recht schnell und nahm das Buch zur Überarbeitung vom Markt. Wer nun aber glaubt, ein neues überarbeitetes Buch zu bekommen, der irrt. Das Buch an sich hat sich überhaupt nicht verändert – allerdings gibt es eine Beilage. Diese erinnert ein wenig an die Beipackzettel von Medikamenten: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage!“

Bei der hiesigen Beilage handelt es sich um dreizehn lose Blätter, von denen sich vier mit ergänzenden Hinweisen zu einzelnen Methoden und deren Einsatz beschäftigen, fünf weitere Seiten, die mit einer Neubearbeitung des 6. Kapitels (der umstrittenen Passage zur Matthäus-Passion) aufwarten können und schliesslich auf weiteren vier Blättern zusätzliche Literaturhinweise.

"Liebe Leserin, lieber Leser," beginnt das erste Blatt "zu unserem Bedauern ist uns in dem vorliegenden Buch auf S. 52/53 ein Fehler unterlaufen. Wir haben die dort dargestellte Methode daher überarbeitet. Sie finden sie in veränderter und erweiterter Form hier als Kopie. Da die Arbeit mit Jugendlichen zu dem Thema Antisemitismus pädagogische Sicherheit erfordert und nicht ohne Einarbeitung und Sachkenntnis Ihrerseits erfolgen sollte, finden Sie hier darüber hinaus Hinweise zur Durchführung einzelner Übungen sowie eine erweiterte Literaturliste."

Das klingt schon mal nicht schlecht. Aus Fehlern soll man ja bekanntlich lernen. Und wenn man sich die ergänzenden Hinweise zu den einzelnen Methoden ansieht, muss man anerkennen, dass da offenbar einiges gelernt wurde. Die Methoden werden deutlich weniger offensiv angepriesen. Man weist vorsorglich darauf hin, dass sich die Lehrperson "inhaltlich einarbeiten sollte" und sich die "Zusammensetzung der Lerngruppe vor Augen führen sollte". Eigentlich selbstverständlich, denke ich mir, aber vielleicht kann man es ja nicht oft genug sagen.

Desweiteren wird nochmals – wie ja auch zuvor schon in den "Tipps" – mitgeteilt, dass sich die Methoden nicht eignen für Schülergruppen in denen mit rechtsextremen oder antisemitischen Einstellungen zu rechnen sei. Nun, eine Schülergruppe zu finden, in der keinerlei antisemitische Vorurteile rumgeistern, dürfte nicht leicht sein. Deshalb gibt es ja solche Lernprogramme, wie dieses, das von den Vereinen „Bildungsteam“ und „Tacheles Reden!“ in langjähriger Kooperation gestaltet und vom Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) finanziert wurde.

Eine aktuelle Befragung der Amadeo-Antoniostiftung hat gerade gezeigt, dass mehr als die Hälfte aller Jugendlichen verquere Vorstellungen von Juden haben. Hinzu kommt, dass die meisten Jugendlichen nach wie vor kaum was über Juden, das Judentum und dessen Geschichte wissen.

Es gibt wenig Grund zur Annahme, dass sich seit den Studienergebnissen von Alphons Silbermann 1998 viel verbessert hätte. Das hat sich inzwischen aber auch zum Autorenteam rumgesprochen, so dass nun in den ergänzenden Hinweisen zu den einzelnen Methoden einschränkende Empfehlungen nachgeliefert werden. Und offenbar hat man nun auch zur Kenntnis genommen, dass das (Vor-)Wissen von Lehrern in diesem Bereich bisweilen sehr dürftig ist. Allerdings werden dadurch einige Hinweise unfreiwillig komisch.

So findet man als ergänzenden neuen Hinweis zur Methode auf Seite 116 Folgendes in der Beilage:

"Gehen Sie ab und an durch die Kleingruppen und stehen den Jugendlichen mit Ihrem Wissen zur Seite. Dieses entnehmen Sie bitte, wie die Jugendlichen auch, dem Text "Die jüdische Geschichte von Meilenberg", S.119. .."

Na Massel tow! – wenn das mal keine optimale Unterrichtsvorbereitung ist – einfach mal den gleichen Text lesen wie die SchülerInnen – geht schnell und ist unkompliziert!

Im weiteren Verlauf werden die Empfehlungen zwar noch kurioser, doch wenden wir uns lieber dem "Herzstück" der Überarbeitung zu: Der Neubearbeitung des 6. Kapitels – genauer: Der Methode zur Matthäus-Passsion.

Sie war Hauptkritikpunkt der ersten Rezension, weil unverblümt behauptet wurde, dass Juden Christusmörder seien.

In der neuen Variante sind Vorbereitung und Informationsinput erhöht worden. So erfahren die Schüler/innen etwas mehr über die urchristlichen Gruppen und die Abspaltung vom Judentum. Dann werden erneut die Vorwürfe gesammelt, die Christen gegen Juden erhoben haben. Wieder lese ich "Die Juden haben Jesus umgebracht" und erwarte nun ein eindeutiges "das ist falsch!"- aber das lese ich nicht.

Stattdessen steht da:
"Einordnung: Der Vorwurf des Gottesmordes ist eine der zentralen Anschuldigungen des christlichen Antijudaismus. Die Gruppe soll sich deshalb ausführlich und auf mehreren Ebenen damit auseinandersetzen. Christliche wie nichtchristliche Historiker gehen mehrheitlich davon aus, dass dem Jesus des neuen Testaments eine historische Person entspricht, dessen Leben und Wirken sich rekonstruieren lässt. Erschwert wird die Rekonstruktion durch das Fehlen unmittelbarer Zeugnisse – die Evangelien sind nach allgemeiner Ansicht Verarbeitung älterer, nicht überlieferter Quellen. In ausserchristlichen Quellen wird Jesus frühestens 40 Jahre nach dem vermutlichen Zeitpunkt seines Todes erwähnt."

Aha. Selten etwas so Schwammiges gelesen. Bedeutet das nun dass man die Evangelien als Quelle ernst nehmen kann (sie sind ja schliesslich Verarbeitungen älterer Quellen) oder nicht? Und was heisst das nun konkret auf den Vorwurf bezogen? Ganz beiläufig stellt sich mir noch die Frage, weshalb sich Schüler und Schülerinnen überhaupt so intensiv (und exklusiv) mit den Evangelien befassen sollen, zumal ja nicht alle christlich sind, aber zurück zum eigentlichen Thema, ich habe ja die Hoffnung, dass es doch noch
deutlicher wird und lese also weiter:

"Nach Darstellung der Evangelien wird Jesus vom Hohen Rat (Sanhedrin) wegen Aufruhrs und Gotteslästerung angeklagt und verurteilt und dem römischen Statthalter Pontius Pilatus übergeben. Auf Betreiben des Rates verurteilt Pilatus Jesus zum Tode. Dann bietet er den Schaulustigen aus der Jerusalemer Bevölkerung an, Jesus freizugeben, diese rufen jedoch "Ans Kreuz mit ihm!" und "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!"…Daraufhin wird Jesus auf Befehl des Pilatus von römischen Soldaten gefoltert und hingerichtet. – Im Text der Bibel werden also konkrete Personen und Personengruppen benannt, die nach dieser Darstellung gemeinsam den Tod Jesu verursacht haben sollen".

Ohje – sind wir Juden jetzt doch schuld am Tode Jesus? Nur haben wir ihn eben nicht alleine umgebracht, wie in der ersten Version, oder warum diese ausführlichen Darstellungen der Evangelienberichte? Immerhin – es folgt nun ein kleiner Exkurs ins jüdische Recht. Ich bin erleichtert, denn nach dessen Aussage kann der Prozess – so wie ihn die christliche Bibel schildert – gar nicht stattgefunden haben.

Doch selbst bei der Erörterung der jüdischen Sichtweise des Prozesses wird immer wieder das Evangelium als Quelle zitiert: "Verschiedene Schilderungen von Jesu Todesumständen in den Evangelien stehen im Widerspruch zur jüdischen Rechtstradition. (…) Auch konkrete Aspekte sind nach jüdischem Recht unplausibel: Dass Jesus sich als Sohn Gottes bezeichnet, ist nach jüdischem Recht Gotteslästerung, wäre aber nur dann mit dem Tod zu bestrafen, wenn er zugleich den unaussprechbaren Namen Gottes ausspräche – was in den Evangelien nicht erwähnt wird…".

Mal ganz davon abgesehen, dass hier permanent vom „jüdischen Recht“ die Rede ist und nur an einer Stelle darauf verwiesen wird, dass es sich um das "alte" jüdische Rechtsverständnis handelt (man könnte fast meinen, wir würden – egal ob damals oder heute – lustig draufloskreuzigen, wenn jemand einen Namen sagt, den er nicht sagen soll), wird hier ein derart spezielles Wissen vorausgesetzt, das man beim hiesigen Durchschnittsschüler, Pisa hin oder her, so nicht einfach erwarten kann. Auch nicht beim Durchschnittslehrer.

Vor allen Dingen wird hier aber nur gegenübergestellt, was einerseits die Evangelien sagen und andererseits was nach jüdischem Recht an diesen Schilderungen „unplausibel“ ist.

Eine konkrete Antwort aber auf die Frage "Haben die Juden Jesus ermodet?" bleibt aus. Nirgends findet sich eine diesbezügliche klare Aussage, wenn wir mal vom Originaltext absehen, der natürlich noch unverändert dasteht. Diese Rezension bezieht sich ja nur auf den „Beipackzettel“.

Auch auf den zweiten Vorwurf der Methode "Die Juden verlangten Gnade für einen Mörder anstatt für Jesus" reagiert die "Richtigstellung" unangenehm vage.

Da steht: "Viele christliche Autoren sehen in Barrabas keinen Mörder, sondern einen Widerstandskämpfer(…)" und dann wird wieder – wen wunderts – auf die Evangelien verwiesen, und zu guter letzt auch noch auf das Buch von Papst Benedikt "Jesus von Nazareth".

Dass genau dieses Buch wegen seiner Abwertung historischer Erkenntnisse in die Kritik geraten war, scheint nicht weiter zu stören.

Dafür wird unter "2." geschrieben: "Andere Autoren bestreiten, dass es eine Wahlstellung, wie sie im gehörten Abschnitt der Matthäuspassion geschildert wird, überhaupt gegeben habe." – diese "anderen" Autoren erweisen sich dann am Ende des Textes als "jüdische und römische Quellen". Seltsamerweise bleibt auch hier eine konkrete Antwort aus. Es wird einerseits die christliche Sichtweise der Dinge dargestellt und andererseits die jüdische Sicht. Historisch-neutrale Quellen werden praktisch nicht erwähnt. Die jüdische Sichtweise hat man nun zwar zitiert – ohne jedoch eine echte Antwort zu geben.

Bleibt noch die neue, erweiterte Literaturliste. Leider kann man da auch nicht glücklich sein. So hat das Autorenteam sich zwar von einem "alten" Literaturtipp distanziert, nämlich dem "Ghazi, Abdel-Khader, Die sprechenden Steine, Weinheim 1998" – peinlich und notwendig, weil selbst der Beltz&Gelberg-Verlag das Buch wegen antisemitischer Klischees aus dem Programm genommen hat, aber was dann an "Neuem" vorgestellt wird, überzeugt auch nicht gänzlich. Speziell in den Kategorien "Judentum" und "Zionismus" ist die Zusammenstellung eher dürftig und nicht sonderlich aktuell.

Ein grosses und gutes Standardwerk, die "Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit" von Michael Brenner und Michael A. Meyer fehlt beispielsweise. Oder im Themenbereich Zionismus fehlen die guten Bücher von Schoeps, Walter Laqueur oder Amnon Rubinstein… und und und.

Bleibt ein bitteres Resümee. Das Buch überzeugt mich auch nach der Nachbearbeitung nicht. Und dem Ministerium scheint es mittlerweile auch peinlich zu sein, was man da jahrelang gefördert hat. So steht in deutlich kleinerer Schrift auf dem ersten Beipackzettel der Hinweis: "Das Projekt "BildungsBausteine gegen Antisemitismus" ist ein Kooperationsprojekt des Bildungsteams Brandenburg e.V. und Tacheles Reden e.V., das aus Mitteln des Bundesprogramms ENTIMON gefördert wurde. Die vorliegende Publikation wurde nicht aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziert."

Na dann ist ja alles gut.
Was
das Ministerium sonst so fördert ist ja mittlerweile bekannt. Und auch was es nicht fördert.

Interessierte Lehrer kann man an bessere Publikationen des Verlags an der Ruhr verweisen, in der kühnen Hoffnung, dass die Arbeit Früchte trage. Und sollten sich die Pädagogen des Bildungsteams nochmal an einem Bildungsbaustein versuchen wollen, sei Ihnen abermals, wie schon im Verlauf der Diskussion um die erste Rezension, der extra für sie gekürzt und zusammengefasste Artikel von Dr. Gabriel Miller, eines ausgewiesenen Experten für jüdisches Recht, ans Herz gelegt: „Die Juden haben Jesus NICHT umgebracht!

4 comments to Reloaded: Woher kommt Judenhass?

  • Yael

    Danke Ramona für deine Arbeit. Ich muss sagen, ich habe leider nichts anders erwartet. Allein die Reaktionen der Leute im Forum, auch des Verlages, hat nicht besonders vertrauenswürdig gewirkt. Ich hoffe, dass das Buch keine grosse Anwendung in Schulen finden wird, die armen Schüler, die mich dieses Mist konfrontiert werden, kann man nur bedauern. Aber heutzutage darf eben jeder Depp ein Buch schreiben und es als etwas pädagogisches verkaufen.

  • Elijah

    Erstens und völlig gleich ob es die historische Figur des Jesus gegeben hat oder nicht und ob eine riesige Weltreligion auf dem Glauben an ihn basiert, wurde der Tod Rabbi Jeshua ben Joseph nach römischem Recht arrangiert und Rabbi Jeshua ben Joseph nach römischem Recht gekreuzigt und es de facto ein römischer Stadthalter war, der ihn verurteilte und das Todesurteil aussprach und es Zweitens festzuhalten gilt, dass Judenhass nicht nur in Desinformation, Halbwahrheiten und antisemitischer Hetze wurzelt sondern auch im Unwissen über das Judentum, bzw. aktuell treffender formuliert "verordnetem Unwissen".

    Warum dies?

    Nun, ganz einfach. Was gerade seit ein paar Wochen im Zweiten Deutschen Fernsehen an "vorbeihuschender" 1000-jähriger deutscher Geschichtsaufarbeiten gezeigt wird, die wahrlich ganze Massen junger Menschen begeistert in sich aufsaugen, weder als besonders pädagogisch zielführend noch produktiv im Sinne der optimistischen Aufklärung zu bewerten ist und ohne Chance auf Schliessung von Bildungslücken einen herben und befremdend anmutenden Beigeschmack hinterlässt, bezogen auf das Thema "Jüdisches Leben in Deutschland" und dem sich über Jahrhunderte sich vollzogene Wandel des Selbstverständnisses von in den deutschen Staaten lebenden Juden zu deutschen Juden oder Deutschen jüdischen Glaubens, die auf der Grundlage einer stärkeren Beteiligung am allgemeinen öffentlichen und geselligen Leben und ihrem Anteil am Wirtschaftsleben, an Presse, Politik, Literatur und Kunst wie auch Militärwesen (wenigstens bis um II. Weltkrieg) als Patrioten ihren bedeutenden aber nie gewürdigten Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung leisteten, geleitet vom Bestreben, in die bürgerliche Gesellschaft als vollwertiges und gleichberechtigtes Mitglied aufgenommen und akzeptiert zu werden.

    So viel zu der Frage: "Wer wir Deutschen sind ?!?"

    Diese antiseptische Schlemmerreise durch die deutsche Vergangenheit bei gänzlich fehlender Selbstkritik so nicht stehen gelassen werden kann, da die Deutschen selbst Zeuge einer fatalen und völkerrechtlich falschen Entwicklung wurden, die sie verhindern hätten können und die "Deutsche Geschichte" bis zum Eintreffen Hitlers auf die politische Weltbühne besser und vor allem zivilisierter, heisst mit weitaus weniger JUDENHASS hätte gestalten können. Stattdessen wurde die Geschichte vor allem im deutschsprachigem Raum nicht nur als eine Waffe sondern auch ein ideologisches Machtinstrument auch von den christlichen Kirchen missbraucht aus dem Augenwinkel ignorierend, dass Identitätsstiftende Geschichte immer janusköpfig zu betrachten ist, da sie immer zwei Seiten hat — sowohl die menschliche Grösse betreffend wie die des Verbrechens des/r Verbrecher/s.

    Man könnte fast behaupten, dass die Macher des ZDF und ganz bestimmt deren aktiver Programmdirektor Thomas Bellut mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit diesen vorbeihuschenden, riesenhaften Informationslücken ein bestimmtes Interesse verfolgten mit der völligen Ausblendung der Anfänge, Ursache und der Entwicklung des rassischen Antisemitismus und dieses Versäumnis nicht nur aus "Versehen" zu verantworten haben.

    Politisch und öffentlich wird in deutschsprachigen Ländern Europas bis heute gelobt, der den Juden Gutes, getadelt, wer ihnen Schlimmes zugefügt hat, jedoch wird bis auf den heutigen Tag die politische Rolle der Juden in Deutschland und Europa als rein passiv hingestellt, man gleichzeitig jedoch nicht müde wird, ihren aktiven Anteil am deutschen Kulturleben zu betonen und damit gefährlich mit gesellschaftlichen Spielregeln eines Miteinander bzw. Untereinander jongliert, die in der Vergangenheit religiös begründet waren.

    Muss den hier und heute immer und immer wieder betont werden, dass schon zu Beginn des christlichen Abendlandes der Grundstein für den christlichen Antisemitismus (Antijudaismus) gelegt wurde. Bereits im 4. Jahrhundert n.d.Z. wurden die ersten Beschränkungen gegen Juden erlassen. So wurden sie von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen! Die Folge war, dass die Juden im Laufe der Zeit von vielen Berufen ausgeschlossen wurden. Ab dem 12. Jahrhundert n.d.Z. schloss das Zunftwesen/-recht Juden von fast allen Berufen aus. Nur noch der Geldverleih und der Handel (Kaufmänner/-frauen) waren ihnen zugänglich. Das war der Beginn des antisemitischen Vorurteils, dass "die Juden" "das Kapital" in der Hand halten würden.

    Dies zeigte sich insbesondere in beruflichen und besitzrechtlich Einschränkungen (z.B. weder Ackerbau noch Landbesitz, Nichtzulassung zu den Handwerkerzünften), der beschränkten Niederlassung und Freizügigkeit (Judenquartiere, Judenschutz, -zoll), der äusserlichen Stigmatisierung durch Judenabzeichen und -hut (4. Laterankonzil 1215), dem Judeneid und der sogenannten Kammerknechtschaft (Ks. Friedrich II. 1236), d.h. der Unterstellung der Juden unter kaiserlicher Gewalt, die als Judenregal an Fürsten und Städte veräusserlicht war (Judensteuer).

    Judenfeindliche Stereotypen prägten Predigten von Bettelmönchen, die Argumentation gegen den Talmud, Texte der Kreuzzugs- und der Geisslerbewegung sowie Anklagen der Inquisition. Das Darlehensgeschäft, das Christen des kirchlichen Zinsverbots wegen bis in das Spätmittelalter nicht ausübten, führte zum Vorwurf des Wuchers. Anschuldigungen wie Hostienschändung und Ritualmord entwickelten sich im 12. Jhdt.

    Auch wurden im 12. Jahrhundert n.d.Z. die ersten jüdischen Ghettos eingerichtet. Auch die Kreuzzüge des Mittelalters hatten das Ziel, die Juden in Palästina auszurotten. In den Jahren 1548/49 wurden über 300 jüdische Gemeinden im deutschen Reich zerstört. Der Höhepunkt des christlichen Antisemitismus im Spätmittelalter vertrat aber Martin Luther. In seinen letzten Schriften ("Von Juden und Lügen") gipfelt der frühe Antijudaismus.

    Er bezeichnet die Juden als "verworfenes, verdammtes Volk" und gibt folgende Ratschläge wie mit den Juden zu verfahren sei: "Erstlich, dass man ihre Synagogen mit Feuer anstecke…zum anderen, dass man ihre Häuser dergleichen zerbreche und zerstöre…dass man ihnen den Wucher verbiete,… man nehme ihnen alle Barschaften,… man müsse ihnen das Schelmbein aus dem Rücken treiben,…" Hier legt Luther die Grundlage für alle späteren antisemitischen Progrome und verbreitet das Bild vom Juden als "Wucherer".

    Es war den Christen verboten Geld gegen Zins zu verleihen und viele Menschen fühlten sich von den Kaufleuten und Geldverleihern ungerecht behandelt. Durch die massive Verbreitung von Luthers Schriften in der Sprache der Bevölkerung, also auf deutsch, wurde der Grundstein für antisemitische Stereotype gelegt. So wurden die Probleme der damaligen Gesellschaft pauschal den Juden zugeschrieben und dadurch auf eine sowieso schon ausgegrenzte Minderheit abgewälzt. Der Antisemitismus entstand.

    In den Jahren 1873 bis 1918 also im deutschen Kaiserreich vollzog sich im Zuge des Sozialdarwinismus und aufkommender Rassentheorien ein gesellschaftlicher Umbruch nachdem Joseph Arthur Graf von Gobineau (1816-1883, französicher Schriftsteller und Diplomat) den aus der Tier- und Pflanzenzucht bekannten Begriff der Rasse auf Gruppen von menschlichen Völkern, die ähnliche Sprachen sprechen übertrug. In seinem „Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen“ (4 Bände 1853-59) behauptete Gobineau, dass es abgesehen von rein äusserlichen Merkmalen wie Haut- Augen- und Haarfarbe, auch Unterschiede in Charakter und Fähigkeiten gebe, die für ganze Gruppen von Völkern vererbbar seien. Insbesondere sei die „arische Rasse“ den anderen körperlich, geistig und moralisch überlegen. Damit war der moderne Rassismus [Geisteshaltung, die andere Menschen rein aufgrund ihrer Abstammung als minderwertig bezeichnet] geboren und es vollzog sich ein verachtenswerter Umgang mit sozialen Minderheiten. Das Konzept der rassistischen Ungleichheit schuf den Glauben, dass die Europäer als höher stehende Rasse angesehen werden konnten und die "anderen" als vermeintlich "minderwertig". Dies bot die Legitimation sie zu unterdrücken. Der Antisemitismus wurde nun nicht mehr vor allem theologisch begründet, sondern das Konzept von Rasse und Sozialdarwinismus (der Stärkere gewinnt….) selektierte und diskriminierte nun Menschen nach vermeintlich ethnischer Zugehörigkeit. Es bildeten sich eine Vielzahl von antisemitischen Vereinigungen.

    Diese begannen gegen Juden zu hetzen und antisemitische Weltbilder zu verbreiten. Das Bild des jüdischen Wucherers, welcher in seiner Gier nach Geld das deutsche bzw. europäische Volk bis aufs Mark ausbluten lässt und eine jüdische Weltverschwörung (Protokolle von Zion…) propagierte. Im Kaiserreich und in der späteren Weimarer Republik wurden diese Bilder tief in das Denken der Menschen verankert und durch die Faschisten zur Staatsideologie ernannt.

  • Erika

    Ich möchte an dieser Stelle nicht auch noch eine Rezension zu einem Buch schreiben, welches es nicht einmal wert sein sollte gelesen zu werden oder gar als Unterrichtsmaterial verwendet werden sollte.
    Das Einzige, was ich dazu bemerken könnte ist: So viel Unsinn auf einem Haufen, Unwissenheit über das Judentum , Unwissenheit über den Nationalsozialismus, die Ermordung der jüdischen Bevölkerung Europas, findet man gerade in den Köpfen der Geschichtslehrer bzw. der Lehrer und Lehrerinnen für Wirtschaft und Politik ebenfalls! Ich spreche hier aus Erfahrung . Ich habe an der Schule, an der ich unterrichte noch keinen Kollegen gefunden, der weder über Methoden noch ein fundiertes Wissen zu dieser Thematik verfügt. Diese Unsicherheit verführt natürlich dazu, die Thematik gar nicht erst im Unterricht zu behandeln oder selbst bei antisemitischen Äusserungen und sichtbaren antisemitischen Handlungen, das Geschehen zu verharmlosen und schlimmer noch, nicht an die Schulöffentlichkeit gelangen zu lassen. ( Man müsste sich ja schliesslich äussern. Da man das nicht fundiert kann, wird besser geschwiegen.)
    Als einzige Jüdin an dieser Schule habe ich bei Auftauchen antisemitischer Schmierereien versucht, die Schulleitung und das Kollegium zu mobilisieren, Handlungsbedarf endlich zu erkennen und dann natürlich auch zu handeln. Das Resultat gipfelte in der Festsstellung seitens der Schulleitung " Das ist doch alles nicht so schlimm, Sie sind da überempfindlich, liebe Kollegin und wenn Sie meinen das etwas getan werden muss, dann tun Sie es doch bitte selber, engagieren sie sich!" "Ausserdem sind nicht nur Juden im Krieg gestorben, sondern viele andere auch!" ( Man beachte das Wort gestorben…das Wort ermordet fand wohl keinen Eingang in jenes Gehirn! ) Ein halbes Jahr später holte man sich dann eine gekürzte Wannsee-Ausstellung in die Schule. Zur Eröffnung waren nur geladene Gäste vorgesehen. Weder ein Mitglied der jüdischen Gemeinde noch ich waren geladen. Auch mein Engagement bezüglich der erforderlichen Einladung eines Mitgliedes der jüdischen Gemeinde blieb erfolglos.
    Mehr brauche ich wohl hier an dieser Stelle nicht zu sagen. Vielleicht noch:
    Oh, wie recht hat Moishe Hundesohn in seinem letzten Cartoon!!!

  • Debora

    Als Deutsch- und Religionslehrerin an einer Gesamtschule in Hessen bin ich dankbar für die deutlichen Worte über das dargestellte Unterrichtsmaterial.
    Unwissenheit über Judentum, das als Wurzel des Christentum in Wirklichkeit sehr ernst genommen werden muss, ist leider überall zu beklagen. Im letzten Jahr habe ich mich beim Calwer Verlag über eine Ausgabe der Kursbuches Religion 2000 beschwert, da der Schülertext sowie die Abbildungen völlig fehlerhaft sind. Leider hatte ich nicht den Eindruck auf Verstehen zu stossen.
    Ich hoffe sehr, dieser Unwissenheit und den gängigen Vorurteilen sowohl im Religionsunterricht als auch durch Fortbildungsveranstaltungen für Lehrer begegnen zu können. Noch bin ich zwar Christin, lebe aber mit meinem jüdischen Mann in einem jüdischen Haushalt und lerne mehr und mehr über das Judentum, da mich der Gedanke an einen Giur stark beschäftigt.
    Allerdings sehe ich, besonders nach den gelesenen Schilderungen der Missstände, es als ein Vorrecht an, so aus der Innensicht des Judentums und aus dem Wissen über das Jüdische im NT, das u.a. Pinchas Lapide so verständlich darlegt, Aufklärungsarbeit leisten zu dürfen.
    Und ich möchte den Rezensenten danken, die so klar und mutig mitarbeiten an diesem Ziel und somit auch meine Gedanken und mein Wissen anregen und erweitern. Es ermutigt ungemein, mit vielen an einem Strang zu ziehen und ich vertraue darauf, dass diese Samenkörner eines Tages Frucht tragen. Gerade jüngere Schüler/innen erlebe ich da als sehr offen und lernfähig.
    Machen wir uns also gegenseitig Mut!