Kennen Sie Muhlis? Muhlis Ari? Nein? Kein Wunder. Für Muhlis hat sich ja auch nie jemand wirklich interessiert. Wenn ich Ihnen jetzt aber sage, dass Muhlis von Medien und Behörden „Mehmet“ genannt wurde, dann glauben Sie sofort zu wissen, um wen es geht. Genau den! Ja, den „Schrecken von München-Neuperlach“, das „Crime-kid“, das schon im Alter von vierzehn Jahren in die Türkei abgeschoben wurde wegen seiner langen Liste an Vorstrafen…
„Ich war ein verdammter Bayer, was sollte ich in der Türkei?“
Muhlis Ari (S. 120)
Von Ramona Ambs
Aber… kommt es Ihnen nicht komisch vor, dass Sie glauben eine mediale Kunstfigur persönlich zu kennen? Denn Mehmet ist eine mediale Kunstfigur, Mehmet ist ein Symbol, eine Marke…- kein Mensch. Der Mensch aber, der zu Mehmet gemacht wurde, heißt Muhlis Ari. Und der hat nun ein Buch geschrieben, damit man zur Abwechslung auch mal ihn, Muhlis, kennenlernt. Mit dem Autor Christoph Straßer erzählt Muhlis von seiner Kinderheit in München-Neuperlach, seiner Familie, der Schule und seiner Clique. Auch seine Taten, also die, die er wirklich begangen hat, (und das sind bei weitem nicht alle, die ihm die Medien angedichtet haben), spart er nicht aus. Er beschönigt sie auch nicht. Sie gehören zu dieser Kindheit und Jugend wie der Deckel auf den Topf. Wenn der Mann vom Jugendamt keine Zeit hat, weil er zum nächsten Fall muss, sich sonst keiner kümmert und sich niemand für irgendwas intressiert, dann prädestiniert einen das Aufwachsen in bestimmten Vierteln fast schon per se zum Delinquenten. Gelegentliche Heimaufenthalte inbegriffen versteht sich.
Neben all der Tristesse, die das Buch bei solch einer Biographie vermittelt, bietet es immer wieder Stoff zum Schmunzeln. Beispielsweise als Muhlis mit seinen Kumpels von Mehmet in der Zeitung liest und sie sich gemeinsam überlegen, wer dieser sagenumwobene Mehmet wohl sein könnte, der ja offenbar hier bei ihnen im Viertel wohnt. Aber irgendwann kapiert Muhlis, dass er Mehmet sein soll: „..dass ich dieser Mehmet war, von dem man hin und wieder in der Zeitung las, konnte ich nicht glauben.“ Doch seine Mehmetisierung führt ihn zusätzlich zielgerade ins Verderben. Als er das erste Mal ins Gefängnis kommt, hat er noch Angst: „Im Knast sind Verbrecher, die Gott weiß was mit mir veranstalten. Ich kann da nicht rein…“ Doch zu seiner großen Überaschung wird er dort gefeiert wie ein Held: „Die meisten Zellentüren waren verschlossen, trotzdem standen viele der Gefangenen auf den Gängen und lehnten sich an die Geländer. Sie sahen zu mir und grüßten mich. »Ey, Mehmet«, lachten einige. Drei Türken freuten sich so sehr, mich zu sehen, dass sie sofort »Mehmet, Mehmet, Mehmet« sangen. Andere blickten mich nur still an und applaudierten. (…) Was war denn hier los? Der graue, düstere Ort, an den man mich gebracht hatte, verwandelte sich augenblicklich in eine gute, sehr interessante Sache. Ich wurde gefeiert wie ein Popstar, und dabei hatte ich meine Zelle noch nicht einmal betreten. Besonders die Türken waren völlig aus dem Häuschen. So also fühlte sich Michael Jackson, dachte ich. Coole Sache eigentlich.“
Die Solidarität unter den Gefangenen mit Mehmet, seine realen und von der Presse angedichteten Straftaten, machen ihn im Gefängnis zu einem Mythos. Und dieser Mythos wird ihm zum Fluch, denn von den Insassen wird er behandelt wie ein Star, von den Gefängniswärtern hingegen wie ein Schwerstverbrecher. Keiner sieht mehr den vierzehnjährigen Jungen hinter „Mehmet“. Sein Vater, der ihn im Gefängnis besucht, darf sich nicht auf türkisch mit ihm unterhalten, also stottert er ihn auf deutsch an. Ein echtes Gespräch findet nicht statt und wird auch nicht mehr stattfinden, denn Mehmet wird abgeschoben- und mit ihm Muhlis. Christoph Straßer erzählt Muhlis Geschichte in der ihm eigenen Sprache: stets augenzwinkernd mit selbstironischer Hoffnung in den oft traurigen, grauen Sätzen.
Man kommt mit Muhlis in Istanbul an, erlebt wie er als Mehmet von Journalist zu Journalist weitergereicht wird, wie er zum Medienstar wird und wie er dann fallen gelassen wird, als andere Themen wichtiger werden. Doch als Fallender wird er wieder interessant und fällt erneut direkt ins Rampenlicht. Es beginnt ein türkisches Hase-und-Igel-Spiel. Wo immer Muhlis auch auftaucht: Mehmet ist schon da. Als er schließlich nach Deutschland zurückkehren kann, wiederholt sich das Spiel. Muhlis berappelt sich, holt den Schulabschluss nach, als Klassenbester, aber niemand will Mehmet einstellen. Schließlich ergattert er bei einem alten Freund einen Putzjob im Deutschen Museum: „(…) Ich sprühte die erste Vitrine mit dem Reiniger ein, der sofort einen weißen Schaum auf der Oberfläche bildete. Ich stellte die Flasche ab und wischte mit dem Tuch darüber. Nach ein oder zwei Handbewegungen hielt ich inne, und mir blieb der Mund offen stehen. In der Vitrine erkannte ich ein großes Farbfoto von mir. Ich war dort in meinem gelben Jogginganzug abgebildet, ein türkischer Polizist hielt mich am Arm. »Was ..?«, sagte ich leise und las mir die verschiedenen Artikel und Tafeln durch, die um das Bild herum aufgestellt worden waren. Von einem einmaligen Fall in der deutschen Justizgeschichte war dort zu lesen. Der kriminelle Jugendliche Mehmet war ohne seine Eltern in die Türkei abgeschoben worden, was in den Medien und der Politik für große Kontroversen gesorgt hatte. Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2002 allerdings entschieden, dass der Junge wieder in Deutschland leben durfte. Ja, dachte ich, so konnte man das auch auf den Punkt bringen. Dass man mich einfach in einem fremden Land ausgesetzt hatte und ich jetzt, wo ich wieder hier war, mein eigenes Foto putzen musste, das stand dort nicht. Aber für derartige Details war vermutlich einfach kein Platz.“
Überhaupt scheint für Muhlis in der ganzen Mehmet-Geschichte kein Platz zu sein. Zu omnipotent hat sich Mehmet in der Wahrnehmung seiner Umgebung breit gemacht. Nach einem Streit mit seinen Eltern eskaliert die Situation und Muhlis entzieht sich seiner Verhaftung durch Flucht in die Türkei. Dort lebt er immer noch und würde eigentlich gerne mal wieder nach Deutschland kommen: „Muhlis Ari kommt also ganz gut klar. Mehmet existiert aber weiterhin, sowohl in den Medien als auch in den Köpfen der Menschen. Das Problem ist, dass Mehmet sich im Gegensatz zu Muhlis nicht ändern kann. Oder es vielleicht nicht gewollt wird, dass er sich ändert. Ich weiß es nicht.“
Und somit sind wir wieder beim Ausgangspunkt: Kennen Sie Muhlis? Muhlis Ari? Nach der Lektüre des Buches werden Sie ihn jedenfalls besser kennengelernt haben. Und Sie werden noch etwas gelernt haben. Sie werden gelernt haben, wie man aus politischem Kalkül das Leben eines Kindes zerstört hat. Sie werden gelernt haben, was passiert, wenn niemand sich zuständig fühlt und Kinder sich selbst überlassen bleiben. Und Sie werden gelernt haben, dass das alte Prinzip: Kleider machen Leute auch heute noch funktioniert. Nur dass man aus den Kleidern einen Namen macht und diesen wie einen Stempel einem x-beliebigen Jungen aufdrückt, der dann sehen muss, wie er damit klar kommt. Aber: Kleider machen Leute ist harmlos. Denn Kleider kann man ablegen. Namen bleiben an einem haften. Heute heißt es also nicht mehr Kleider machen Leute, sondern: Namen fressen Leute.
Ab 8. Oktober 2013 erhältlich:
Muhlis Ari / Christoph Straßer, Sie nannten mich Mehmet. Geschichte eines Ghettokindes, Geb., 272 S., Riva Verlag 2013, Euro 19,99, Bestellen?
Danke, liebe Ramona, für Deine einfühlsame und nachdenklich stimmende Rezension, die ich gleich meinen türkischen Freunden zugänglich machen werde.
Die Frage von Muhlis
„Ich war ein verdammter Bayer, was sollte ich in der Türkei?“
habe ich mir bei meinen diversen Auswanderungsversuchen auch immer wieder stellen müssen. Es wird wohl die ganz spezielle Form der Sozialisation sein…
in türkei macht er nicht so straftaten wie in brd,wegen angst vor harten strafen in türkei? gefängnis-insassen waren von ihm begeistert,waren ja nur christen-beliebt auch angriffe auf juden -. Hätte mehmet türken so straftaten angetan,wärs mit der begeisterung für mehmet aus gewesen.
Bild titelt in großen Lettern:
MEHMET
DER STRAFTÄTER WILL EINE DRITTE CHANCE!
http://www.bild.de/regional/muenchen/joachim-herrmann/gegen-mehmets-rueckkehr-32608158.bild.html
so geht es natürlich nicht.
Danke für diesen sehr einfühlsamen und absolut politisch korrekten Artikel. Meine Tränendrüsen reagieren aber nicht mehr auf solche volkserzieherischen Maßnahmen. Hier steht doch klar, dass die böse, böse deutsche Gesellschaft, die böse und harte Politik und die deutsche Kuscheljustiz schuld an der verlorenen Jugend des armen, armen Muhlis sein sollen. Die Justiz übrigens, die gewalttätige 28-jährige Türken noch zu Jugendstrafen „verdonnert“, weil sie laut Gutachter geistig zurückgeblieben sind. Sie können nur Menschen tottreten, sie verstehen aber nicht, warum das nicht gut sein soll…
Kein Wort von der Verantwortung der Erziehungsberechtigten, kein Wort von der Verantwortung der türkischen und moslemischen Verbände und Organisationen, die ihre Daseinsberechtigung offensichtlich ausschliesslich im dreisten Fordern gegenüber Deutschland und der Gesellschaft der „Toleranten“ sehen.
Es gibt schon zu viele Extrawürste für unsere Kulturbereicherer mit türkisch-mohammedanischen Wurzeln. Volksverhetzer die „deutsche Kartoffeln“ jagen und verprügeln, uns Essensvorschriften machen wollen, geschlossene Badetage für verschleierte Wesen fordern, angeben „stolze Türken“ zu sein, dabei sind sie nur primitive graue Wolfsnazis.
Es ist für mich als Israelfreund befremdlich, auf dieser Seite derartige manipulative Texte lesen zu müssen. Scheinbar ist den Machern von HaGalil die wahre Gesinnung unserer türkischen und moslemischen Mitbürger nicht bekannt. Vom grössten Klon Adolfs in Ankara ganz zu schweigen.
Selbst meine türkischen Freunde sind entsetzt von derartigen Zeichen der freiwilligen Unterwerfung, wie dieser Artikel über „Mehmet“….. Kein Wunder, dass kein Mensch mit einem gesunden Selbstwertgefühl zu so einem selbsthassenden und selbst verleugnenden deutschen Volk gehören will.
Frau Ambs hat scheinbar ihr Mitgefühl zu einem Intensiv-Kriminellen über ihren eigenen Menschenverstand siegen lassen. Kann ja mal vorkommen….Aber bitte nicht zu oft!
Ich wollte eigentlich nichts zu dieser Buchbesprechung schreiben obwohl mein Adrenalin ganz anderer Meinung war und sich nun doch noch durchgesetzt hat.
Schon der Titel des Buches spricht für Bände. Bedeutungsschwanger kommt es daher: ,Sie nannten mich Mehmet‘ (nach „Sie nannten in Django“). ,Geschichte eines Ghettokindes‘ lautet der überaus passende schwülstige Untertitel. Dann noch ein süßes(?) Jugendbild dieses berüchtigten Schlägers. Mehr Klischees auf kürzerem Raum geht fast nicht. Man könnte fast meinen, es mit einem unschuldig Verfolgten zu tun zu haben. Dieser Bursche hat in seiner Umgebung Angst und Schrecken verbreitet, das geht in dieser Besprechung völlig unter. Schon die Selbstinszenierung auf dem Titel reicht völlig aus, um zu sehen, dass sich da einer nicht im geringsten geändert hat. Es scheint hier vorrangig um das Abgreifen der Kohle von Leuten zu geben, die auch nach dem hundertsten Mal dem Täter das Händchen halten und überzeugt sind, dass dieser nur provoziert worden ist.
Frau Ams, Ihr Anliegen ehrt Sie, doch Sie richten Ihr Wohlwollen an eine völlig falsche Adresse. Muhlis Ari soll in seinem jetzigen Lebensumfeld die Chancen ergreifen und dort(!) beweisen, dass er sich geändert hat. Es gibt hier genügend Andere, die wenig Chancen haben, nie im Rampenlicht standen und jegliche Form von Hilfe ungleich mehr verdient haben.
Ich will Sie nicht belehren, doch wenn Sie sich mit einem Fall beschäftigen wollen, deren Hauptperson – ganz im Gegensatz zu M.A. – nicht die geringste Chance einer Korrektur hatte, dann empfehle ich Ihnen ein Buch des Journalisten Paul Moor: Jürgen Bartsch. Nach der Lektüre dieses Werkes werden Sie verstehen, warum ich diesen Beitrag doch noch geschrieben habe.
Ich habe neulich ein Interview mit ihm im gesehen. Und ich muß leider sagen, dass der inzwischen junge Mann immer noch das kleine verzogene Gör ist, der glaubt das Regeln nur für andere gemacht sind, dass sich absichtlich als Opfer verkauft.
Er versuchte sich selbst heute noch aus der Verantwortung für seine Taten zu stehlen, erklärte sie zu größtenteils „Mißverständnissen“. Selbst die Tatsache, daß seine eigenen Eltern solche Angst vor ihm hatten, dass sie die Polizei rufen mußten, war für ihn „nich so wild“.
Schade, Frau Ambs…ihr Mitgefühl ist völlig fehl am Platz. Sie sind nur ein weiteres Mittel zum Zweck, sie haben sich von Muhlis Aris mißbrauchen lassen.
Seien sie das nächste Mal schlauer!