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Ein tragisch-glimpfliches Überlebensschicksal

Ein jüdisches Leben von Konstanz durch das KZ Dachau, das französische Internierungslager Gurs, das Schweizer Asyl und die USA nach Kreuzlingen, 1908-1989…

Hugo Schriesheimer wurde 1908 als einziges Kind von Max und Rosa Schriesheimer in Konstanz geboren. Eingebettet in einen großen Freundeskreis, genoss der junge Hugo Schriesheimer die Schönheiten der Bodenseelandschaft. Nach der erfolgreich abgeschlossenen Ingenieursprüfung bereitete er sich sorgsam auf eine Laufbahn als „Reisender und Ingenieur“ vor.

Der Eisenwarenladen des Vaters wurde 1938 arisiert, d.h., er ging in die Hände eines nichtjüdischen Besitzers über. In diesem Jahr erfolgte auch die Sperrung der Grenze für Juden. So zerschlug sich die Hoffnung von Vater und Sohn Schriesheimer auf eine Fortführung ihres Geschäfts jenseits der Grenze in Kreuzlingen.

Im November 1938 erlebten die Konstanzer Juden die Zerstörung ihrer Synagoge. Hugo Schriesheimer wurde zusammen mit anderen männlichen Gemeindemitgliedern in „Schutzhaft“ genommen und in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Anfang 1940 erfolgte die Umsiedelung in „Judenhäuser“. Am 22. Oktober 1940 veranlasste Gauleiter Wagner die Deportation der Juden aus Baden und der Pfalz in das französische Internierungslager Gurs. In diesem „Wartezimmer von Auschwitz“ vegetierten über 5000 Menschen unter den primitivsten Bedingungen dahin. Wegen Unterernährung und Epidemien kamen in Gurs rund 3000 Menschen um.

Hugo Schriesheimer hat sich diesen Aufenthalt sorgsam bescheinigen lassen. Seine Eltern starben in Südfrankreich. Max Schriesheimer, der Vater, der bereits in Konstanz wegen eines Schlaganfalls bettlägrig geworden war, starb am 27. November 1943. die Mutter Rosa, geborene Dukas, folgte ihm am 17. Januar 1944. Der Sohn wurde 1942 von seinen Eltern getrennt. Er war als „Travailleur étranger“ nach Perpignan verlegt worden, wo ihn ein Krankenhausaufenthalt infolge einer Blutvergiftung vor der Deportation nach Auschwitz rettete. Von Perpignan aus gelang ihm die Flucht über die Schweizer Grenze.

Von Oktober 1942 bis 1947 lebte Hugo Schriesheimer als „schriftenloser Ausländer“ in der Schweiz, zunächst in einem Auffanglager, später in den Lagern Hasenberg bei Widen und in Bonstetten. Später arbeitete er als Küchenbursche im Restaurant Sihlporte in Zürich und in der Maschinenfabrik Oerlikon. Nach Kriegsende drängten die Behörden den Flüchtling dazu, das Land zu verlassen. Ende 1947 erfolgte die Ausreise in die USA.

Hugo Schriesheimer ließ sich zunächst in Rochester nieder, wo er seine spätere Frau Eva Mendelsohn kennenlernte. Das Paar zog nach den Heirat nach New York um und lebte in Forest Hills im Stadtteil Queens. In New York feierten alljährlich an die 100 Heimwehgeplagte ihren „Konstanzer Tag“. Als der Historiker Erich Bloch in den 1960er Jahren mit den Recherchen für seine „Geschichte der Juden in Konstanz“ begann, bat er auch Hugo Schriesheimer um einen Erinnerungsbericht.

Ausgestattet mit einem amerikanischen Pass kehrte Hugo Schriesheimer, 1971 in die Heimat am Bodensee zurück – eine vorsichtige Heimkehr, sozusagen, denn er ließ sich in Kreuzlingen nieder, der Schweizer Grenzstadt, die aus der Vogelperspektive zusammen mit Konstanz eine zusammenhängende Stadt bildet.

Von 1971 bis 1989 lebten die Schriesheimers in Kreuzlingen, wo Hugo Schriesheimer ein geachtetes Mitglied der Israelitischen Gemeinde war. Bereitwillig folgte er Einladungen nach Konstanz, wenn es darum ging, einem Nachkriegspublikum vom Schicksal der Konstanzer Juden in der Deportation in Gurs zu berichten. Das „Ende der badischen Juden“ hat er zeitlebens betrauert. Hugo Schriesheimer und seine Frau haben auf dem schönen Friedhof der israelitschen Gemeinde in Kreuzlingen-Bernrain ihre letzte Ruhestatt gefunden. In Konstanz erinnern drei Stolpersteine am Bodanplatz und die Stele in der Sigismundstraße an Max, Rosa und Hugo Schriesheimer.

Sorgsam hat Hugo Schriesheimer Dokumente, Fotos und Briefe, die die vielen Stationen seines Lebenswegs dokumentieren, aufbewahrt – nicht zuletzt deshalb, weil manche davon wohl ein Stück der verlorenen Konstanzer Heimat repräsentierten. Wenn man diesen Nachlass heute sichtet, schält sich ein tragisch-glimpfliches Überlebensschicksal heraus.

Marie-Elisabeth Rehn, Hugo Schriesheimer. Ein jüdisches Leben von Konstanz durch das KZ Dachau, das französische Internierungslager Gurs, das Schweizer Asyl und die USA nach Kreuzlingen. 1908-1989, Hartung-Gorre Verlag 2011, Euro 18,00, Bestellen?

Der Herausgeber: Erhard Roy Wiehn ist Soziologe und emeritierter Professor im Fachbereich Geschichte und Soziologie der Universität Konstanz. Seine Reihe „Schoáh und Judaika“ umfasst mittlerweile über 200 Titel.

Die Autorin: Marie-Elisabeth Rehn ist Volkskundlerin und fühlt sich seit über 30 Jahren in Konstanz zu Hause, obwohl sie aus Dithmarschen stammt.

Weitere Informationen und Bilder: http://ueberlebensschicksale.jimdo.com/

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