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Eine jüdische Stadt in Frankfurt

Die neue Studie von Jim G. Tobias über den Frankfurter Ortsteil Zeilsheim, wo zwischen 1945 und 1948 ein DP-Camp für Überlebende der Schoa eingerichtet war, stellt die erstaunliche Renaissance des osteuropäischen Judentums inmitten dem Land der Täter vor…

Zwischen August 1945 und November 1948 bestand das Displaced Persons-Camp Zeilsheim in Frankfurt a.M., eines jener Lager, in denen die Alliierten die Überlebenden der Schoa aus den Arbeits- und Konzentrationslagern unterbrachten. Obwohl Zeilsheim eines der größeren und bedeutenden DP-Camps war, gab es bisher keine umfassende Forschung und Dokumentation dazu. Jim G. Tobias hat diese Lücke mit dem vorliegenden Band geschlossen. Er sichtete dazu nicht nur die regionalen Quellen, wie Gemeindeakten und Zeitungsartikel, sondern, und das ist der große Verdienst der Arbeit, wertete das umfangreiche Quellenmaterial der jüdischen Selbstverwaltung aus, insbesondere der jiddischen DP-Presse und der jüdischen Hilfsorganisationen, die im Lager tätig waren.

So entsteht ein lebendiges Bild vom Leben der durchschnittlich 3000 im Lager ansässigen Juden, Männer, Frauen und Kindern. Im Camp kam es zu einer Wiedergeburt des osteuropäischen Judentums, aber auch das kulturelle Leben blühte. Zeilsheim hatte nicht nur eine Synagoge und eine Jeschiwa, sondern auch verschiedene allgemeine Schulen, einen Kindergarten, eine Bibliothek, zwei Sportvereine, ein Theater und ein Orchester. Schon wenige Monate nach Einrichtung des Lagers erschien die jiddische Zeitung „Undzer Mut“, die allerdings nach Kurzem von der Zeitung „Unterwegs“ abgelöst wurde.

Die kulturellen Aktivitäten, aber auch der Drang nach Lesen und Lernen belegen eindringlich den Prozess der emotionalen Rehabilitation der Überlebenden der Schoa. Die Bewohner der DP-Camps sahen ihren Aufenthalt dort „als Fortsetzung ihres Überlebenskampfes in den Lagern und Ghettos während des Krieges“, wie Tobias erklärt. Das Weiterleben im Land der Täter war dabei von Beginn an nur eine zeitlich begrenzte Übergangslösung. Eine Zukunft war den allermeisten hier nicht denkbar, sondern nur in einem eigenen Staat, der zu dieser Zeit noch nicht existierte.

Eine beiliegende DVD enthält vier Interviews mit Zeitzeugen, die in Zeilsheim gelebt haben: Rosa Orlean, Arno Lustiger, Batia Kaminer und Rafael Zur. Sie gehörten zu jenen, die auch nach der Auflösung des Camps aus verschiedenen Umständen und Gründen in Deutschland blieben, oder dorthin zurückkehrten, auch wenn sie ursprünglich so schnell wie möglich auswandern wollten, und damit die Basis für neues jüdisches Leben in Deutschland legten. Historiker Arno Lustiger betont, wie viel Erstaunliches in diesen drei Jahren des DP-Camps geleistet wurde, um die „verlorene Zeit des Krieges zu überwinden“. Und Batia Kaminer fasst das Lebensgefühl für sie als junge Frau zusammen: „jung zu sein, frei zu sein und die Sonne sehen und essen“. Die Berichte lassen das Leben im DP-Camp, die Widrigkeiten des Alltags, die Hoffnung der Bewohner auf einen jüdischen Staat, ihr Ausgehungertsein nach Kultur nachvollziehen.

Tobias schreibt kurzweilig und detailliert, ohne dass das Buch zu Fakten überladen ist. Wer über die Geschichte der DP-Camps im Nachkriegsdeutschland lesen will, wird mit diesem Buch und seiner Begleit-DVD auch Allgemeines erfahren, das nicht nur für Zeilsheim relevant ist. Alles in allem ein sehr lesenswerter Band über ein noch immer viel zu wenig bekanntes Kapitel jüdischen Lebens in Deutschland. – al

Jim G. Tobias, Zeilsheim. Eine jüdische Stadt in Frankfurt, Antogo Verlag 2011, 141 S., 29 Abb. schw.-w., incl. 1 DVD, Euro 16,50, Bestellen?
Inhaltsverzeichnis und Vorwort

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