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Krieg um Israel

Der trotzkistische Verlag VSA ist über seinen eigenen Schatten gesprungen als er anlässlich des 95. Geburtstages von Theodor Bergmann dessen 86seitige Broschüre “Der 100-jährige Krieg um Israel” publizierte. Der Autor weicht von dort gewohnten antiisraelischen und antizionistischen Positionen ab, freilich nicht ohne den üblichen Kotau – der seiner Meinung nach richtigen marxistischen Theorie – zu erweisen: “Die Arbeiterbewegung war vor Auschwitz zu schwach, um ihre zukunftweisende Lösung“ den sozialistischen Internationalismus „durchzusetzen“…

Eine Rezension von Karl Pfeifer

Die jüdischen Antizionisten haben damals mit den gleichen Phrasen des „proletarischen Internationalismus“ den Zionismus bekämpft und so die Zahl der Opfer der Schoa vergrößert. Bergmann bringt ja auch ein diesbezügliches Zitat von I. Deutscher, der seine antizionistische Agitation in einem lichten Augenblick bereute.

Bergmann zitiert auch den “englischen Sozialisten Michael Foot”, der Winston Churchills Lob auf Mussolini 1927 beanstandete. Was er natürlich nicht erwähnt war die Tatsache, dass Michael Foot den englischen Faschistenführer Oswald Mosley in einem Londoner Restaurant 1977 so begrüßte “A pleasure to see you over here, Sir Oswald”. Foot hat Churchill nicht verziehen, 1927 Mussolini gelobt zu haben, freilich war er 50 Jahre danach versöhnlicher, denn Mosley war sein Genosse in der Labourpartei bevor er Faschist wurde.

Bergmann entschuldigt auch Rosa Luxemburg, die 1917 ihrer Freundin schrieb “Was willst Du mit den speziellen Judenschmerzen…” und fragt demagogisch, ob man denn aus diesem Brief Judenfeindlichkeit herauslesen kann. Natürlich kann man das nicht, es sprach aus ihr nur der Selbsthass, den wir heute bei gewissen jüdischen Antizionisten auch merken. Die Schmerzen des eigenen Volkes interessieren sie nicht, sie wollen ja „nur“ ein Licht für alle Völker sein.

Er geht hart ins Gericht mit dem israelischen Historiker Benny Morris, dem er vorwirft seine frühere politische Haltung geändert zu haben. Er unterstellt Morris etwas, was in keinem seiner Bücher zu finden ist, nämlich „dass die Führer der jüdischen Gemeinschaft, des Jishuv, die Vertreibung der Palästinenser aus dem anvisierten Staatsgebiet 1947/48 geplant hätten.“ Ich habe die Bücher von Benny Morris gelesen und keinen solchen Hinweis gefunden.

Allerdings kritisiert er auch den Politikwissenschaftler Ilan Pappe (Universität Exeter) und stellt dann die Fakten der angeblichen ethnischen Säuberung richtig.

Theodor Bergmann wendet einige Male, die bei vielen Kommunisten zu beobachtende demagogische Methode an, etwas zu dementieren, was kein Mensch behauptet hat. So, zum Beispiel dass der Antisemitismus in der DDR dem Antisemitismus des „3. Reiches“ gleichgesetzt wäre.

Bergmann ist Mitglied der deutschen Partei der Linken und wirft tatsächlich Gregor Gysi vor, nicht in die Mottenkiste des alten abgestandenen Parteichinesisch gegriffen zu haben.

Wenn man bedenkt, dass zwei Abgeordnete der Linken sitzen blieben, als nach der Rede von S.Peres am Holocaustgedenktag 2010 alle Abgeordneten des Bundestages aufstanden und dafür auch von der NPD Lob einheimsten, dann können wir ahnen, von welchen Emotionen diese Abgeordneten getrieben sind.

Aber Bergmann sieht richtig „die Befürworter eines ‚gemeinsamen demokratischen und säkularen Staates’ in eine äußerst fragwürdige Nähe und Wahlverwandtschaft mit dem konterrevolutionären, antikommunistischen, theokratische Regime in Iran und mit der Hamas“.

Er widerspricht auch mit Fakten den Antizionisten, die gedankenlos und unwissend das Mantra vom Kolonialismus und Apartheid herunterleiern. Dafür gebührt ihm Dank.

Theodor Bergmann: Der 100-jährige Krieg um Israel. Eine internationalistische Position zum Nahostkonflikt, VSA Verlag Hamburg, 2011, Bestellen?

2 comments to Krieg um Israel

  • me

    Rosa Luxemburg Selbsthass zu unterstellen halte ich für Unsinn, aber einiges an Naivität kann ihr hier nicht abgesprochen werden. Ausserdem zeigt sie sich hier ignorant gegenüber dem damals schon grassierenden Antisemitismus.
    Viele KommunistInnen rechneten damals mit der baldigen Weltrevolution und mit dieser wäre hoffentlich auch der Antisemitismus marginalisiert, so jedenfalls Luxemburgs Auffassung. Und die halte ich für ziemlich plausibel. In diesem Fall bräuchte man Israel genausowenig wie alle anderen Staaten. Die Geschichte ist allerdings wie wir wissen in die entgegensetzte Richtung verlaufen.
    Jedenfalls kann man niemandem vorwerfen den Holocaust  nicht schon damals, 1919 vorausgeahnt zu haben und sojemanden dann auch noch in eine Reihe mit Leuten wie Avneri und anderen „Israelkritikern“ stellen. Das ist eine krasse Verharmlosung dieser Leute, denn die könnten es besser wissen wenn sie wollten. Aus heutiger Sicht muss man natürlch dem Zionismus gegen Luxemburg u.a. recht geben.

  • Karl Pfeifer

    @Me danke für Ihr Posting. Können Sie sich vorstellen, dass Lenin auf einen Brief, über die Schmerzen der Russen so geantwortet hätte: „Was willst Du mit den speziellen Russenschmerzen?“ Da ich in meiner Jugend einiges von Lenin las, kann ich mir das nicht vorstellen.
    Natürlich habe ich der 1919 ermordeten R.L. nicht vorgeworfen, den Holocaust nicht vorausgesehen zu haben. Doch denke ich, dass sie wie leider viele andere jüdische Linke ihr Jüdischsein als Belastung empfand, und da kommt oft genug der Selbsthass ins Spiel.
    Was ich diesen „Weltrevolutionären“ vorwarf, ist ihre Abgehobenheit von der Realität. Diejenigen, die ihnen auf den Leim gingen und an die Solidarität der Proletarier glaubten, mussten bald erkennen, dass aus den allermeisten Proletariern Arier wurden. Ehre denen die nicht diesen Weg gingen.
    Tatsächlich ist die UdSSR und heute Venezuela der beste Beweis dafür, dass Sozialismus sich bestens mit Antisemitismus vereinbaren lässt. Das muss natürlich nicht immer der Fall sein. Kuba ist ein Gegenbeispiel, wenn man den Berichten glauben kann.