Stadtarchiv legt Buch zur Geschichte der Displaced Persons (DP) Community Regensburg vor…
„Das Stadtarchiv Regensburg lässt sich die Erforschung der jüdischen Geschichte Regensburg seit Jahren, man kann sagen, seit Jahrzehnten angelegen sein“, schreibt Archivleiter Heinrich Wanderwitz etwas antiquiert im Vorwort der Studie „Juden auf der Durchreise“, einem Buch über die Jewish Community Regensburg. Diese von 1945 bis 1950 nachweisbare Gemeinschaft auf Zeit, bestand aus Menschen, die nach dem Krieg vor antisemitischen Gewalttaten in Osteuropa in die Sicherheit der US-amerikanischen Besatzungszone geflüchtet waren. In Regensburg und vielen anderen deutschen Städten warteten sie auf die Weiterreise nach Israel oder Übersee. Nachdem die meisten Juden Regensburg verlassen und außerhalb Europas eine neue Heimat gefunden hatten, zerfiel die Jewish Community bis zum Ende der 1940er Jahre zunehmend. Die wenigen in der Stadt Verbleibenden vereinigten sich am 1. August 1950 mit der Israelitischen Kultusgemeinde zur Jüdischen Gemeinde Regensburg.
Am 16. Mai 1948 feierten die Mitglieder der Jewish Community Regensburg die Gründung des Staates Israel. Ansprachen hielten (v. l. n. r.): Morris Fishman (Joint), IRO-Distriktsdirektor Blackmore und Joseph Wechsler (Jewish Agency), Foto: Stadtarchiv Regensburg (aus dem besprochenen Band)
Eigentlich sollte der Band „Juden auf der Durchreise“ pünktlich zum 60. Jahrestag dieser Neugründung vorliegen; doch erinnerte sich das Stadtarchiv offenkundig erst kurzfristig vor diesem runden Geburtstag an dieses geschichtsträchtige Datum. Bei der Lektüre wird dem Leser nämlich schnell klar, dass der Autor der mit knapp einem halben Jahr Verspätung vorgelegten Studie, Roman Smolorz, unter großem Zeitdruck stand.
Obwohl die Quellenlage über die Jewish Community hervorragend ist, existiert bislang keine wissenschaftlich fundierte Arbeit über die Gemeinde der jüdischen Displaced Persons in Regensburg. Unzählige Artikel über das Alltagsleben finden sich in der jiddischsprachigen DP-Zeitung „Der Najer Moment“. Die im Jüdischen Komitee zusammengeschlossenen weit über tausend Gemeindemitglieder verfügten beispielsweise mit Bar Kochba Regensburg über einen Fußballverein, der in der ersten Divison der jüdischen Fußball-Liga erfolgreich spielte, wie in der „Jidiszen Sport Cajtung“ nachzulesen ist. An der eigenen Volksschule unterrichteten fünf Lehrer rund 50 Kinder in Mathematik, Hebräisch, Englisch, Palästinakunde, Naturwissenschaften und Religion. Über 100 Jugendliche und Erwachsene konnten an der jüdischen ORT Berufsschule handwerkliche Kurse besuchen. Die vom orthodox-religiösen Vaad Hatzala betriebene Koschere Küche versorgte täglich 300 Juden mit Mahlzeiten gemäß den Speisevorschriften. Um ihre Bücher zu vertreiben, gründeten die beiden Regensburger Schriftsteller Mendel Mann und Jecheskl Kejtlman sogar einen eigenen Verlag in der Stadt. Obendrein gaben sie die jiddische Kulturzeitschrift „Welt-Szpigel“ heraus.
Diese und weitere Fakten sind detailliert den Unterlagen der jüdischen Selbstverwaltung oder der DP-Presse zu entnehmen; auch die umfangreiche Korrespondenz, Berichte und Statistiken der UN-Flüchtlingsbehörde UNRRA sowie der amerikanisch-jüdischen Hilfsorganisation Joint (die in Regensburg ein eigenes Büro unterhielten), geben genaueste Auskunft über die Jüdische DP-Gemeinde Regensburg. Einen Hinweis auf diese Bestände sucht man im Quellenverzeichnis jedoch vergeblich. Nach Auskunft des Verfassers der Studie konnte er diese wichtigen Archivalien nicht einsehen, da sich die Original-Dokumente im Joint-Archiv und im YIVO-Institut in New York befinden. Aus Zeit- und Kostengründen sah das Stadtarchiv, der Auftraggeber der Studie, eine Konsultation dieser Bestände nicht vor. Offensichtlich scheint es in Regensburg nicht bekannt zu sein, dass sich viele Unterlagen sowie die jiddische DP Presse auf Mikrofilm am Zentrum für Antisemitismusforschung in Berlin befinden. Kopien der Zeitung „Der Najer Moment“ sind sogar in der Staatlichen Bibliothek Regensburg einzusehen.
Gleichwohl hat sich der Autor und Archivmitarbeiter Roman Smolorz ehrlich bemüht, die Geschichte der jüdischen Nachkriegsgemeinde dem Vergessen zu entreißen. Akribisch forschte er im Stadtarchiv oder Staatsarchiv sowie im Institut für Zeitgeschichte und verfolgte alle Spuren, die sich finden ließen. Dabei stieß er auf so manche bislang unbekannte und interessante Aspekte.
Für Ilse Danziger vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde ist es ein „wichtiger Baustein in der traditionellen langen Geschichte der Juden in Regensburg, die bis ins 10. Jahrhundert zurückreicht“, wie sie der örtlichen Presse gegenüber erklärte. War die Jewish DP-Community doch eine Keimzelle der heutigen Kultusgemeinde.
Mit der Veröffentlichung der Studie „Juden auf der Durchreise“ will das Stadtarchiv „Mosaiksteine zur Geschichte der traditionsreichen Regensburger Judengemeinden“ präsentieren. Mehr ist auch nicht gelungen: Das ist ärgerlich, da reichhaltige und aussagekräftige Quellen vorhanden sind. – jgt
Roman P. Smolorz: „Juden auf der Durchreise. Die Regensburger Jewish Community 1945-1950“, Regensburger Studien 16, hrsg. von der Stadt Regensburg/Stadtarchiv, 133 S., 24 Euro
–> Regensburg zwischen Stolz und Ressentiment – Antisemitismus und Welterbe
Nicht nur für „die Gemeinde der jüdischen Displaced Persons“ ist die Quellenlage hervorragend, sondern auch für die mittelalterliche Gemeinde. Für beide existiert bislang keine wissenschaftlich fundierte Arbeit, der hauptsächliche Forschungsstand für die letztere ist mit Raphael Straus (1932) auf die Zeit vor der Shoa zu datieren!
Dies ist bedauerlich und grotesk, zumal der Leiter des Stadtarchivs Heinrich Wanderwitz von sich behauptet, erlasse „sich die Erforschung der jüdischen Gemeinde seit Jahren, man kann sagen, seit Jahrzehnten angelegen sein“.
Tatsächlich aber zieht sich das antisemitische Ressentiment wie ein roter Faden durch das Vierteljahrhundert seiner Zeit als Archivar.
Siehe hierzu auch den folgenden Bericht:
http://www.regensburg-digital.de/altdorfer-tagung-von-der-kunst-des-aussitzens/13022011/
„Tatsächlich aber zieht sich das antisemitische Ressentiment wie ein roter Faden durch das Vierteljahrhundert seiner Zeit als Archivar.“
Wen wunderts! Bayern ist die Brutstätte und Wiege des NS gewesen und Bayern ist auch heute noch das Bundesland mit den meisten NS-Verharmlosern und den zahlreichsten Antisemiten.
Wohl nirgends dürfte gleichzeitig das Desinteresse an einer ehrlichen Aufarbeitung der eigenen (über eintausendjährigen) Geschichte (der Intoleranz) so groß sein, wie im Lande des „süffigen Bieres“, des 1. FC und der Autos mit dem weißblauen Propellerkreislogo.
Denn es gibt kaum eine eingesessene, bayerische Familie, in der nicht da Bappa, da Oppa, oder da Onkl, oder sogar d’Ooma Täter oder Täterin war. Und der in Bayern (im Vergleich zum Bundesdurchschnitt) immer noch extrem weit verbreitete Katholizismus mit seiner ‚Kultur‘ des Heuchelns und Verschweigens, Unterdrückens und Vertuschens verschlimmert diese unheilige Situation zusätzlich.
Ein wahrhaft schwer wiegendes Erbe, das die Bayern ganz alleine, ohne Hinführung, ohne Hilfestellung, kaum je werden bewältigen können.
Also lasset uns (Historiker, Politologen. Soziologen…) ihnen diese Unterstützung zukommen!
… Vorurteile gegen Juden. Besonders hoch ist dabei der Anteil in Bayern.
http://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Antisemitismus-ist-in-Bayern-besonders-hoch-id4617951.html
http://www.migrantenkind.net/studie-in-bayern-rassismus-und-antisemitismus-am-grosten.html