Kategorien / Themen

Werbung

Antisemitismus: unerhellter Trieb

Samuel Salzborn sucht nach einer sozialwissenschaftlichen Theorie des Antisemitismus in modernen Gesellschaften…

Von Martin Jander

Nach der fast vollständigen Vernichtung der europäischen Juden haben Politik und Öffentlichkeit, und mit ihnen die Sozialwissenschaften, lange geglaubt, es gäbe Antisemitismus in Europa nicht mehr. Nach der großen Welle antizionistisch-antisemitischer Schauprozesse in Osteuropa zu Beginn der 50er Jahre, schien der deutsche und europäische Antisemitismus wie vom Erdboden verschluckt. An dieser (Nicht-) Wahrnehmung hat auch die parallel zum 6-Tage-Krieg 1967 in West- und Osteuropa aufflackernde „linke“ Judenfeindschaft nicht wirklich etwas geändert. Nach dem Ende des Kalten Krieges, der Wiederkehr der Nationalismen und dem Erfolg links- und rechtspopulistischer Parteien und Bewegungen sieht das Bild jedoch heute radikal anders aus. Antisemitismus ist unverkennbar wieder sichtbar. Politik und Sozialwissenschaften haben deshalb begonnen, sich dem Thema erneut zuzuwenden.

Da kommt das neue Buch von Samuel Salzborn, Politikwissenschaftler an der Universität Gießen, gerade recht. Er versucht nicht, dem politischen und wissenschaftlichen Streit nachzugehen, welches Gesicht Antisemitismus heute in Europa hat. Er versucht einen Beitrag zur Theorie des Antisemitismus zu leisten. Wie, so könnte man die Fragestellung Salzborns formulieren, ist der Antisemitismus systematisch in den modernen Gesellschaften verankert, woher bezieht er seine Dynamik?

Salzborn beantwortet diese Frage in seinem als Habilitationsschrift entstandenen Buch in drei Schritten. Im ersten und umfangreichsten Teil seines Buches geht er der Frage nach, ob und wie sich die verschiedenen politikwissenschaftlichen, psychologischen und soziologischen Ansätze zu einer Theorie des Antisemitismus in der modernen Gesellschaft ergänzen. Er diskutiert die Annahmen von Sigmund Freud, Talcott Parsons, Jean-Paul Sartre, Ernst Simmel, Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Hannah Arendt, Béla Grunberger, Shulamit Volkov, Moishe Postone, Zygmund Baumann, Wolfgang Wippermann, Franz Leopold Neumann und Klaus Holz.

In einem zweiten Teil untersucht der Autor die Frage, ob die verschiedenen Theorien über den Antisemitismus das Erscheinungsbild des antijüdischen Hasses und der Gewalt in der gegenwärtigen Bundesrepublik Deutschland wirklich fassen können. Im dritten Teil der Arbeit entwickelt der Politikwissenschaftler eine integrierte Theorie des Antisemitismus in der modernen Gesellschaft und stellt ungeklärte Forschungsfragen vor.

Elemente einer Theorie des Antisemitismus

Die Sozialwissenschaft – wie auch der politische Diskurs – stehen beim Thema Antisemitismus dabei prinzipiell vor einer schwierigen Aufgabe. Jeder Versuch, so Salzborn, „Antisemitismus durchsichtig und verstehbar zu machen, balanciert auf dem schmalen Grat, in Verständlichmachung abzugleiten und sich damit ins Gegenteil zu verkehren, in dem er Erklärungen für etwas zu liefern suggeriert, das letztlich in der Dialektik von Individuum und Gesellschaft unerklärlich bleiben muss.“ (Salzborn 2010, S. 29) Alle Erklärungsversuche sollten deshalb „nicht als ontologische Weisheiten, sondern als relative Versuche markiert werden, die rationalen wie die irrationalen, die kognitiven wie die emotionalen Aspekte des Antisemitismus verstehbar zu machen, ohne dass sie dabei letztlich von einem vernunftorientierten Standpunkt im Sinne Max Horkheimers (1947) aus auch verständlich würden.“ (Salzborn 2010, S. 29)

Mit diesen Formulierungen hat Samuel Salzborn bereits den Bezugspunkt seines eigenen Erklärungsversuchs markiert. Er diskutiert in seiner Arbeit vor allem, ob und wie die Theorien von Sigmund Freud, Talcott Parsons und anderen, die von Max Horkheimer und Theodor Adorno in ihren Arbeiten gegebene Analyse erweitern und/oder ergänzen. Er stellt am Ende seinen eigenen Entwurf einer modernen sozialwissenschaftlichen Theorie des Antisemitismus vor, der wird hier in seinen verschiedenen Elementen referiert.

Gesellschaftliche Strukturen

Ausgehend von Horkheimer und Adorno konstatiert Salzborn, dass Antisemitismus in der modernen Gesellschaft Aufklärung zur Voraussetzung hat, gleichzeitig stellt sie jedoch auch seine Begrenzung dar. Erst mit der Aufklärung wird eine Voraussetzung für die naturwissenschaftliche Emanzipation und damit eine wesentliche Möglichkeit der Barbarei geschaffen. Gleichzeitig beinhaltet die Aufklärung jedoch auch das Potential der Selbstreflexion und der kritischen Aufhebung der Unmündigkeit des Menschen. Den Kern des Antisemitismus fassen Horkheimer und Adorno psychologisch als „unerhellten Trieb“, als „Wunsch nach Identität der psychischen Instanzen“ (Salzborn 2010, S. 318), der jedoch angesichts der Triebbeschränkungen in der modernen Gesellschaft unerfüllt bleiben müsse.

Der moderne Antisemitismus nimmt dabei, so formuliert Salzborn unter Rekurs auf Freud, Bilder des christlichen Antijudaismus auf, die Abwehr des jüdischen Monotheismus, der „dem Menschen die Illusion nahm, Gott sein zu können.“ (Salzborn, 2010, S. 319). Er hat jedoch mit den wirklichen Juden, ihrem Glauben und ihrem Leben nichts zu tun, er wählt sie sich lediglich als Projektionsfläche und Feind. Antisemitismus kann deshalb auch „nur durch eine Analyse der Antisemit(inn)en dechiffriert werden – und nicht durch eine des Judentums oder der jüdischen Geschichte.“ (Salzborn 2010, S. 319)

Parsons, Sarte und Arendt aufnehmend formuliert Salzborn, dass die Projektionsfläche des modernen Antisemitismus im 20. Jahrhundert zunehmend instrumentell und willkürlich werde, ihr liege ein zunehmendes Desinteresse und eine Empathielosigkeit gegenüber anderen in der modernen Gesellschaft zu Grunde. Die Gerüchte über „die Juden“ werden zunehmend austauschbar. In den antisemitischen Phantasien könne prinzipiell jeder die Funktion eines Juden einnehmen, was jedoch an der historischen Tatsache nichts ändere, „dass sich der Antisemitismus immer und mit barbarischer Brutalität gegen Jüdinnen und Juden gerichtet hat und richtet.“ (Salzborn 2010, S. 319)

In Anlehnung an Arendt konstatiert der Autor, dass Antisemitismus im 20. Jahrhundert eine „Abstraktionsleistung vollzieht: weg von realen Jüdinnen und Juden als Projektionsobjekte, hin zum fiktiven, völkisch fremd bestimmten „Juden“, der lediglich durch die Antisemit(inn)en definiert wird und für den es keine hypothetische Möglichkeit mehr gibt, sich dem antisemitischen Wahn zu entziehen.“ (Salzborn 2010, S. 319) Für Antisemiten sind nicht die historischen Tatsachen jüdischen Lebens und jüdischer Existenz von Bedeutung, sondern die Vorstellung, die sie sich von „den Juden“ machen.

In Anlehnung an Shulamit Volkov fasst Salzborn Antisemitismus als kulturellen Code. Juden werden von Antisemiten zum Symbol für das Abstrakte als solches gemacht. Angeblich sind sie gleichermaßen verantwortlich für Sozialismus, Liberalismus, Kapitalismus, Aufklärung, Urbanität, Mobilität und Intellektualität. Die Moderne selbst wird ihnen von Antisemiten zum Vorwurf gemacht.

Unter Rekurs auf Moishe Postone erläutert Salzborn den Unterschied von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus. Es handelt sich beim Antisemitismus nicht um ein Vorurteil unter vielen anderen. Juden wird nicht nur schlicht ein Anders-Sein zugeschrieben, sondern eine angeblich unfassbare, nicht wirklich benennbare, hinter allem stehende, wurzellose, unkontrollierte und abstrakte All-Macht angedichtet.

Systematisch verdichtet Salzborn unter Rekurs auf Sartre: „Die Ursache für die antisemitische Begeisterung ist Sartre folgend in einer Sehnsucht nach Abgeschlossenheit und einer Angst vor Veränderung zu sehen, wobei diese Angst mit einer Angst vor sich selbst wie vor der Wahrheit korrespondiert. Der Antisemit strebt nach Stillstand und will sich lediglich auf essentialistisch unterstellte Gegebenheiten verlassen, die als angeboren begriffen werden und negiert zugleich das Erworbene und das Soziale. Letztlich geht es im Antisemitismus um den kognitiv wie emotional artikulierten Wunsch nach Unfreiheit und Identität, verbunden mit der Angst vor Freiheit und Ambivalenz.“ (Salzborn 2010, S. 326)

Zur Geschichte des Antisemitismus fasst Salzborn unter Rekurs auf Wolfgang Wippermann zusammen: „Der antisemitische Wahn steigerte sich [im 20. Jahrhundert – d. Verf.] von einem nationalen Konzept der negativen Integration hin zur Vernichtung der als nicht-identisch phantasierten Menschen mit dem konkreten Ziel der Herstellung von völkischer Homogenität und der Vernichtung der abstrakten Möglichkeit von Nicht-Identität und Ambivalenz.“ (Salzborn 2010, S. 323) Nationalstaaten können dabei, so Salzborn unter Rekurs auf Franz Leopold Neumann, „zugleich die Basis für Antisemitismus und völkisches Denken“ bieten und „Garant für ihre Verhinderung“ (Salzborn 2010, S. 325) sein.

Individuelle Prädispositionen

Antisemiten agieren lediglich vordergründig rational intentionslos. Bereits Horkheimer und Adorno haben formuliert, dass „der Antisemitismus nicht nur den ökonomischen Nutzen im Blick hat, sondern dass es vielmehr um psychische Dispositionen geht.“ (Salzborn 2010, S. 327) Die psychische Gemeinsamkeit aller Antisemiten bestehe in einer ähnlichen Prädisponierung des psychischen Apparates von Es, Ich und Über-Ich. Das antisemitische Ich werde durch Projektionen strukturiert. Antisemiten schaffen sich eine Welt von Trugbildern.

Diese Regression des Ich erfasse jedoch auch das Über-Ich. Das „antisemitische Über-Ich hat lediglich die formale Macht, die das Individuum zu den Dressaten zwang, introjeziert – unabhängig von ihrem Inhalt. Da die Projektionen der Antisemit(inn)en unter dem Druck des prägenitalen Über-Ich zustande kommen, kann in den Anschuldigungen gegen die Juden auch ihr prägenitaler Ursprung erkannt und an ihrer Stereotypie ihr regressiv archaischer Charakter abgelesen werden.“ (Salzborn 2010, S. 328)

Salzborn resümiert: „Menschen mit antisemitischen Einstellungen haben die narzisstische Kränkung ihres Selbstwertgefühls nie zu korrigieren vermocht und sind damit am ödipalen Konflikt gescheitert. Mit der individuellen Kränkung korrespondiert die von Freud beschriebene kollektive Kränkung, die sich in der christlichen Eifersucht auf die religiöse Auserwähltheit des Judentums und der projektiven Phantasie einer „jüdischen Weltverschwörung“ ausdrückt.“ (Salzborn 2010, S. 329) Die eigenen Konflikte der antisemitischen Psyche werden nicht mehr ausgehalten, die Ambivalenz gegenüber den verdrängten Triebregungen des Es und der verinnerlichten Vater-Autorität des Über-Ich wird so unerträglich, dass sie nur noch durch Projektion aushaltbar scheint. Das Gerücht über die Juden dient der Abreaktion der eigenen, auf Juden projizierten, Zerstörungslust.

Der antisemitische Begriff vom Juden „ist“, so Salzborn, „als irrational anzusehen und kann insofern auch nicht durch konkrete Erfahrungen mit Juden verändert werden.“ (Salzborn 2010, S. 331) Der Antisemit ist der Auffassung, dass der jüdische Gott – und damit auch jeder Jude – der Teufel und der Antichrist sei, das Böse, das antigöttliche Prinzip, auf dessen Grundlage Gott ans Kreuz geschlagen worden sei.

Antisemitismus sei, so resümiert Salzborn die Forschungen zu den individuellen Prädispositionen von Antisemiten, „letztlich eine Art zu denken und […] zu fühlen. Antisemitismus ist zugleich Unfähigkeit wie Unwilligkeit, abstrakt zu denken und konkret zu fühlen; im Antisemitismus wird beides vertauscht, das Denken soll konkret, das Fühlen aber abstrakt sein. So bleiben alle Ambivalenzen der modernen Gesellschaft kognitiv nicht nur unverstanden und unreflektiert, sondern affektiv auch der emotionalen Bearbeitung vorenthalten, da Gefühle abstrahiert werden und damit die ambivalente Zerrissenheit des modernen Subjekts nicht ertragen wird.“ (Salzborn 2010, S. 334)

Antisemitismus als kultureller Code

Gesellschaftlich vollzieht sich der Prozess individueller und kollektiver Prädispositionen zu antijüdischem Hass und Gewalt als kulturelle Formierung. Der Antisemitismus wird damit zu einem Bündel von Ideen, Werten und Normen zu einer weit verbreiteten Kultur. Unter Verweis auf Shulamit Volkov formuliert Salzborn: „Volkov interpretiert diesen Sinnstiftungsprozess auf der semantischen Ebene unter einem symbolischen Gesichtspunkt als Formierung eines kulturellen Codes, als Etablierung einer sprachlichen Formel, die einerseits bestimmte Assoziationen und Kontexte abrufbar macht, andererseits wiederum selbst als kommunikative Chiffre fungiert, die die explizite Nennung der dem Antisemitismus eigenen Ressentiments als symbolische Kommunikation zur kulturellen Sinnstiftung erübrigt.“ (Salzborn 2010, S. 336)

Die Kommunikations- und Interaktionsstruktur antisemitischer Ressentiments im gesellschaftlichen Raum, erläutert Salzborn unter Rekurs auf Klaus Holz, sei dadurch geprägt, dass Juden als nicht-identisch wahrgenommen werden. Juden personifizieren in den antisemitischen Phantasien die Möglichkeit, dass die nationale Ordnung der Welt zusammenbrechen kann. In diesem Denkvorgang liegt eine Zuwendung zum ethnischen Konzept von Nation, zum völkischen Antisemitismus. Juden werden darin als nicht dazugehörig, nicht-identisch verortet. Durch die Abgabe „individueller Verantwortung wird der antisemitische Massenmensch zum egalitären Bestandteil der Masse, zu dem, was von Sartre unter dem Begriff der „Mittelmäßigkeit“ der an der Masse partizipierenden Individuen gefasst wurde: Individuum ohne Verantwortung, phantasiertes Kollektiv-Ich mit externalisiertem Über-Ich.“ (Salzborn 2010, S. 340)

Juden als Projektionsobjekte des Antisemitismus seien, so Salzborn unter Verweis auf Ernst Simmel, „das schlechte Gewissen der christlichen Zivilisation. Durch die Anklage eines anderen statt des Selbst wird jedes Schuldgefühl vermieden, was zur Abwehr der Erkenntnis eigener Schuld“ diene. (Salzborn 2010, S. 340) Hier verortet Salzborn ein wesentliches Defizit der theoretischen Durchdringung des Antisemitismus in den modernen Gesellschaften: „Allen diskutierten sozialwissenschaftlichen Antisemitismus-Theorien ist gemein, dass sie mit Bezugnahme auf das Christentum oder auf christlich geprägte Gesellschaften formuliert worden sind.“ (Salzborn 2010, S. 341) Damit falle der gegenwärtig überaus relevante islamische Antisemitismus aus der Betrachtung heraus. Die gegenwärtige Transformation des globalen Antisemitismus, der neben einer islamischen auch eine antiamerikanische Spielart auspräge, sei somit noch nicht wirklich hinreichend analysierbar.

Resümee

Samuel Salzborn liefert mit diesem Buch möglicherweise nicht die neue Theorie zum Thema Antisemitismus, er integriert jedoch die vorliegenden Analyseversuche und sucht selbst nach einem Weg, wie Antisemitismus als individuell psychisches und gleichzeitig gesellschaftlich-strukturelles Phänomen der modernen bürgerlichen, christlich geprägten Gesellschaften Europas untersucht und erkannt werden kann. Der große Gewinn für den Leser besteht zunächst vor allem darin, dass auf knappem Raum wesentliche Theorieanstrengungen zum Thema Antisemitismus für Forscher und Studierende verfügbar und diskutierbar werden.

Der Versuch der Integration der unterschiedlichen Analyseansätze ist möglicherweise gerade für das politische Milieu der Linken, Grünen und Sozialdemokraten in der Bundesrepublik entscheidend. Salzborn weitet den Blick über die marxistische Analyse der Gesellschaft hinaus. Intellektuell ist dies als ein entscheidender Schritt anzusehen, den eben dieses Milieu der Linken in Europa bis heute nur zögernd nachvollzieht und u. a. sich auch deshalb, trotz vieler Anrufe von Autoren wie Henryk Broder, Martin Kloke, Andrei Markovits, Thomas Haury, Anetta Kahane u. v. a. bis heute beharrlich einer nachhaltigen Kritik seiner antisemitischen Stereotype, seiner Feindschaft bis hin zur manifesten Gewalt gegenüber Juden und dem Staat Israel verweigert. Das Ausbleiben dieser nachhaltigen Selbstkritik, in deren Kontext sich Salzborn deutlich publizistisch betätigt, macht im krisengeschüttelten Europa heute viele Linke zu Bündnispartnern populistischer und antisemitischer Bewegungen. Salzborn setzt mit der Diskussion der verschiedenen Analyseansätze auf die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis.

Kritisch anzumerken bleibt hier vielleicht allenfalls, dass Samuel Salzborn die nationalrevolutionären und antiimperialistischen Weltbilder dieser Linken, aus denen sich heute ihre antiwestlichen, antisemitischen und antiglobalistischen Haltungen speisen, nicht explizit zum Gegenstand seiner Darstellung macht. Die Marxismen im Westen nach dem Holocaust und die marxistisch-leninistischen Diktaturen sowjetischen Typs sind leider nicht Gegenstand dieses Buches geworden. Aus irgendeinem, dem Rezensenten nicht wirklich verstehbaren Grund, sieht der Autor offenbar die Diktaturen sowjetischen Typs nicht als moderne Gesellschaften an, trotz aller lobenswerter Weiterung des linken Blickfeldes.

Samuel Salzborn: Antisemitismus als negative Leitidee der Moderne. Sozialwissenschaftliche Theorien im Vergleich, Frankfurt 2010, 378 S., 29.90 €, Bestellen?

20 comments to Antisemitismus: unerhellter Trieb

  • Jane

    ‚Jeder Versuch, so Salzborn, „Antisemitismus durchsichtig und verstehbar zu machen, balanciert auf dem schmalen Grat, in Verständlichmachung abzugleiten und sich damit ins Gegenteil zu verkehren, in dem er Erklärungen für etwas zu liefern suggeriert, das letztlich in der Dialektik von Individuum und Gesellschaft unerklärlich bleiben muss.“‘

    Da stellt sich der Frage, ob der Autor nicht unausgesprochen, möglicherweise motiviert wird, in Anlehnung an ein ebenso existierendes, philosemitisches Leitbild der Modernen, dem Klischee  des Juden als bessere, erfolgreicheren, klügeren Menschen, als natürlichem Partner der Eliten, dem Judentum als scheinbaren Gegenentwurf zum National-Sozialismus und Israel einem Staat, der sich der pragmatischen, banalen Kritik nicht zu stellen braucht, da ihm als scheinbarer logischer Schluss das Gute an und für sich zwingend Grundlage sein muss. einen Antisemitismus zu definieren versucht, der vor allem eines sein soll, ein undurchdringliches Mysterium, scheinbar wissenschaftlich fundiert und somit scheinbar bewiesen und daher nicht zu hinterfragen, aber dennoch letztendlich unverständlich, mysteriös, so dass hinter multipel deutbaren psychologischen Codes, wie prägenitale Phase, narzistische Kränkung etc. letztendlich ein Begriff übrig bleibt, der in seiner Unergründlichkeit eine ausgezeichnete Basis für ein neues irrationales Weltbild liefert, ein neues Glaubensmanifest, eine optimale Projektionsfläche für zahlreiche andere Inhalte,  die ‚böse Linke‘, die Israel-Kritik als angeblich irrationale Haltung  – nicht der ewige Jude – nein der ewige Antisemit
    Da stellt sich mir die Frage, ob nicht ‚der ewige Jude‘ genauso wie ‚der ewige Antisemit‘ nicht letztendlich Trugblider sind,  Codes, die vor allem eines bewirken reale, konkrete Missstände nicht zu hinterfragen, konkrete aktuelle Standortanalysen zu unterbinden, seien es gesellschaftliche Missstände, Missstände der israelischen Politik, Missstände zwischen verschiedenen Schichten und an statt konkreter Anschauung sich einzugliedern in ein ominöses, mysteriöses, angeblich unergründliches Glaubensmanifest, eine wirksame Matrix gegen allzuviel konkrete Realität.
    Mitunter mag die Wissenschaft nicht weniger unergründlich und in viele Richtungen deutbar sein, wie die religiösen Schriften, welche ja ebenfalls Deutungen in alle möglichen Richtungen erlauben und ganz bewusst ein letztes unergründliches Mysterium umkreisen, mitunter hilf- und segensreich, mitunter destruktiv vernebelnd wirken, denn dem angeblich ‚ewigen Antisemiten‘ ist dialektisch der ‚ewige Jude‘ letztendlich immanent.

  • Rudi

    Soso, stellt sich die Frage…, ob nicht möglicherweise..
    Wie wärs, Sie kaufen das Buch, lesen es, und dann schreiben Sie nochmal was darüber…

  • Jane

    Klar Rudi, das ist ein Kommentar auf das, was da im Artikel steht, und das Buch hat sicher sehr viel mehr zu bieten und es wäre wohl anmaßend, zu glauben, dies könne man mit einem Wisch und ohne eingehende Prüfung abtun. Aber ich finde es doch befremdlich, wenn einem einerseits eine wissenschaftliche Studie offeriert wird, der man voranstellt, es handle sich letztendlich um ein unerklärbares Phänomen, man habe sich also einer Art Glaubenssatz zu unterwerfe, dass nämlich der Antisemitismus ‚unerklärbar und einzigartig‘ SEIN MUSS.
    Wenn ich das anzweifele, dann nicht, weil ich das ergründet hätte, oder alternative Antworten hätte.
    Aber erklären heißt ja nicht rechtfertigen. Eine solche Erklärung abzugeben verträgt sich nach meinem Dafürhalten nicht mit dem wissenschaftlichen Ansatz.
    In einem solchen Satz, wird der Antisemitsmus selbst zu einem Glaubensinhalt erhoben.

    Wenn ich mir dann vor Augen halte, dass der Autor der Studie selbst aktiv dazu beiträgt, Kritiker der israelischen Politik , sei es solche der Linken, seien es jüdisch/israelische Aktivisten, wie z.Bsp. in der Diskussion um den Artikel von Iris Hefets, zu diskreditieren, dann muss ich doch konstatieren, dass das was als Aufklärung daher kommt, zum Teil selbst zu einer Mystifizierung und Vernebelung beiträgt, versehen mit dem Gütesiegel der Wissenschaftlichkeit, so dass auf jeden Fall eines klargestellt sein sollte, dass man den reichlich dehnbaren Begriff, der politisch in vielfacher Weise instrumentalisiert wird, so, wie er genutzt wird, auf keinen Fall hinterfragen sollte, zum einen, weil es dem Laien natürlich erhebliche Mühe kosten dürfte, der wissenschaftlichen Datenfülle und Analyse irgendwas entsprechendes entgegenzusetzen, zum anderen, weil der Autor ja schon klarstellt, dass der Antisemitismus selber ‚unerklärlich bleiben muss‘.
    Was wird da wohl unterm Strich übrig bleiben?
    Mir scheint dahinter auf jeden Fall ein Interesse zu stehen, den Antisemitismus zu einem einzigartigen unerklärlichen, mysteriösen und daher wohl ewigen Phänomen zu erklären, der dann also gleich einem Chamäleon immer wieder seine Gestalt ändert, und den man immer wieder anhand neu definierter Kritierien in wen auch immer hineininterpretiert. Was soll das anderes sein, als ein Trugbild, eine optimale Projektionsfläche, die man immer wieder zur Selbstrechtfertigung ge- oder  auch missbrauchen kann.
    Meiner Meinung nach, hat das aber eher was mit Glaubenssätzen, als mit wissenschaftlicher Analyse zu tun. Was meint ihr?

  • Christine

    @Jane:
    Haben Sie die obige Buch-Rezension wirklich gelesen???
    Mir scheint nicht, denn in Ihren Statements faseln Sie Ihre eigenen Phantasien 2 x rauf und runter! … aber das, was Sie hier angeben, steht überhaupt nicht im Artikel!
    Sie wären eine geeignete Kandidatin für die Politik: Lange, „geschwollene“ Sätze präsentieren … und dann ist in Wahrheit nichts Greifbares drinnen!!!

  • Christine

    Zitat Artikel: „Durch die Abgabe „individueller Verantwortung wird der antisemitische Massenmensch zum egalitären Bestandteil der Masse, zu dem, was von Sartre unter dem Begriff der „Mittelmäßigkeit“ der an der Masse partizipierenden Individuen gefasst wurde: Individuum ohne Verantwortung, phantasiertes Kollektiv-Ich mit externalisiertem Über-Ich.“ (Salzborn 2010, S. 340)“

    Dazu ist mir das Buch von Elias Canetti „Masse ist Macht“ eingefallen!
    Siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Masse_und_Macht
    Ausschnitt daraus:
    Masse und Macht ist das 1960 erschienene Hauptwerk des späteren Literaturnobelpreisträgers Elias Canetti. „Nichts fürchtet der Mensch mehr als die Berührung durch Unbekanntes. […] Es ist die Masse allein, in der der Mensch von seiner Berührungsfurcht erlöst werden kann.“ Diese ersten Sätze aus Masse und Macht besagen nichts anderes, als dass der Mensch von Natur aus kein soziales Wesen ist. Nicht Empathie charakterisiert den Menschen, sondern die Furcht vor der Berührung diktiert sein Leben. Befindet sich der Mensch in der Öffentlichkeit, verlangen zufällige Berührungen mit anderen Menschen nach einer Entschuldigung. Steht der Mensch im Aufzug, drängt er sich in eine Ecke, um nicht in Kontakt mit den Anderen zu geraten. Und das Einschließen in die Häuser ist nichts anderes als ein Versuch des Menschen, sich dem bedrohlichen Fremden der Welt zu entziehen.
    Einzig in der Masse, diesem von „Affekten“ geleiteten Gebilde verliert der Mensch seine Furcht vor der Berührung, kann es zu einem Zustand der „Entladung“ kommen, zu dem Moment, an dem alle „ihre Verschiedenheiten loswerden und sich als gleiche fühlen“. Der Verlust jeder Individualität wird dabei als befreiender Akt betrachtet, da der Einzelne nicht mehr alleine der chaotischen Welt gegenüber steht. Jetzt, da sich alle gleich fühlen, ist die Furcht vor dem Fremden innerhalb der Masse zwar aufgehoben, doch das Andersartige der Welt da draußen wird der Masse umso deutlicher bewusst. Das Andersartige gefährdet das „Überleben“ der Masse, da es Alternativen zu dem Zustand der Gleichheit aufzeigt. Und so ist die auffälligste Eigenschaft einer Masse die „Zerstörungssucht“. Um ihr eigenes Überleben zu sichern, will sie das Andere vernichten.“

  • Christine

    Zitat Artikel: „Allen diskutierten sozialwissenschaftlichen Antisemitismus-Theorien ist gemein, dass sie mit Bezugnahme auf das Christentum oder auf christlich geprägte Gesellschaften formuliert worden sind.“ (Salzborn 2010, S. 341) Damit falle der gegenwärtig überaus relevante islamische Antisemitismus aus der Betrachtung heraus. Die gegenwärtige Transformation des globalen Antisemitismus, der neben einer islamischen auch eine antiamerikanische Spielart auspräge, sei somit noch nicht wirklich hinreichend analysierbar.“

    Diese neue Form des globalen Antisemitismus (bei dem sich bedauerlicherweise Islamisten und Christen auf irgendeine Art und Weise „ergänzen“) erscheint mir als die nächste „Herausforderung“ unserer Zeit. Es wäre also höchste Zeit, dieses Phänomen auch wissenschaftlich näher zu beleuchten. Insofern ist die Überschrift dieses Artikels „Unerhellter Trieb“ korrekt! …. leider……

  • Jane

    ‚“Unerhellter Trieb” korrekt! …. leider……‘

    Eben nicht – Christen und Islamisten ergänzen sich mitnichten. Der Konflikt zwischen Muslimen und Juden im Nahen Osten hat konkrete Gründe. An diesen könnte man ansetzen, aber das geschieht nicht. Stattdessen gibt es immer mehr Versuche, die zweifelsohne grausamen und barbarischen Akte der Nationalsozialisten mit dem Widerstand gegen eine völkerrechtswidrige Besatzung in einen Topf zu werfen, um die Unrechtmäßigkeit eigenen Handelns verdrängen zu können.

    Natürlich sind die Mittel, Terror gegen Unschuldige zu verurteilen, das sollte aber nicht darüber hinweg täuschen, dass auch Interventionen, z.Bsp. der Amerikaner, der Engländer und auch der Israelis, in den letzen Jahrzehnten, die Menschenrechte in diesen Ländern ebenfalls missachtet haben, ähnlich wie zuvor auch durch die westlichen Kolonialmächte. Für diese Länder gilt, dass sie selbst oft die besten Stützen dikatorischer Regime im Nahen und Mittleren Osten sind, wenn sie sie nicht gar selbst mit ins Amt gehoben haben. So hat dieser Terror letztendlich durchaus nicht einfach aus dem Islam heraus, ohne jede Ursache. Und auch wenn die Radikalisierung, die dieser Form des Widerstandes zu Grunde liegt sicherlich für Muslime und andere eine Sackgasse ist, so kann das den Westen dennoch nicht von der Notwendigkeit einer kritischen Selbstreflexion entheben.

    Evangelikale Christen und zionistische Juden ergänzen sich heute und ziehen in vielerlei Hinsicht an einem Strang.
    Es ist eben dieser Versuch, den Begriff Antisemitismus dergestalt zu instrumentalisieren, dass mitunter berechtigter Widerstand, berechtigte Anliegen nicht zu Gehör kommen sollen, was ich absolut unakzeptabel finde.
    Es stimmt, dass man dem Artikel dies nicht direkt entnehmen kann und wie der Autor des Artikels ‚verwundert feststellt‘ wohl auch nicht unmittelbar dem Buch, allerdings machte mich der in vielerlei Hinsicht mystifizierende Ansatz stutzig, denn die Agenda dahinter scheint mir mittlerweile doch sehr vertraut.
    Darüberhinaus treffen viele psychologische Mechanismen, welche Anti-Semitismus zu Grund liegen auch auf andere Arten von Vorurteil und Rassismus zu, was der Autor zweifelsohne nicht so gerne hört.

    ‚…aber das, was Sie hier angeben, steht überhaupt nicht im Artikel!‘

    Ich bezog mich eingangs ganz konkret auf einen Satz des Autors, nachdem der Antisemitismus ‚unerklärlich bleiben muss‘ und stelle dem in der Tat meine Deutung dessen was ich da lese entgegen, da die Art und Weise der Bearbeitung mir in der Tat darauf hin angelegt zu sein scheint, dass man der politischen Instrumentalisierung damit Tür und Tor öffnet, wie es auch schon geschehen ist, und wie auch Sie Christine es in ihren Artikeln in meinen Augen tun.
    Nachdem ich dann ein wenig gegoogelt habe, bin ich dann tatsächlich genau auf das gestoßen, was meine Vermutung bestätigte – so schrieb der Autor auch einen Artikel um die Vorgänge in der Jüdischen Gemeinde in Berlin zu der Podiumsdiskussion um Iris Hefets Artikel ‚Pilgerfahrt nach Ausschwitz‘:

    ‚…Die antisemitische Stimmung, die sich schwerlich als „nur“ antizionistisch zu tarnen vermag, bewegt sich am Rande des Ausnahmezustandes, den bereits Martin Walser nachhaltig in Erregung versetzte, als es davon sprach, bei seiner Rede in der Paulskirche „vor Kühnheit“ zu zittern. War der Ausnahmezustand bei Walser noch eine erotische Phantasie, wird er jetzt zum Greifen nah – und muss mit aller Konsequenz unterbunden werden. Damit tritt als eine zentrale Aufgabe der polizeilichen Tätigkeit der nächsten Jahre auf die Agenda: Antisemiten daran zu hindern, ihren Aggressionen freien Lauf zu lassen.
    Der Auftakt für einen antisemitischen Ausnahmezustand ist jetzt gemacht, mitgetragen von einem links-alternativen Milieu, das sich selbst fern jeder selbstkritischen Anwandlungen in Sachen Antisemitismus sieht. Doch das seismografische Zentrum zur Unterbindung dieser Radikalisierung und Eskalation liegt ausschließlich in diesem Milieu: nicht nur die „tageszeitung“ ist gefragt, auch die „Grünen“ müssen jetzt Farbe bekennen. Wenn sie dieses Ereignis einfach abtun, machen sie sich zu den Steigbügelhaltern von antisemitischen Pogromen in der Zukunft.‘

    http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/antisemitischer_ausnahmezustand/

    Dass die Protestierenden fast alle jüdische Israelis waren, die sich mit Iris Hefets solidarisierten,  hat der Autor freilich unterschlagen.
    Siehe auch eine Erwiderung auf Salzborns Artikel: http://schmok.blogsport.eu/tag/iris-hefets

  • Es genügt

    Es verwundert nicht, dass eine „Dame“, die in diesem Internetmagazin, wie von vielen Autoren belegt, immer wieder als überzeugte Antisemitin in Erscheinung tritt, die den brutalen palästinensischen Terror verleugnet (sie kritisiert mehrfach sogar die Fatah; anscheinend ist ihr in ihrem blinden Hass gegen Juden nur die Hamas genehm – nun, die fordert (und praktiziert) ja bis heute die Vernichtung Israels), nun gar glaubt, sich über eine anspruchsvolle theoretische Studie eines anerkannten Wissenschaftlers äußern zu können – in gewohnt denunziatorischer Intention. Und, wie gehabt, gibt sie „gegoogelte“ Ergebnisse als ernstzunehmende wissenschaftliche Analysen wieder (ansonsten vermag sie in ihren Darstellungen nur vom verblendeten antisemitischen „Rentner“ zu kopieren).
    Es fällt mir schwer nachzuvollziehen, warum man ihr hier bei haGalil immer wieder eine Bühne bietet. Ich finde, man sollte solch denunziatorisch-bösartige Beiträge solcher Personen bei haGalil z. B. auf drei oder fünf begrenzen. Mag sie doch auf der Website des Rentners, auf rechtsradikalen Websites oder bei anderen antizionistischen oder palästinensischen Internetmagazinen publizieren – wohin sie ja gut passt und wovon ausreichend existieren.

  • Buske

    Zuerst gab es die rechten Antisemiten, dann kamen die linken dazu. Inzwischen ist auch die Mitte antisemitisch. Doch es kommt noch schlimmer: Auch Juden werden vom Virus infiziert! Vor diesem mörderischen Hass, getrieben vom dämonischen Vernichtungswillen, ist man nirgendwo mehr sicher.

  • Propin

    So gesehen, kann man sehr wohl vom Mysterium sprechen. Vom Allpräsenten. Vom Ressentiment, das die Welt bewegt und eint, die Triebfeder der Moderne. Fast könnte man von der Libido des Weltbewussten sprechen, dem im Dunkel, im Unhellen gefangenen Bösen. Die Achse des Bösen erhebt ihre Fratze und der Hass auf Israel wird kübelweise mit Häme und Mordlust auf das kleine Häuflein geschüttet, wie es ja auch ein führendes Mitglied des Präsidiums des Zentralrats in einer bedeutenden Rede betont hat.
    Ja, es reicht! Nie wieder!
    Und diese “Dame”, Schikse darf man ja nicht sagen, das ist wohl politisch unkorrekt, ist wirklich eine Zumutung. Aber der Unmut gegen Hagalil wird irgendwann so ansteigen, das dem ein Ende gesetzt wird. Da bin ich ganz sicher, wir sind viele, die daran schon arbeiten.
    Es reicht!!!!

  • Moros

    Ich vermute Samuel Salzborn lehnt sich hier auch an Gedanken des mystisch-unergründlichen an, wie es auch im Tanya-Mystizimus oder auch den populärer aufbereiteten Lehren der Chabad-Lubawitsch-Bewegung, und auch vieler anderer Gruppen, formuliert und verbreitet wird. Der Antisemitismus, der Hass kommt vom Urquell der Welt. Umstritten ist dann die eigentlich zwingende Folgerung, dieses sei Strafe des Unaussprechlichen.

  • Jane

    @ ’nun gar glaubt, sich über eine anspruchsvolle theoretische Studie eines anerkannten Wissenschaftlers äußern zu können – in gewohnt denunziatorischer Intention‘

    Nun ja, ich habe ein Beispiel gegeben, wie dehnbar der Begriff Anti-Semitismus für den Autoren selbst offensichtlich gefasst ist. Er warnt ja auch schon vor Juden, die mit ihrem friedlichen Protest angeblich neue Progrome heraufbeschwören, wobei er dem Leser vorenthält, dass es sich um Juden handelt.

    Es fragt sich, wer sich hier denunziatorisch verhält.

    @ ‚wie es auch im Tanya-Mystizimus oder auch den populärer aufbereiteten Lehren der Chabad-Lubawitsch-Bewegung…‘

    Also ich vermute eher nicht, dass der Autor sich an diesen Tanya-Mystizismus anlehnt, er wird sich schon als Wissenschaftler verstehen.

    Die Chabad-Lubawitsch Bewegung muss wohl zwingend von einem ‚unergründlichen Antisemitismus‘ ausgehen, lehren Sie doch selbst, in ihren Tanyaschriften, dass Nicht-Juden eine andersartige Seele haben und zu wahrer Gottesnähe, so wie Juden, nicht fähig wären.
    Wenn man sowas lehrt verbaut man sich wohl jede Möglichkeit offen auf seine Umwelt zuzugehen, was natürlich niemals zu guten Beziehungen führen kann, die den Namen auch verdienen.

    @ Antisemitismus – ‚Libido des Weltbewusstseins‘
    Ich fürchte die Leute, die hier mitunter schreiben, haben sie wirklich nicht mehr alle. Antisemitismus ist auch ganz gewiss nicht die ‚Leitidee‘ der Moderne‘ – da nehmen sich manche Leute wohl einfach zu wichtig. Die meisten Menschen treiben weder ‚die Juden‘ noch Israel um, weder im Guten, noch im Schlechten.

  • Mertens

    Da dieses Internetmagazin von zweifelhaften ZeitGENOSSEN bestimmt wird, ist es kein Wunder, dass der Hass dieser “Dame” hier fast schon täglich Juden terrorisiert. Die Leugnerin brutalster palästinensischer Terrorverbrechen hat sich noch nie von diesen Taten distanziert. Mit Obama meint sie Oberwasser zu haben um ihre Hamasziele durchzusetzen.
    Sie will die Vernichtung Israels und denunziert alle denen dieses Land etwas bedeutet. Ich schließe mich an und verurteile diese Praxis.

  • Jane

    Hier der Ausschnitt aus dem Buch Tanya, der wichtigsten Schrift der Chabad Lubawitsch, über die Seelen der ‚Völker‘, womit dann wohl die Nicht-Juden gemeint sind. So lange man die Welt und andere Menschen durch eine solch religiös indoktirnierte Brille sieht kann man sich nur in Zwiespalt mit seiner Umwelt befinden. Die nachfolgende Passage stammt von der Website Chabad Lubawitschs selbst.

    Aus dem Buch Tanya:
    “ Auch die guten Attribute wie Erbarmen und Wohltätigkeit, die in der Natur ganz Israels von Geburt an enthalten sind, entstammen dieser Seele. Denn beim Juden stammt diese Kelipa-Seele von Kelipat Noga [wörtlich „schimmernde Kelipa“], die auch Gutes enthält. [Diese Kelipa] kommt vom esoterischen „Baum des Wissens um Gut und Böse“.
    Die Seelen der Völker dagegen stammen von den übrigen, unreinen Kelipot, die keinerlei Gutes enthalten, wie in Ez Chajim, Tor 49 , Kap. 3, steht. „Und alles Gute, das die Völker tun, tun sie für sich selbst.“ So steht im Talmud über den Vers: „Und die Güte der Völker ist eine Sünde“…

    http://www.de.chabad.org/library/article_cdo/aid/583075/jewish/Kapitel-1.htm

  • Daniel

    Also ich habe mir das Buch bestellt. Mal sehen was der Autor dazu sagt.
    Ich hoffe er bringt etwas Licht ins Dunkel. Oder das Runde ins Eckige. 😉
    Vom Tanya wird er weniger inspiriert sein, da gebe ich Jane recht.

    Ansonsten wundert mich die Hysterie der Debatte. Vor allem, dass Mitdiskutanten das Wort entzogen werden soll. Mit wem will man denn dann diskutieren?
    So richtig erschließt sich mir nicht das warum und wieso.

  • Rinat

    Ich denke man kann davon ausgehen, dass sowohl ein Autor, auch einer wissenschaftlichen Studie, als auch ein Rezensent, damit rechnen, dass Ihre Erkenntnisse nach Veröffentlichung diskutiert werden. Und bei Diskussionen können schon mal unterschiedliche Standpunkte auftauchen. Was daran antisemitisch sein soll ist mir, selbst wenn es thematisch um Antisemitismus geht, nicht klar.

    Es ist auch legitim Fragen zu stellen, auch wenn man sich noch nicht durch das Hunderte Seiten dicke Werk durchgearbeitet hat.

    Die Aussage, dass eine Erklärung des Antisemitismus sich stets auf einem „schmalen Grat“ bewegt und „in Verständlichmachung abgleiten und sich damit ins Gegenteil verkehren kann, in dem Erklärungen für etwas zu liefern suggeriert wird, das letztlich in der Dialektik von Individuum und Gesellschaft unerklärlich bleiben muss“ ist nachvollziehbar. Allerdings auch der Einwand Janes, dass man so ins allzu Mysteriöse abgleitet.
    Mir fallen durchaus reale machtpolitische Gründe ein, weshalb z. B. das frühe Christentum begann sich gegen das Judentum zu stellen. Es gab Konkurrenz. Immer wurden Juden zu Sündenböcken gemacht von Schuldnern und Mächtigen und auch heute leiten Regime viel Aufmerksamkeit weg von Korruption und Versagen (z. B. arabischer Eliten) hin zu z. B. israelischem Fehlverhalten, das es zweifellos auch gibt.
    Allzu mystisch ist das alles nicht. Finstere bzw. unhelle Machenschaften sind es allzumal.

  • Jane

    Die Frage ist halt, was ist denn Antisemitismus?
    Bis vor 10, 15 Jahren verstand ich darunter eine allgemein feindselige Haltung Juden gegenüber, ganz einfach weil sie Juden sind. Man hätte es damals noch für unvorstellbar gehalten, dass eines Tages Juden als Antisemiten bezeichnet werden.

    Eine solche xenophobe Haltung finde ich persönlich widerwärtig und dumm.

    Ich denke aber, dass man insofern man überhaupt von ‚Trieben‘ in diesem Zusammehang sprechen will, es solche sind, die genauso für Rassenhass ganz allgemein, für Fremdenfeindlichkeit und eine chauvinistische Grundeinstellung sorgen. Ich kann darin in letzter Konsequenz auch nichts anderes sehen, als xenophobe Einstellungen, unter denen vor allem viele Farbige Menschen leiden.

    Sicher gibt es eine lange und oft leidvolle Geschichte der Juden in Europa, welche zuletzt in einem monströsen, barbarischen Massenmord gipfelte und natürlich ist diese Geschichte insofern auch eine besondere, ich möchte den Antisemitismus auch nicht verharmlosen indem ich den Begriff und die ihm zugedachten Definitionen in mancher Hinsicht hinterfrage, bzw. anzweifele. Ich denke auch nicht er wäre verschwunden und natürlich lehne ich alles vollkommen ab, was gemeine Antisemiten so anstellen, wie das Schänden von Friedhöfen oder manche Straftat, wovon auch hier berichtet wird (z.Bsp. von dem koscheren Lebensmittelhandel in Berlin der irgendwann dicht machte).

    Heute scheint man unter Antisemitismus aber oft nicht die allgemeine Abneigung gegen Juden zu verstehen, sondern die Ablehnung einer bestimmten politischen Agenda, jene, welche den Staat Israel bis heute davon abhält seine Grenzen zu akzeptieren und die Palästinenser in einem Zustand hält, den ich für schlichtweg unakzeptabel halte.

    Insofern wäre meine Ablehnung dieser Politik dann nach Definition mancher Leute genauso ein ‚antisemitischer Reflex‘ mitunter sogar gegen Mitglieder meiner eigenen Familie, die das gar nicht kritisieren wollen – und genauso werden dann heute auch Juden als Antisemiten bezeichnet, die diese Politik ebenfalls ablehnen.

    D.h. DIESER ‚Antisemitismus‘ richtet sich nicht gegen ‚Juden‘, sondern gegen eine politische Agenda und auch gegen deren nicht-jüdische Vertreter – und genauso wird diese Haltung auch von Juden geteilt, die dem israelischen oder jüdischen Friedenslager zugehören, die sich dann Vertreter dieser Agenda nicht scheuen, ebenfalls Antisemiten zu nennen.

    Es geht also gar nicht mehr um eine xenophobe, allgemeine, rassistische Einstellung, sondern um unterschiedliche politische Visionen.

    Ich finde die Vermischung dieser beiden unterschiedlichen Konzeptionen nicht akzeptabel und ich denke, dass der Begriff politisch instrumentalisiert wird.

    Ich denke auch, dass der Autor, bei all den abgehobenen Definitionen, denen der unbedarfte Laie nur verschwommen folgen kann, sehr bedenklos genau diese Agenda zuordnet. Das geht aus wenigen Sätzen allein des Artikels hervor, umsomehr aus dem Kommentar des ‚Anti-Semitismus-Experten‘ zum friedlichen Protest jüdischer Friedensaktivisten, denen er gerne mit polizeistaatlichen Mitteln zu Leibe rücken möchte, in dem er die angeblich drohenden Progrome herbeiphantasiert – sowas nenne ich Demagogie – und es gab immer für jede Ideologie auch Wissenschafter – auch für Hitlers Rassenlehre haben sich ja so manche Wissenschafter hergegeben.

    Ich habe zwar große Achtung vor der Wissenschaft im Allgemeinen, aber allein die sich oft wiedersprechenden Aussagen unterschiedlicher Wissenschaftler, vor allem in solch unexakten Wissenschaften wie der Psychologie und der Soziologie kann man einfach nicht bedenkenlos so übernehmen, weil sie das Etikett ‚wissenschaftlich‘ tragen.
    Das grenzt dann auch an Glaubenssätze.
     
     

  • Christine

    @alle, die sich über „gewisse“ (offensichtlich anti-jüdische) Kommentatoren in diesem Forum wundern/ärgern/resigniert haben:

    siehe Artikel von hagalil „Antisemitismus und neue Medien: Gleichgültig? Unerfahren? Hilflos?Antisemitismus und neue Medien: Gleichgültig? Unerfahren? Hilflos?“
    Letzer Absatz: „Hier liegt mit haGalil onLine ein nachweislich und nachhaltig erfolgreiches und vielfältig nutzbares Modell vor. Der Erfolg dieses Modells liegt wohl mit darin begründet, dass wir von Anfang an nicht gegen etwas, sondern für etwas gearbeitet haben. Um es in einem Satz zu sagen: “Wir haben weniger gegen die Lüge gearbeitet als vielmehr für die Wahrheit”. Wir waren nicht gegen die Einfalt, sondern haben die Vielfalt mitgestaltet.“

    … vielleicht soll das so manches erklären!???

    Ich persönlich werde mir für die Zukunft gut überlegen, ob und in welchem Forum ich noch mitdiskutiere!
    Meinungsfreiheit in Ehren – aber es gibt „gesunde“ Grenzen!!!

  • A.mOr

    Zunächst sei angemerkt, daß ich nur die hier veröffentlichte Rezension des Martin Jander zu Salzborns Veröffentlichung kenne, das Buch selber nicht.
    Mir ist aufgefallen, daß ich von Absatz zu Absatz Kritik zu formulieren hatte, wobei ich mich häufig zum Widerspruch gereizt fühlte.
    Aber selbst diese kleine Rezension legt doch sehr viele Felder auf, so daß ich mich nur auf wenige beziehen mag, alleine schon um meinen Kommentar nicht zu lang werden zu lassen.
    Im Vertrauen darauf, daß Martin Jander umsichtlich rezensiert hat, mag das Buch auch für mich einige interessante Stellen bieten, insgesamt wirkt es jedoch nicht hilfreich um das Feld „Antisemitismus“ zu beleuchten.
     
    „Ausgehend von Horkheimer und Adorno konstatiert Salzborn, daß Antisemitismus in der modernen Gesellschaft Aufklärung zur Voraussetzung hat,…“
    Zumindest meine ich, daß auch der „moderne Antisemitismus“ quasi „mittelalterliche“ Vorurteile gegen das Judentum übernommen hat, die ganz „unaufgeklärt“ weiterhin verwendet werden, zumal auch von Menschen mit ganz „unaufgeklärtem“ und unreflektiertem Hintergrund.
    Wenn Salzborn auf die beiden oben erwähnten Bezug nimmt, und von einem „unerhelltem Trieb“ spricht, einen „Wunsch nach Identität der psychischen Instanzen“ als Ursachen für den Antisemitismus, dann bin ich zunächst ratlos. Hier ist es wohl nötig tatsächlich Salzborns Buch bzw Adorno und Horkheimer zu lesen, um zu einem Verständnis zu gelangen.
    Ist der „unerhellte Trieb“ ein verborgener oder ein unbewußter? Alleine das macht einen großen Unterschied aus, abgesehen davon, daß das Wort „Trieb“ ungünstig gewählt zu sein scheint.
    Zumindest würde ich damit die eher animalischen Seiten unseres Menschseins assoziieren.
    Haß oder Mord zähle ich nicht unter Trieben.
    Und was für „psychische Instanzen“, bitteschön?
     
    An einigen Stellen sehe ich eine Bezugnahme Salzborns zu einem Gegensatz Christentum-Judentum.
    Eine der bekanntesten judenfeindlichen Vorwürfe der Christen wäre dann wohl, daß die Juden den Tod ihres Moschiachs zu verantworten hätten.
    Salzborn liefert weitere Beispiele: der Neid der Christen auf das „Volk Gottes“, die Desillusion herbeigeführt durch das Judentum, daß Mensch Gott sein könnte (womit dann wohl die Göttlichkeit des Christus gemeint sein dürfte).
    Abgesehen davon, daß es auch im Christentum konkurrierende Ausrichtungen gab (und gibt); die ausgemerzten Arianer etwa verehrten Christus nur als „gottähnlich“ oder quasi Mensch, ist der „moderne Antisemitismus“ wohl neu zu bewerten.
    Zwar ist er aus einem christlich kultivierten Umfeld hervorgegangen (mit Ausnahme der islamischen Länder?), doch wenn man es direkt auf den Nationalsozialismus herunterbricht, dann haben wir hier eine atheistische Ideologie.
    Der NS-Antisemitismus hat sich sicherlich auch all der judenfeindlichen Vorurteile bedient, wie sie aus dem christlichen Umfeld bekannt waren, diese aber in ihr krudes selbstzusammengebasteltes Weltbild dankbar eingefügt und insgesamt zu einer neuen Dimension des Antisemitismus erhoben (die sogenannte „Rassenlehre“).
     
    Wo es mir am leichtesten fiel zuzustimmen, daß war die Erkenntnis Salzborns, daß es sich beim Antisemitismus nicht um einen begründeten Haß auf tatsächliche jüdische Lebensweisen handelt, sondern um den Haß auf ein Phantasiebild, etikettiert als „Jude“.
    Selbst auf die Nazis trifft das zu, obgleich sie durch ihre Lehren den Eindruck zu vermitteln vermochten, daß sie „den Juden“ ganz genau kennen würden.
    Diese Form der Verblendungskampagne war äußerst perfide und ein wichtiger Pfeiler, um die wahnwitzigen Ausmaße ihres Pogroms zu ermöglichen: unsere Schoah.
     
    Und diese Form der Agitation besteht noch heute, wobei heute möglicherweise weniger „deutsch-Deutsche“ eine Juden tatsächlich kennen, als das Anfang des 20.Jahrhunderts der Fall war.
     
    Umsomehr, wo ich am entschiedensten widersprechen mag, wenn auch leider ohne dem Anspruch „ultimativ“ widersprechen zu können, ist es, wenn Salzborn feststellt, daß der antisemitische Begriff vom Juden „als irrational anzusehen ist und insofern auch nicht durch konkrete Erfahrungen mit Juden verändert werden kann.“
    So meine ich, daß, gerade weil „der Jude“ dem Antisemiten nur ein irrationaler Begriff ist, kann nur die konkrete Erfahrung zum Besseren belehren
    (…,muß aber nicht. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer es ist einen Antisemiten von seinen eingefahrenen Vorurteilen zu „erlösen“. So ist es eben ganz im Allgemeinen schwer, jemand anderem glaubhaft zu machen, daß seine/ihre Wahrheit tatsächlich eine Lüge ist – so ist dem einen Wahrheit, was dem anderen Lüge ist. Aus gleichem Grund sind Missionierungen wohl auch eher mit Schwertern als mit Argumenten zu „Erfolgen“ gekommen.).
     
    Auch hier im Widerspruch zu Salzborn glaube ich, daß auch ein Mensch mit antisemitischen Vorurteilen nicht unbedingt ein „schlechter Mensch“ sein muß, sondern schlicht verblendet oder falsch erzogen ist (Bitte, ich versuche nichts zu verharmlosen).
    Bei allem Verständnis dafür, daß man als Jude nicht gerade ein großes Interesse daran verspürt ausgerechnet mit einem Antisemiten ins Gespräch zu kommen, ist das wohl der einzige Weg, auf dem Vorurteile abgebaut werden können.
     
    Den Erfolg einer schulischen Maßnahme mit dem Ziel, Antisemitismus abzubauen, halte ich für weit weniger erfolgversprechend.
    Die Bildung mag ein Weg sein, ein Hilfsmittel, eine Neuorientierung; das funktioniert aber nur, wenn der Schüler auch zur Reflexion bereit ist.
     
    Wenn Salzborn resumiert, daß „Antisemitismus zugleich Unfähigkeit wie Unwilligkeit abstrakt zu denken und konkret zu fühlen ist“, dann bin ich irritiert. Zugleich unfähig wie unwillig, das funktioniert nicht.
    Wenn ein Mensch „abstrakt fühlt und konkret denkt“, dann kommt es mir vor, als wenn dieser Mensch unter einer Persönlichkeitsstörung leidet.
    Solche Zustände mögen auf einen SS-Mann nach zig Morden zutreffen, insgesamt aber hilft es dem Verstehen nicht weiter, wenn wir die Antisemiten als psychisch Erkrankte betrachten, denen man somit nicht die volle Verantwortung für ihr Tun und Denken zugestehen kann.
     
    Anhand der vorliegenden Rezension bekomme ich den Eindruck, daß der Antisemitismus als eine Art der psychischen Erkrankung verstanden wird, dessen Ursachen weitesgehend im Dunkel liegen.
    Der Hinweis auf christliche Befindlichkeiten gegenüber dem Judentum war wohl geeigneter, gehört wohl unbedingt dazu um Antisemitismus als Phänomen zu erklären, genügt jedoch bei weitem nicht.

    Vielleicht ist der Hinweis auf die Angst vor einer „jüdischen Weltverschwörung“ noch treffender.
    Immerhin haben Juden 2000 Jahre in der Diaspora es vollbracht, ihre Identität, Religiösität und dazugehörigen Kultus zu bewahren, anstatt einfach in der jeweils neuen Heimat zu assimilieren.
    Zusätzlich erlitten Juden schlimme Pogrome, Zwangskonvertierungen und jede Menge Repressalien, blieben trotzdem was sie waren: Juden.
    Ausserdem dürfte es in ihrer jeweiligen Umgebung aufgefallen sein, daß Juden ganz selbstverständlich über eine gute Bildung verfügten, wobei ihnen auch Themen bekannt waren, die anderen durch ihren Analphabetismus nicht bekannt wurden. Nicht zuletzt auch dieses dürfte dem Juden einen Ruf als „mysteriösen Menschenschlag“ eingebracht haben, alles Dinge, die auch einer „Verschwörungstheorie“ zupäßlich sind: Juden ist eben bekannt, was anderen unbekannt ist. Sie reisen mehr, was ihnen den Vorteil der besseren Menschenkenntnis verschafft und ihre Toleranz steigert, während andere, ungebildete und auf dem Fleckchen Erde gebundene Menschen damit nicht umzugehen wissen.
    Freilich sind dies alles nur Mutmaßungen.
    Genau wie die Juden sind auch die Roma Vorurteilen ausgesetzt. Beiden ist wohl gemeinsam, daß sie im Großen und Ganzen als eigene, erkennbare Identitäten ausgemacht werden können, die sich in ihren jeweils neuen Heimstätten nicht einfach assimilieren.
    Somit aber bieten sie als „Andersartige“ Angriffsfläche für solche, die einen Sündenbock besatteln wollen, aus welchem Grund auch immer.
    Diese Praxis ist uns schließlich auch bekannt, den „Sündenbock in die Wüste zu schicken“ um dem Versender Freiheit von seinen eigenen Verfehlungen vorzugaukeln.
    Letztlich liegt dem ganzen eine einfache Psychologie zugrunde: seinem Nachbarn („im Dorf“) wird man irgendwelche „Ungeheuerlichkeiten“ nicht zutrauen wollen. Selbst, wenn doch, so ist die Angst vor der Störung guter Nachbarschaft und Verlust des „Dorffriedens“ größer, als der Wille, die Wahrheit aufzudecken. Also wird man das „Ungeheuerliche“ (ein Verbrechen zB.) dem zuweisen, der der „Dorfgemeinschaft“ eben weniger nah erscheint. Es mag den „Dorftrottel“ im Zweifel treffen, oder eben eine Roma-Gemeinschaft, die gerade in der Gegend ist, oder eben die jüdische Gemeinde, falls sie in der Umgebung anzutreffen ist.
    Wenn es dann um Roma oder Juden geht, dann lassen sich konkrete Vorfälle (wie zB unser herbeibemühtes „Verbrechen/Ungeheuerlichkeit“) schnell vermengen mit einer phantasiebeladenen Projektion auf „fremdartige“ Gemeinschaften. Und schnell wird aus der „Gerüchteküche“ ein „Mahl“ präsentiert, welches dankbar in immer größerem Umfeld verzerrt wird, sättigt es doch all ihren Unverstand zu den „Exoten“.
     
    Die regelrechte Fixierung von Fremdenfeindlichkeit der Deutschen auf die Juden gehört wohl in den Bereich des „modernen Antisemitismus“. Gewissermaßen, in einem paradox erscheinendem Verlauf, drücken deutsche Antisemiten durch ihre Feindseligkeit aus, daß sie es den Juden nicht verzeihen, sich über ihre Toten in der Schoa zu beklagen. Letztlich verzeihen die Antisemiten es den Juden nicht, daß sie für ihre Verbrechen auch noch angeklagt wurden!
    Andererseits, so sollte auch klar sein, würden Antisemiten mit ihrem verbrecherischen Getue nicht aufhören, selbst wenn man -wie unvorstellbar!- die Schoah stillschweigend hingenommen hätte.
    Wenn also gewisse Deutsche heute sich darüber beklagen, daß Juden doch nicht immer „auf dem Holocaust herumreiten sollten“, so drücken sie eigentlich nur aus, daß es ihnen unangenehm ist, wenn ein Licht in ihr „Hinterzimmer“ fällt. Sie wollen ihr Tun einfach ganz in Ruhe fortsetzen. Nichtsdestotrotz ist die deutsche Eigendynamik, zB das besondere Interesse daran Israel regulieren zu wollen, den „speziellen“ Beziehungen zwischen deutschen Juden und deutschen Antisemiten geschuldet. Die Kreise, die das aufwirft, betreffen sicher auch Menschen in Deutschland, die sich keiner der beiden Gruppen zuordnen würden. Bei jenen ist es dann einfach von ihrem jeweiligen Willen zur Reflexion abhängig, inwiefern sie sich sachlich-objektiv oder vorurteilsbeladen -in welche Richtung auch immer- zum Antisemitismus, zu erezIsrael oder zur Wahrnehmung der deutschen Geschichte äußern, ob sie sich dem Themenkreis kategorisch verschließen oder nicht.
     
    Vorurteile gegen Juden sind nichts neues, mir ist nicht bekannt, wann es tatsächlich erstmals zu „Kollektiv-Vorurteilen“ Juden gegenüber kam, aber spätestens mit den Kreuzzügen wissen Juden, daß sie nur aufgrund ihres Judenseins zu Opfern von Mord und Totschlag werden.
     
    Für den christlichen, wie auch für den islamischen Kulturkreis ist, was den modernen Antisemitismus betrifft, sicher auch das systematische in Umlauf bringen von judenverhetzerischen Vorurteilen und Schriften (zB „die Protokolle der Weisen von Zion“ und Abwandlungen dieser Agitation, deren Vorläufer zur zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts in verschiedenen europäischen Ländern entstanden) mitverantwortlich.
     
    Im islamischen Raum kamen die oben erwähnten „Protokolle“ im Zuge der nationalsozialistisch-arabischen Kollaboration in Umlauf.
    Der Inhalt -„die jüdische Weltverschwörung“- scheint zu aktueller Zeit einem großen Teil von Muslimen bekannt und glaubhaft zu sein.
     
    Warum Antisemitismus in dieser Welt so stark Verbreitung gefunden hat bleibt letztlich wohl unerklärbar. Auch die Ursachen können wohl nicht einfach aufgedeckt werden.
    Möglicherweise sind meine Hinweise als Teilaspekte akzeptabel, das Aufkommen des Antisemitismus ergänzend zu erklären.
    Daß wir uns bei Erklärungsversuchen des Antisemitismus auf einem „schmalen Grad“ bewegen, der leicht dazu benutzt werden kann ins Gegenteil verkehrt zu werden, konnte auch ich hier leicht feststellen und Salzborn somit voll bestätigen.
    Antisemitismus zu erklären, zu begründen, verständlich zu machen, verstehbar zu machen, alles das wird eben so verstanden, wie der Leser es verstehen will, das ist der „schmale Grad“.
    Es bleibt also nur übrig, den Antisemitismus auch ethisch zu bewerten, um sich dem Leser verständlich zu machen in seiner Position dazu, oder aber darauf zu vertrauen, daß man trotz des Versuchs seiner „Objektivierung“ richtig verstanden wird.
    Wenn ein Salzborn wissenschaftlich „objektivierend“ an das Thema geht, ist jedoch eine ethische Stellungnahme eher deplaziert, weil die wissenschaftliche Betrachtung dann eben nicht mehr objektiv bleibt. Man darf bei Salzborn wahrscheinlich von einer „Erhabenheit“ ausgehen, die es schwer machen sollte, ihn zu bezichtigen, den Antisemitismus „dem Falschen“ erklärbar zu machen. Da Antisemiten wiederum gerne im „Bodenlosen“ herumklauben, um jeweils ihre „Wahrheit begründbar“ erscheinen zu lassen, ist es allerdings auch vorstellbar, daß sie auch bei Wissenschaftlern jüdischer Herkunft Argumente/Erklärungen herbeiziehen, um zugleich wieder die „Jüdischkeit“ zB des Autors „anzuschwärzen“.
    Letztlich paßt das recht gut in die Argumentation von Antisemiten, die eben auch behaupten, daß der Jude selbst dafür verantwortlich ist, wenn er verfolgt, bespuckt und ermordet wird, eben einfach weil er ein Jude ist.
    So ist eben auch die Logik der Perversion unlogisch, und die Lüge soll durch Lügnerei wahrhaft erscheinen.
     
    Uns, Juden und Deutschen, fällt die Aufgabe zu, ehrlich miteinander umzugehen, der Gerechtigkeit und dem Anstand neue Flügel zu verleihen.
    Nur im Miteinander können wir uns befreien von den Vorurteilen, die uns trennen und uns schwächen.
    Und gerade jetzt, wo machthungrige Strategen versuchen Israel an den Rand zu drängen, sollte Deutschland gemeinsam aufstehen und wahr machen, wovon bislang scheinbar nur halbherzig gesprochen wurde: die Freundschaft zu Israel und den Palästinensern zu erneuern.
    Und damit dieses glaubwürdig geschieht, muß Deutschland solidarisch an der Seite von Israel stehen.
    Es geht hier nicht um Strategie und Abwägungen, es geht um Wahrhaftigkeit.
     
    (…und möge dies noch jemand den Verantwortlichen in der deutschen Regierung erklären. Dort hat man den Eindruck, daß sich in einem Theater der Eitelkeiten und Aufgeblasenheiten kein Platz mehr fände für Weisheit und Wahrhaftigkeit. Bedauerlich, daß ich mich aufgefordert sehe diese Anmerkung meinem Text zuzufügen…)
     
    Schalom Alechem,
     
    A.mOr.

  • A.mOr

    Ups, Entschuldigung bitte!

    „Auch hier im Widerspruch zu Salzborn glaube ich, daß auch ein Mensch mit antisemitischen Vorurteilen nicht unbedingt ein “schlechter Mensch” sein muß,…“:
    ich zitiere mich selbst um mich zu berichtigen.

    „Im Widerspruch zu Salzborn…“ gehört besser gestrichen.
    Es war nicht meine Absicht, Salzborn zu unterstellen, daß er einen „Menschen mit antisemitischen Vorurteilen“ für einen „schlechten Menschen“ halten würde.
    Solche Erkenntnis konnte ich nirgendwo finden.

    A.mOr.