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Teheran - Berlin: Eine verhängnisvolle Freundschaft

Kein anderes Land des Westens ist seit vielen Jahrzehnten so eng verknüpft mit dem Iran wie Deutschland. Einem Land, das den Antisemitismus zur Staatsdoktrin erhebt, an der Bombe bastelt und dessen Präsident Israel von der Landkarte tilgen will. Matthias Küntzel liefert in seinem Buch zahlreiche Details dieser traditionsreichen Beziehung…

Ralph Gerstenberg (dlf/andruck) über Matthias Küntzels neues Buch
„Die Deutschen und der Iran“, Wolf Jobst Siedler jr. Verlag

Im Herbst 2005 machte der Politikwissenschaftler und Publizist Matthias Küntzel auf der Frankfurter Buchmesse eine befremdliche Entdeckung: Freundlich lächelnd händigten ihm iranische Buchhändler englische Ausgaben der „Protokolle der Waisen von Zion“ sowie anderer antisemitischer Machwerke aus. Wenig später kündigte der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinedschad in seiner berühmt-berüchtigten Rede an, Israel von der Landkarte radieren zu wollen. Als Ahmadinedschad ein Jahr danach den Holocaust leugnete, war die öffentliche Entrüstung hierzulande zwar gross, auf politische Konsequenzen wartete man jedoch vergebens. Spätestens als 2007 die iranischen Kernwaffenpläne bekannt wurden und man in Deutschland das Recht des Irans auf bombenfähige Atomanlagen diskutierte, stellte sich für Matthias Küntzel eine dringende Frage:

„Auf der einen Seite haben wir ein Regime, das den Antisemitismus leugnet und die Holocaustleugnung als einziges Land der Welt zur Staatspolitik erklärt und ein Land wie Israel auslöschen will, auf der anderen Seite unterhält Deutschland mehr kulturelle, politische und wirtschaftliche Beziehungen zu diesem Land als jede andere westliche Macht. Ich muss mich fragen: Warum ist das eigentlich so? Und das ist der Ausgangspunkt meines Buches.“

Matthias Küntzel beschreibt in seinem Buch „Die Deutschen und der Iran“ detailliert die „Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Freundschaft, die ihre Wurzeln bereits in der Kaiserzeit hatte. Unter Wilhelm II. wurde der Iran zum Rohstofflieferanten und Technologieimporteur Deutschlands. Mit deutscher Technik, die bis heute beinahe fetischartig in dem persischen Staat verehrt wird, wurde in den 20er-Jahren massgeblich die iranische Industrie aufgebaut. Bereits in den Jahren des Ersten Weltkriegs versuchten die Deutschen den Handelspartner im Nahen Osten auch politisch zu instrumentalisieren, indem sie das islamische Land zum Dschihad gegen die verfeindeten Briten und Russen anstachelten. Den Höhepunkt erreichte die wirtschaftliche und ideologische Kooperation zwischen Deutschland und dem Iran in der Zeit des Nationalsozialismus. Damals wurde Hitler von schiitischen Predigern gar als zwölfter Imam, also als lang ersehnter muslimischer Messias, angesehen. Der goebbelssche Propagandaapparat konzentrierte sich darauf, den Antisemitismus in dem arischen Partnerstaat zu schüren.

„Man hatte am Anfang grosse Probleme, den rassistischen Judenhass der Deutschen im Iran zu schüren. Iran bedeutet zwar das Land der Arier. Aber dieser Arierbegriff schliesst Juden und andere Religionen mit ein. Es war eine nationalistische Konzeption und keine religiöse Konzeption. Von daher hatten die Deutschen am Anfang richtig Schwierigkeiten, ihren rassistischen Antisemitismus nach Iran zu verpflanzen. Aber es gelang dann über diese Schiene, dass man sagte: Mohammed hat ja auch schon die Juden vernichtet in Medina, heute will Hitler die Juden vernichten, da ist der Zusammenhang zur Religion. Darüber wurde sehr offen in den Propagandatexten und in den Propagandaanweisungen der Nazis diskutiert, wie man das erreichen könnte, aus dem Iran ein antisemitisches, aber auch dann später ein antiamerikanisches Land zu machen. Und man macht sich gar nicht klar, wie stark Geschichte heute nachwirkt.“

Matthias Küntzel zeigt in seinem Buch eine frappierende Kontinuität der „verhängnisvollen Freundschaft“ zwischen beiden Ländern, die politische Brüche erstaunlich mühelos überstanden hat. Als ob sich weltpolitisch nichts verändert hätte, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg die bilateralen Beziehungen bald wieder aufgenommen, wobei man von iranischer Seite immer wieder betonte, an die guten Kontakte mit dem Hitlerregime anknüpfen zu wollen. Nach der islamischen Revolution von 1979 hatte die neue Regierung in Teheran keine Probleme, mit Deutschland, das kurz zuvor noch fest an der Seite des Schahs gestanden hat, die Zusammenarbeit weiter zu vertiefen. Weder der Mordaufruf gegen Salman Rushdie, noch der vom iranischen Geheimdienst in Auftrag gegebene Anschlag im Berliner Restaurant Mykonos konnten dieser Allianz etwas anhaben.

„Nun ist es aber durch den Atomkonflikt so, dass Deutschland an der Seite der fünf Vetomächte des Sicherheitsrates eine global bedeutsame Rolle beim Iran-Dossier spielt, das heisst, was immer das Aussenministerium in dieser Frage entscheidet, hat eine globale Relevanz. Dennoch gibt es in Deutschland keine richtig entwickelte Diskussion über die Stossrichtung dieser deutschen Iranpolitik. Das möchte mein Buch gerne verändern.“

Matthias Küntzel weist auf die massive Gefährdung Israels durch iranische Atomwaffen und die besondere Verantwortung Deutschlands hin, das mit seinen Technologielieferungen immer wieder die Sanktionspläne des Sicherheitsrates, dem es selbst angehört, konterkariert. Ein Gleichgewicht des Schreckens, das im Kalten Krieg ein nukleares Inferno verhindert hat, weil jede Atommacht den Gegenschlag fürchtete, scheitert heute am religiösen Fanatismus der Mullahs.

„Wenn es eine Erfahrung gibt, die wir als Nachgeborene aus dem Schrecken des Holocaust und des Zweiten Weltkrieges ziehen können, dann ja wohl die, dass man die Ankündigungen von Antisemiten, die behaupten, sie seien von der Vorsehung oder von einem 12. Imam geschickt worden, um ihr Werk zu vollenden, dass man die Ankündigung von solchen Leuten sehr ernst nehmen muss, dass man sie nicht nur verlachen darf. Und wenn also jetzt seit 30 Jahren und in den letzten Jahren verschärft die Auslöschung Israels durch den Iran propagiert wird, dann muss man auch das richtig ernst nehmen.“

Matthias Küntzels lesenswertes und erhellendes Buch, das vor allem mit der Darstellung der deutsch-iranischen Beziehungen der letzten 30 Jahre Neuland betritt, ist auch ein leidenschaftliches Plädoyer. Küntzel ruft dazu auf, die seit der Kaiserzeit gewachsenen wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Beziehungen mit dem Iran dafür zu nutzen, eine andere Politik in dem Golfstaat zu erzwingen. Angesichts der blutig niedergeschlagenen Proteste nach dem Wahlbetrug in Teheran sei es besonders wichtig, seinen politischen Standpunkt klar zu definieren. Die Gesellschaft im Iran stehe längst nicht mehr homogen hinter den regierenden Mullahs.

„Insofern muss auch die deutsche Industrie sich die Frage stellen: Wem wollen wir für die Zukunft die Hand reichen? Denjenigen, die gieren nach Freiheit, oder denjenigen, die diese Freiheit unterdrücken.“

Ralf Gerstenberg war das über: Matthias Küntzel: Die Deutschen und der Iran: Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Freundschaft. Erschienen im Wolf Jobst Siedler Verlag. 319 Seiten kosten 19,95 Euro.

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