Radikal ist der Vorschlag von Avi Primor. Er fordert, dass europäische Soldaten Israels Schutz vor Kämpfern aus Palästina gewährleisten. Der erfahrene Diplomat zählt vor allem auf osteuropäische (und sogar türkische) Truppen, denn die Westeuropäer würden kneifen, vermutet er. Aber die EU solle die Führung übernehmen, allen voran Deutschland und Frankreich…
Roger de Weck
Viele werden diese Idee von vornherein verwerfen; sie werden sagen: Wir haben eh zu wenig Soldaten, die sind woanders im Einsatz und dort unerlässlich. Und überhaupt, wie sollen europäische Verbände schaffen, was der israelische Besatzer mit aller Härte nicht geschafft hat, nämlich Ruhe herzustellen. Unzählige weitere Einwände dürften erhoben werden – aber!
Frieden in Nahost ist möglich: Deutschland muss Obama stärken
Aber es lohnt sich weiterzudenken. Sollte die EU irgendwann fähig und willens sein, Primors Vorschlag ernsthaft zu erörtern, wird sie zum Schluss kommen: Das gewaltige Risiko können die Europäer nur eingehen, wenn Israel eine Reihe von Bedingungen erfüllt. Keine europäische Nation wird für eine israelische Regierung, die sich wie die jetzige verhält, das Leben der eigenen Soldaten riskieren (können). Wer die unmögliche Aufgabe übernimmt, Stabilität zu schaffen, wird es vernünftigerweise nur dann tun, wenn die Erfüllung der Aufgabe möglich wird: wenn auch Israel den Willen zum Ausgleich der Interessen aufbringt, die Siedlungen und den Anspruch auf Ostjerusalem aufzugeben bereit ist, für menschenwürdige Lebensverhältnisse in Gaza sorgt, einen Marshall-Plan zum Aufbau der besetzten und ruinierten Gebiete mitfinanziert, Frieden mit Syrien schließt.
Europa könnte nur im Rahmen eines möglichst genau abgesteckten Friedensplans Truppen schicken. Darüber hinaus wäre zu sichern, dass nicht nur die unzuverlässige palästinensische Seite unter dem Druck der Friedensmacht alle Verpflichtungen erfüllt, sondern auch das zerstrittene Israel vertragstreu wird.
Primors Vorschlag nimmt das eigene Land stärker in die Pflicht als die Europäer. Überdies ist sein »Standpunkt « ein Indiz des beginnenden Bewusstseinswandels; einzelne israelische Strategen beginnen, Europa – das von den meisten Israelis für eine quantité négligeable gehalten wird – vorsichtig wiederzuentdecken. Das mag mit dem Verlust an Berechenbarkeit der Schutzmacht Amerika zusammenhängen.
Der frühere israelische Botschafter in Deutschland und bei der EU legt eine reale Utopie vor, die eine etwas andere Debatte über den gefährlichsten Konflikt unserer Zeit eröffnet: Primors Buch ist ein Ereignis.
Im Vorwort zum Buch „Frieden in Nahost ist möglich: Deutschland muss Obama stärken“
Unbequeme Einsichten, provokante Ansichten, weitsichtige Vorschläge? Die Essayreihe »Standpunkte« will die Debatte über grundsätzliche und aktuelle Fragen der Politik vertiefen und in die Breite tragen. Die Klarheit der Argumentation soll dazu einladen, die eigene Meinung zu schärfen – und sie ebenso energisch zu vertreten.
Siehe auch Avi Primors Einleitung zu seinem neuen Buch…
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