Im Jahr 1939 gelang es dem jüdischen Kölner Fritz Bader, drei seiner vier Söhne ins vermeintlich rettende Ausland zu schicken. Er selbst blieb mit seiner Frau Regine und dem jüngsten Sohn in Deutschland zurück. Mit zunehmender Verzweiflung hofften Fritz und Regine vergeblich auf eine eigene Fluchtmöglichkeit…
„Kölsche Jonge“ basiert auf den Erinnerungen der überlebenden Söhne Adi und Menasche und Briefen aus den entscheidenden Jahren. Das Buch vermittelt ein eindrucksvolles Bild der zerrissenen Kindheit und Jugend zweier Kölner Jungen.
Eine Rezension von A.E. Panse zum neuen Buch von Ruth Bader
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Ruth Baders Buch „Kölsche Jonge“ beinhaltet gleichermassen eine Botschaft an uns Leser wie an ihre Familie und letztlich auch eine Botschaft, die sie sich selber geschickt hat.
Die Geschichte ihres Vaters Adi Bader steht im Mittelpunkt des Buchs und wird mit Leben gefüllt. Ruth Bader gibt ihm eine Stimme, die seine Erzählungen transportiert und seine Gefühle zum Ausdruck bringt. Mit einem faszinierend detaillierten Erinnerungsvermögen redet er offen und einfühlsam in einer ihm eigenen, unterschwelligen Traurigkeit, die mich sehr bewegt. Adi hatte das Glück, so beschreibt er es ganz bewusst, als „verstecktes Kind“ in Belgien zu überleben, doch er verlor seine Eltern und zwei seiner Brüder. Dieser Verlust und die Zwiespältigkeit zwischen Glück und Leid, Freude und Traurigkeit prägen ihn für sein weiteres Leben.
Die Schlüsselfigur des Buchs ist jedoch Menasche! Ihm, dem ältesten Bruder, wird durch seinen Vater eine Aufgabe, eine Lebensaufgabe, übertragen, die schwerer und verantwortungsvoller nicht sein kann. Als sein Vater schon das Schlimmste ahnt, trägt er dem jungen Menasche auf, sich von nun an um die Geschicke der Familie und den Zusammenhalt der vier Brüder zu kümmern. Ebenso trägt er ihm eine Aufzeichnungspflicht und die Bewahrung des materiellen und geistigen Familienerbes auf. Menasche verschreibt sich dieser Aufgabe mit Haut und Haaren. Nichts anderes treibt ihn in Wahrheit um als diese ungeheuerliche Verantwortung. Er erfüllt sie mit all seinen Kräften. Die grenzenlose Tragik besteht darin, dass er nicht zu seinem eigenen hochgesteckten Ziel kommen kann. Denn es bleibt ihm nur ein einziger Bruder. Und er scheitert am Rest der Familie, die in seinen Augen und nach seinen Massstäben dem hohen Anspruch nicht gerecht werden kann. Wie soll er das nur aushalten? Hier lässt er den Faden irgendwann fallen, entfernt sich von seinen Angehörigen und resigniert scheinbar.
Doch der Faden existiert noch. Ruth Bader nimmt ihn wieder auf. Sie bringt das zu Ende, was Menasche angefangen hat. Sie ist in der ganzen Geschichte, in dem Familienbild, das letzte, noch fehlende Puzzle-Teil. Sie widmet sich dem Familienerbe und trägt gemeinsam mit Menasche die schwere Verantwortung weiter. Indem er ihre Arbeit am Buch unterstützte und das Ergebnis, ein umfassendes Familien- und Zeitdokument, nun in den Händen halten kann, wird er — so hoffe ich — seinen Frieden finden.
Ruth Bader schafft es im ersten Teil des Buchs, den Menschen eine Stimme zu geben. Nach kurzer Zeit hatte ich das Gefühl, die beiden alten Herren sprächen direkt zu mir, ich hörte sie fast. Es ist wie ein Dialog der beiden miteinander, aber auch mit dem Leser. In dem Moment, wo ich in Gedanken eine Frage stellen wollte, gaben sie mir schon die Antwort. Es ist absolut faszinierend, wie beide sich gegenseitig ergänzen, obwohl sie ja gar nicht miteinander sprechen. Dies brachte mich zu der Erkenntnis, dass sie in Wahrheit ja doch miteinander sprechen. Einerseits durch Ruth Bader als ihr „Medium“ und andererseits auch durch ihre Gefühle füreinander, die sie nie verloren haben. Die Verbindung ist noch da!
Die Briefe im zweiten Teil des Buchs stellen für sich genommen schon ein beeindruckendes Werk und Vermächtnis dar. Sie sind bisweilen anstrengend zu lesen und es besteht die Gefahr, dass nicht jeder Leser durchhalten wird. Aber nur in ihrer Gesamtheit können sie ihre Wirkung entfalten.
Es geht um so vieles in diesem Buch, so viele Facetten des Schicksals. Und es geht um die Bewältigung der Vergangenheit, um das Miteinander in der Gegenwart und die Hoffnung auf die Zukunft. Aber die einfachste Formel heisst immer noch: es geht um „Kölsche Jonge“.
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