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„Bauen ist Glückseligkeit“

Eine jüdische Miniatur zum großen Architekten Erich Mendelsohn…

Rezension von Andrea Livnat

Im vergangenen Sommer habe ich zum ersten Mal den Einsteinturm gesehen. Die Erwartungen auf das berühmte Gebäude, das als das expressionistisches Bauwerk schlechthin gilt, waren groß – und wurden nicht enttäuscht. Tief drin im Wissenschaftspark auf dem Telegrafenberg in Potsdam steht der kleine weiße Turm als ob es von einem anderen Stern gekommen wäre. Es nimmt seine Besucher durch seine schlichte Besonderheit ganz gefangen und hat seinen Architekten zu Recht berühmt gemacht.


Der Einsteinturm in Potsdam, Foto: haGalil

Der Einsteinturm markiert den Beginn von Erich Mendelsohns Karriere. Ein neuer Band in der Reihe „Jüdischen Miniaturen“ bei Hentrich & Hentrich zeichnet das Leben des visionären Architekten nach. Autorin Ita Heinze-Greenberg beschäftigt sich seit 1980 mit Mendelsohn und konnte noch seine Witwe interviewen. Auch mit Tochter und Enkelin Mendelsohns stand sie in Kontakt, ein persönlicher Kontakt, der sich als roter Faden durch das Büchlein zieht und dem Leser den Biografierten näherbringt.

Erich Mendelsohn wurde 1887 in Ostpreußen geboren. Sein Vater betrieb ein Bekleidungsgeschäft. Die Familie lebte akkulturiert und patriotisch deutsch. Dem Wunsch eines Architekturstudiums gab der Vater nicht nach, Erich versuchte sich zunächst als Lehrling in einer Maschinenbaufirma und dann in München als Jura- und Wirtschaftswissenschaftsstudent bis schließlich der Vater umgestimmt werden konnte. Nach zwei Semestern in Berlin kehrte Mendelsohn im Sommer 1910 zum Architekturstudium nach München zurück.

Zu dieser Zeit begann auch seine innige Brieffreundschaft mit der Cellistin Luise Maas, die schließlich 1915 seine Frau wurde. Ita Heinze-Greenberg bezeichnet den 43 Jahre währenden Briefwechsel der beiden als Zeugnis der gemeinsamen Hingabe an die Kunst: „Auf privates oder alltägliches Geplänkel trifft man hier eher selten, dafür aber, ganz besonders in den ersten Jahren ihres Austausches, auf das Bemühen um Verständnis großer kulturphilosophischer, aber auch gesellschaftlicher und politischer Zusammenhänge.“ (S. 21) Musik war für Mendelsohn ein Leben lang die große Inspiration unter deren Einfluss auch die meisten seiner Skizzen entstanden.

Nachdem ihn der Einsteinturm, der als Forschungslabor zur Bestätigung von Einsteins Relativitätstheorie zwischen 1919 und 1922 errichtet wurde, bekannt gemacht hatte, wuchs Mendelsohns Büro in Berlin trotz der wirtschaftlich schwierigen Jahre in den Anfangsjahren der Weimarer Republik rasch. Schon Ende der 20er Jahre hatte er 40 Angestellte und realisierte Projekte in ganz Deutschland, darunter Schocken-Kaufhäuser in Nürnberg, Stuttgart und Chemnitz, die Erweiterung des Verlagshauses Mosse in Berlin und das Ufa-Premierenkino „Universum“.

Ende 1930 war das von Mendelsohn entworfene Privathaus Am Rupenhorn für die Familie bezugsfertig, das schnell zum architektonischen Anziehungspunkt in Berlin wurde. Doch Mendelsohn und seine Frau Luise konnten das Haus nicht lange genießen, Erichs Geburtstagsfeier im März 1933 sollte das letzte Fest werden, dass im Haus ausgerichtet wurde. Mendelsohn war sich bewusst, dass er Deutschland schnell verlassen musste und schätzte die Lage in einem Brief an seine Frau schon Anfang Februar 1933 erschreckend genau ein: „Das Animalische der Bewegung wird sein Lebensrecht, sein Blutrecht verlangen – ein Blick in die Gesichter ihrer Vertreter spricht von eindeutiger Grausamkeit. Man kann dem Fanatismus nicht mit Gleichgültigkeit begegnen, der auserwählten Idee nicht mit Zuvorkommenheit, dem Rassenhass nicht mit Verachtung. Man schließt uns aus vom Gnadentisch, von der Menschlichkeit. Also muß man sich frei machen und diesem Kreis den Rücken kehren.“

Mendelsohn eröffnete zunächst in London ein neues Büro, kurz darauf ein weiteres in Jerusalem. Der Auftrag, für den Präsidenten der zionistischen Weltorganisation Chaim Weizmann ein Privathaus in Rechovot zu errichten, führte ihn 1934 nach Palästina. In den folgenden fünf Jahren pendelte er zwischen den beiden Büros, bis er schließlich im Sommer 1939 die Zelte in Europa abbrach und ganz nach Jerusalem zog, wo er im Stadtteil Rechavia in einer alten Windmühle lebte und arbeitete. Neben der Weizmann-Villa gehören und dem Privathaus für Salman Schocken sind Mendelsohns Bauten in Palästina vor allem Großprojekte, wie zum Beispiel das Hadassah Krankenhaus am Skopusberg in Jerusalem.


Das neue Hadassah Universitäts-Zentrum, Innenhof des Krankenhauses

Auch in Palästina äußerte sich Mendelsohn kritisch und kommentierte die politische Situation deutlich: „Das Problem, dem sich der Jude in Palästina gegenübersieht , ist, wie er einen ebenbürtigen Rand zwischen seinen Nachbarn erreichen kann, wie er eine Zelle des zukünftigen semitischen Staatenbundes werden kann, zu dem er aufgrund seiner Rasse, seiner Sprache und seines Charakters gehört.“ Die Mendelsohns verließen 1941 das Land, aus den verschiedensten Gründen, „die Enttäuschung, die hoch gesteckten Ideale, die Menselsohn mit dem Zionismus verbunden hatte, jenen buberschen Traum von der Verortung der kreativen Identität nicht erfüllt zu sehen“, mag dazu gehört haben, wie Ita Heinze-Greenberg summiert.

Die letzten zwölf Jahre seines Lebens verbrachte Mendelsohn in den USA. Zunächst in New York, dann in San Francisco war es für den großen Architekten jedoch zunächst schwer, beruflich Fuß zu fassen, so dass Mendelsohn mit Vorträgen und Berateraufträgen auskommen musste. Nach dem Umzug an die Westküste realisierte er einige Synagogen und erhielt 1947 einen Lehrauftrag in Berkeley.

Eine letzte Schaffensphase, die ihn möglicherweise zu seinen ersten Szizzen zurückgeführt hätte, blieb Mendelsohn verwehrt. Er starb am 15. September 1953 im Alter von 66 Jahren an einer Krebserkrankung. Seine Asche wurde gemäß seinem Wunsch ins Meer verstreut.

Ita Heinze-Greenberg, wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Theorie und Geschichte von Architektur, Kunst und Design der TU München, hat bereits zahlreiche Schriften zu Mendelsohn und anderen deutsch-jüdischen Architekten, die ebenfalls in Palästina wirkten, verfasst. Gerade das Format der Jüdischen Miniatur ist jedoch besonders zu empfehlen, weil es auch für solche Leser geeignet ist, die nicht allzu sehr in die Tiefe einsteigen möchten. Auf 76 Seiten informiert das wunderbare Büchlein dennoch umfassend über Leben und Werk des Visionärs Erich Mendelsohn. – al

Ita Heinze-Greenberg: Erich Mendelsohn. „Bauen ist Glückseligkeit“, 88 Seiten, Broschur, 21 Abbildungen, Jüdische Miniaturen Bd. 116, Hentrich & Hentrich 2011, Euro 8,90 €, Bestellen?

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