Jerusalem ist nicht nur erfüllt von religiösen und historischen Mythen, sondern auch vom Wirken einer bekannten Musikerfamilie. Doch ehe an Pessach Frieden in die Heilige Stadt einkehrt, wird das Oberhaupt der Musikerfamilie, Felix van Gelden, brutal ermordet. Frei nach dem Roman „“ von Batya Gur…
Mörderischer Besuch
ZDF – 06.12.2010 20:15-21:45 – Der Fernsehfilm der Woche
Nach „Die Seele eines Mörders“ ist dies ein weiterer Fall mit Heiner Lauterbach als Jerusalemer Chefinspektor Ochajon, frei erzählt nach einem Kriminalroman von Batya Gur.
Video: Ein-Land-mit-vielen-Ambivalenzen
Inspektor Michael Ochajon ist nicht nur hingerissen von seiner Nachbarin Nita, sondern auch von dem Lächeln eines kleinen Kindes, das vor seiner Wohnung abgelegt wurde. Doch ehe sich Ochajon um das Kind kümmern kann, wird er an den Tatort gerufen. Entdeckt wurde die Leiche von Dora Sackheim, einer Freundin des Hauses. Balilati macht Ochajon am Tatort darauf aufmerksam, dass ein Gemälde fehlt. Hängt der Mord mit einem Kunstraub zusammen?
Unfall, Selbstmord oder Mord?
Ochajon begegnet Nita an diesem Tag zum zweiten Mal. Sie ist die Tochter des Opfers. Ochajon vermutet eine Beziehungstat, doch Nita kommt für ihn nicht als Mörderin in Frage. Hat einer der Söhne, Gabriel oder Theo, ein Motiv? Spannungen und Konflikte in der Familie gibt es genug. Gabriel war schwul – sein Freund Isi durfte nicht an der Familienfeier teilnehmen.
Was die Ermittler sehen und wissen, müssen sie neu bewerten, als die Leiche von Gabriel gefunden wird. War der Sturz vom Dach Unfall, Selbstmord oder Mord? – Fragen, die sich Daniel Balilati, Ochajons Kollege, immer weniger stellt, je öfter er Ochajon mit Nita zusammen sieht. Sie gehört zum Kreis der Verdächtigen. Polizeipräsident Schorr bleibt schließlich nichts anderes übrig, als Ochajon von dem Fall abzuziehen. Und Balilati beobachtet, wie Nita das gestohlene Gemälde ihrem Ex-Mann Hassan übergibt.
Grausame Vergangenheit
Ochajon ermittelt auf eigene Faust weiter. Der Schlüssel zur Aufklärung der Verbrechen liegt in einem wertvollen Requiem und der grausamen Vergangenheit des ersten Opfers. Keiner kennt diese Vergangenheit besser als der verschwundene Geschäftspartner von Felix van Gelden, Herzl Cohen. Ochajon begibt sich auf die Suche nach ihm und nach der Person, die das Kind vor seiner Tür abgelegt hat.
Interview mit Regisseur Jorgo Papavassiliou
ZDF: Zu Beginn des Krimis wird das Oberhaupt einer bekannten Musikerfamilie ermordet. Was ist das Besondere an den Figuren und ihren Motiven?
Papavassiliou: Der Roman und das Drehbuch bieten sehr viel mehr als lediglich einen Mord innerhalb einer bekannten israelischen Musikerfamilie. Der Originaltitel des Romans heißt „Das Lied der Könige“. Wen meint die israelische Autorin jüdischen Glaubens damit? Sicherlich die drei jüdischen Könige aus der Thora beziehungsweise aus dem Alten Testament: Saul, David, Salomon. Saul, der kriegerische Eroberer, der sich sogar gegen seinen eigenen Gott versündigt (versucht er doch, David umbringen zu lassen), David, der listige, intelligente König der Juden, der mit den Feinden auch Frieden schloss und Salomon, die Inkarnation der Weisheit und Klugheit, unter dem das jüdische Volk seine beste Zeit hatte. Wer der drei Kinder des ermordeten „Übervaters“ Felix van Gelden (Gott?) repräsentiert metaphorisch und archetypisch welchen König? Und warum?
Ich habe versucht, diesen Fragen und dieser Stoffqualität mit meiner Inszenierung gerecht zu werden. Bei all diesen Aspekten – gepaart mit einem sehr intelligenten und spannenden Krimiplot, einer hochemotionalen Dramatik und einem exzellenten Cast – war mir klar, dass ich ein kleines „Krimijuwel“ in den Händen halte. Was will ein Regisseur mehr?
ZDF: Sie haben bereits in verschiedenen Ländern gedreht. Wie empfanden Sie die Dreharbeiten in Israel? Gibt es gravierende Unterschiede im Vergleich zu einem Dreh in Deutschland?
Papavassiliou: Ich habe in der Tat in sehr vielen verschiedenen Ländern bereits gedreht, und überall gibt es Vor- und Nachteile. Da ich aufgrund meiner griechischen Wurzeln mit der abendländischen wie auch mit der morgenländischen Kultur vertraut bin, war es für mich nicht besonders schwierig, in Israel einen Film zu drehen. Wir hatten ein gemischt deutsches, israelisches und arabisches Team zur Verfügung. Anfänglich gab es gewisse Schwierigkeiten, die sich aber von Tag zu Tag legten. Die ausgesprochen professionell agierende israelische Serviceproduktion hatte für jedes Problem eine Lösung.
Darüber hinaus agierten die meisten israelischen Crewmitglieder sehr kompetent. Und wenn man Arabern jeden Tag mit Respekt und einem „Selaam u‘ aleikum“ begegnet, werden einem alle Wünsche erfüllt. Zusammenfassend kann ich sagen, dass die Drehbedingungen in Israel sicherlich nicht so optimal und organisatorisch perfekt ablaufen wie in Deutschland. Dafür versteht es diese Kultur im Orient jedoch weitaus besser, mit Improvisation und Cleverness Probleme schnell zu lösen!
ZDF: Sie drehten viele der Szenen, die eigentlich in Jerusalem spielen, in Jaffa bei Tel Aviv. Wäre es schwieriger gewesen, in der heiligen Stadt zu drehen?
Papavassiliou: Sicherlich wäre es schwieriger gewesen, in der heiligen Stadt Jerusalem zu drehen. Jerusalem ist in jeglicher Hinsicht eine Stadt im kulturellen, religiösen und politischen Ausnahmezustand. Während man in Tel Aviv das Gefühl hat, sich in einer Stadt wie Thessaloniki oder Nicosia aufzuhalten – mitsamt ihrer europäischen Vor- und Nachteile – und man in Jaffa den Eindruck bekommt, sich in einer „stinknormalen“, aber auch pulsierenden arabischen Stadt aufzuhalten, spürt man in Jerusalem bereits an der Stadtgrenze, dass hier alles anders ist als im Rest der Welt. Ich persönlich hatte den Eindruck, dass ich in einem anderen Land bin.
Hätten wir den Film überwiegend in Jerusalem gedreht, hätten wir drei bis vier Drehtage mehr mit den entsprechenden Mehrkosten generiert. Ganz zu schweigen vom Mehraufwand an Personal, Sicherheit und Überstunden. Jerusalem ist zwar aufregender, an historischer Vielfalt und Bedeutung über jeden Zweifel erhaben, aber auch lauter, enger und auch unberechenbarer als Tel Aviv und Jaffa. So musste zum Beispiel an einem der Drehtage in Jerusalem unser Dreh in der Nähe der Klagemauer für zwei Stunden unterbrochen werden, weil ein japanischer Tourist seinen Kamerakoffer auf einer Sitzbank vergaß. Das Gebiet musste weiträumig abgesperrt werden und Sprengstoffspezialisten „entschärften“ schließlich den Kamerakoffer.
ZDF: Wie haben Sie die Zusammenarbeit in dem binationalen Team mit deutschen und israelischen Schauspielern und Crewmitgliedern empfunden?
Papavassiliou: Ich persönlich profitiere vom einem gemischtnationalen Team und Cast. Ich versuche immer, die Vorteile in diesen Beziehungen zu sehen und diese auch zu nutzen. Man lernt in solchen Konstellationen menschlich immer dazu, und man schließt neue Freundschaften – sowohl in privater wie auch professioneller Hinsicht. Die Schauspieler in Israel agieren in ihrer Art sicherlich etwas anders als der „angelsächsische“ Stil, der in Deutschland prägend ist. Weniger verkopft, mehr körperlich, dafür jedoch nicht so präzise und differenziert wie ihre – meist hervorragend ausgebildeten – deutschen Pendants. Unterm Strich zeugte die Zusammenstellung des Teams und des Casts von einem „glücklichen Händchen“. Alle haben voneinander profitiert und ihre Performances gegenseitig gesteigert.
Darsteller:
Michael Ochajon – Heiner Lauterbach
Daniel Balilati – Menashe Noy
Hannah – Astrid Posner
Dora Sackheim – Hannelore Hoger
Nita van Gelden – Liane Forestieri
Theo van Gelden – Benjamin Sadler
Gabriel van Gelden – Wilfried Hochholdinger
Felix van Gelden – Joost Siedhoff
Ya’ir – Kais Nashif
Hassan – Bülent Sharif
Herzl Cohen – Ezra Dagan
Dascha – Lucy Dubinchik
Isi Maischiach – Oshri Sahar
Dr. Solomon – Dov Reiser
Schorr – Dovale Glickman…
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