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Juden in Schwaben

Neuester Band der Studien zur jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern…

Die Publikation gibt im Wesentlichen die Ergebnisse der 2009 in Augsburg von der Landeszentrale für politische Bildung in Bayern und dem Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur an der Universität München durchgeführten Tagung über die Juden im Bereich des heutigen Regierungsbezirks Bayrisch-Schwaben wieder. In 14 Texten wird ein Bogen vom 13. Jahrhundert bis in unsere Zeit geschlagen und die mannigfaltige Geschichte der jüdischen Ansiedlung auf dem Gebiet zwischen Württemberg, Österreich, Oberbayern und Franken nachgezeichnet.

Die Region Bayerisch-Schwaben gehörte zu einer der bedeutendsten jüdischen Landschaften Deutschlands. Insbesondere das urbane Judentum in den Städten Augsburg, Donauwörth, Nördlingen und Lindau spielte bis zur Vertreibung, gegen Ende des Mittelalters, eine entscheidende Rolle. Im 16. Jahrhundert war das jüdische Leben durch Migration geprägt, die eine hohe Mobilität der jüdischen Minderheit voraussetzte. Nicht mehr zentrale Siedlungsorte, sondern verstreute Dorfgemeinschaften und Marktorte, die unter dem Schutz von Adeligen standen, boten den Juden eine Existenzchance: Die Geburtsstunde des klassischen Landjudentums, das sich im bayerischen Schwaben gut entwickeln konnte. Mit der schrittweisen rechtlichen Gleichstellung im 19. Jahrhundert erfolgte auch die Rückkehr in die Städte. Überdies wird der Blick auf die Vernichtung jüdischer Existenz in der NS-Zeit sowie auf den Neuanfang in der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart gerichtet. Bei diesem Gang durch Zeit und Raum werden die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekte der jüdischen Geschichte Bayerisch-Schwabens beleuchtet und eingeordnet.

Jüdische DP-Gemeinde Bad Wörishofen
In der jüdischen DP-Gemeinde Bad Wörishofen existierte in der Nachkriegszeit eine Koschere Küche des Vaad Hatzala sowie ein Büro der Organisation „Histadrut ha Zionit Ichud“.

Der Band Juden in Schwaben ist größtenteils eine gelungene und kenntnisreiche Zusammenfassung von rund acht Jahrhunderten jüdischer Geschichte. Namhafte Autoren wie etwa Andreas Wirsching, Benigna Schönhagen, Rolf Kießling oder Martina Steber wenden sich mit ihren Beiträgen nicht nur an akademische Kreise, sondern möchten das Interesse an diesem Kapitel der Heimat- und Regionalgeschichte auch außerhalb der universitären Institutionen wecken. Leider sind die Texte über den Neubeginn nach 1945 weniger zu empfehlen – alter Wein in neuen Schläuchen! Dass nach dem Krieg in Bayerisch-Schwaben knapp zehntausend jüdische DPs in drei großen Camps und in 16 Gemeinden lebten – kein Wort darüber. Obwohl die Quellensituation hervorragend ist.

A HejmNeben der jiddischsprachigen Zeitung „A Heim“, die im DP-Camp Leipheim verlegt wurde, liegen zahlreiche aussagekräftige Unterlagen der jüdischen Gemeinden, der DP Selbstverwaltung, der Hilfsorganisation Joint und der UNRRA vor. Diese Dokumente ermöglichen einen tiefen Einblick in die jüdische Nachkriegswelt. Stattdessen wird dem Leser ein Text über das in Oberbayern gelegene jüdische DP-Lager Landsberg präsentiert. Wobei die Autorin mehr oder weniger die entsprechende Sekundärliteratur und insbesondere das 1998 erschienene, aber immer noch aktuelle Standardwerk von Angelika Eder, Flüchtige Heimat. Jüdische Displaced Persons in Landsberg am Lech zusammenfassend wiedergibt.

Bild: Titelseite der jiddischsprachigen Zeitung A Heim, das Blatt der jüdischen DPs in Bayerisch-Schwaben. Die erste Ausgabe erschien im Februar 1946.

Wer also etwas über die Zeit des jüdischen Neubeginns in Bayerisch-Schwaben erfahren möchte, sollte daher nachfolgende Publikationen zu Rate ziehen: Andrea Sinn, Gehen oder Bleiben. Lebenswelten osteuropäischer und deutscher Juden in der Nachkriegszeit, 1945–1950, Augsburg 2012 und Peter Fassl u. a. (Hg.), Nach der Shoa. Jüdische Displaced Persons in Bayerisch-Schwaben 1945–1951, Konstanz 2011.

Warum die aktuellen Forschungsergebnisse zur Nachkriegsgeschichte ausgeblendet wurden, bleibt letztlich unverständlich. Zeit genug, diese zur Kenntnis zu nehmen, war jedenfalls reichlich vorhanden, da zwischen der Tagung im Februar 2009 und der Veröffentlichung des Bandes im Juli 2013 über vier Jahre ins Land gingen! Ein Verzicht, dieses Kapitel der Zeitgeschichte zu beschreiben, wäre ehrlicher und konsequenter gewesen. So bleibt nach der Lektüre des Überblickswerks Juden in Schwaben leider ein schaler Nachgeschmack. (jgt)

Michael Brenner/Sabine Ullmann (Hg.), Die Juden in Schwaben, Oldenbourg Verlag München 2013. 311 S., 34,80 €, Bestellen?

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