Aufgrund von bisher unveröffentlichten, sensationellen Quellen hat der Historiker Hans Schafranek eine Geschichte der „Österreichischen Legion 1933-1938“ publiziert…
Eine Rezension von Karl Pfeifer
Diese im „Dritten Reich“ stationierte Legion umfasste mehr als 15.000 Aktivisten der österreichischen SA, die bei verschiedenen Terroranschlägen und später beim „Anschluss“ eine wichtige Rolle spielten. Schafranek hat die regionale Herkunft, Alters- und Sozialstruktur, NS-Organisationsdichte und Fluchtbewegungen der Legionsangehörigen analysiert und festgestellt, dass diese aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten – vom Bauernknecht und Hilfsarbeiter bis zum Arzt und Fabrikbesitzer bestand.
Viele dieser Legionäre begingen schwere Verbrechen in Österreich, die von Schafranek detailgetreu dokumentiert werden. Weil sie unter der Schirmherrschaft der staatlichen bayerischen Behörden und insbesondere der politischen Polizei standen, wurden sie vor strafrechtlicher Verfolgung bzw. der Auslieferung nach Österreich bewahrt. Ein besonders interessantes Kapitel beschäftigt sich mit den rivalisierenden Parteiinstanzen, staatlichen Behörden und den außenpolitischen Konflikten. Auch die internen Konflikte, Säuberungsaktionen und Disziplinierungsmaßnahmen wie auch das Verhältnis der Legionäre zur Zivilbevölkerung werden beleuchtet.
Wie bei vielen illegalen österreichischen Nationalsozialisten wurden auch die Hoffnungen vieler Legionsangehöriger nach dem „Anschluss“ politische Schlüsselpositionen zu erlangen enttäuscht. Allerdings konnten sie sich an den „Arisierungen“ beteiligen. Schafranek dokumentiert auch das Beispiel eines SA-Standartenführers der persönlich am Mordversuch an zwei Heimwehrangehörigen beteiligt war und dessen Einheit beim Novemberpogrom in Innsbruck eine Rolle spielte. Er wurde 1948 zu einer Kerkerstrafe von 3 ½ Jahren verurteilt. Es fällt auf, wie milde diese Hochverräter nach der Befreiung in Österreich bestraft wurden.
Das Buch ist nicht nur ein wichtiger Beitrag zur österreichischen Historiographie, sondern auch lesbar wie ein spannender Kriminalroman. Zum Beispiel schildert er im Kapitel biographische Beiträge die Geschichte des Fememörders und verhinderten „Rassenschänders“ Günther Mark von Traisenthal. Dieser SA-Sturmführer verkehrte im Oktober 1934 im Münchner Café Fürstenhof. „Einmal blieb sein Blick an einer attraktiven Frau haften, die einige Tische entfernt saß und den Blick erwiderte, freilich eher kühl und verächtlich.“ Der SA-Uniformträger missverstand diese Mimik gründlich, er imaginierte in seinem Gegenüber eine Domina und ließ der Frau durch die Kellnerin einen Zettel zukommen, den er mit Namen und Adresse seines Hotels versah. Die Jüdin Gertrud Feuchtwanger antwortete tags darauf mit beißendem Sarkasmus. U.a. schrieb sie:
“Seien Sie nicht traurig, Herr v.T., dass Ihr Rasseninstinkt Sie betrog, auch das muss gelernt sein, und ich bin sicher, dass in 1.000 oder 2.000 Jahren Ihre Nachkommen schon auf der Straße wittern werden, in welchem Kaffeehaus eine Jüdin sitzt.“ Doch er ließ sich dadurch nicht abschrecken und erging sich in pseudophilosophischem Geschwätz und zahlreichen schwülstigen Andeutungen. Aus der lesenswerten Antwort von Gertrud Feuchtwanger zitiere ich nur den letzten Satz: „Ihrer neuerlichen Anschauung sehe ich mit Vergnügen entgegen, nur bitte ich um klares und gutes Deutsch ohne sophistische Fremdwörter talmudischer Gesinnung.“
Schafraneks 496 Seiten umfassendes Buch wird wohl für lange Zeit das Standardwerk über dieses dunkle Kapitel österreichischer Geschichte bleiben.
Hans Schafranek: Söldner für den Anschluss. Die Österreichische Legion 1933-1938, Czernin Verlag Wien, 2011, Bestellen?
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