„Sechzig Jahre Israel“ — das ist eine kurze Zeit für die Existenz eines Staates, eine lange aber, wenn es um Menschenleben geht. Zwei Generationen stehen zwischen der Zeit der Shoah und uns Heutigen. In dem Buch „Von Kassel nach Haifa. Die Geschichte des glücklichen Juden Hans Mosbacher“ berichtet ein Mann, fast achtzig Jahre alt, selbst ein Überlebender des Holocaust, die Geschichte eines anderen Überlebenden. Es ist die Geschichte seines Vaters, der so sehr in der deutschen Kultur verwurzelt war, dass er diese mit in die Emigration nahm.
Der deutsche Jude Hans Mosbacher lebte 55 Jahre in Kassel, bevor er 1937 nach Haifa emigrieren musste. Seine Geschichte erlaubt einen Einblick in das zerstörte deutsche Judentum, exemplarisch dargestellt an der Lebensgeschichte eines typischen Vertreters des selbstbewussten jüdischen Bürgertums vor 1933 in Deutschland. Hans Mosbacher zeichnete sich durch vielseitige Interessensgebiete und Tätigkeitsfelder, vor allem aber durch Humor und Lebenswitz aus.
Die Vita Hans Mosbachers gehört zu den Lebensläufen, die bisher keinen Eingang in den Erinnerungsdiskurs gefunden haben. Umso spannender liest sich daher die Chronik dieses optimistischen Menschen, der durch seinen Humor und seine Treue zur deutschen Kultur eine traurige Vergangenheit mit einer freudreichen Zukunft zu verbinden verstand.
Die vorliegende Biografie entstand, indem Prof. Maoz der Chronistin und Geschäftsführerin der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Kassel, Dr. Eva M. Schulz-Jander, die Geschichte seines Vaters erzählte und ihr Dokumente, Fotos und Manuskripte zur Ansicht überliess.
Eva Maria Schulz-Jander:
„Von Kassel nach Haifa. Die Geschichte des glücklichen Juden Hans Mosbacher"
euregioverlag 2008
160 Seiten "¢ kart. "¢ mit zahlreichen Abbildungen und Faksimiles
ISBN 978-3-933617-33-0
Euro 14,90
Vorwort der Stadt Kassel
Kassel besass einst eine grosse jüdische Gemeinde, die sich der Stadt verpflichtet wusste. Die jüdischen Bürgerinnen und Bürger waren bis zur nationalsozialistischen Barbarei in unserer Stadt integriert; sie lebten unter uns, waren Teil der Stadtgesellschaft, und leisteten einen bedeutenden Beitrag zum sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben Kassels. Das hat sie nicht geschützt; sie haben nach 1933 unter den entsetzlichen Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands gelitten, viele von ihnen verloren ihr Leben. Ihr Beitrag zur Geschichte unserer Stadt wurde ausgelöscht.
Die Autorin Eva Schulz-Jander hat jetzt die Lebensgeschichte des wohlhabenden jüdischen Bürgers Hans Mosbacher aufgeschrieben, der 1937 aus Kassel vertrieben wurde und mit seiner Familie nach Palästina auswanderte. Hans Mosbacher war einer jener typischen Vertreter eines selbstbewussten, gebildeten und liberalen jüdischen Bürgertums, die nach der "Machtergreifung", dem Terror der Nazis und der Entrechtung durch die "Nürnberger Gesetze" 1935 zunächst in Deutschland blieben. Sie betrachteten sich als Deutsche, und hatten starke Bindungen an ihre Heimat. Gewaltsam wurde ihnen diese Verbundenheit ausgetrieben, aus dem sozialen und kulturellen Umfeld, das sie prägte, wurden sie herausgerissen.
Doch obgleich Hans Mosbacher das Schicksal vieler jüdischer Emigranten aus Deutschland teilt, die sich in Palästina niederliessen, so hat er doch nie seine Lebensfreude, seinen Humor und seinen Sprachwitz verloren. Die emotionale Bindung zu seiner Kasseler Heimat nahm er mit nach Haifa, und so lebte in Israel in der Familie und im Freundeskreis ein Stück Kassel weiter.
Benyamin Maoz war sieben Jahre alt, als die Familie nach Palästina aufbrach. Es ist ein liebevoller Blick zurück, wenn er in seinen Erinnerungen das Bild seines Vaters zeichnet. Eva Schulz-Jander lässt uns durch ihre Erzählung am Leben Hans Mosbachers teilhaben. Wir lernen einen Menschen kennen, der sich die Fähigkeit zum Glücklichsein bewahrt hat. Doch blicken wir gleichzeitig auf die aussterbende Welt des früheren deutschen Judentums. Denn so sehr diese bemerkenswerte Chronik diesem lebensfrohen Menschen ein sprachliches Denkmal setzt und dem gängigen Erinnerungsdiskurs widerspricht, so macht sie uns gleichzeitig schmerzlich bewusst, wie viel wir verloren haben.
Es ist ein wunderbares Buch, das uns Eva Schulz-Jander und Benyamin Maoz geschenkt haben. Ich wünsche ihm viele Leserinnen und Leser.
Bertram Hilgen
Oberbürgermeister der Stadt Kassel
Leserbriefe