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Jüdische Ärzte in Schöneberg

Deportation und Ermordung, Emigration, Suizid, Überleben im Versteck – vielfältig sind die Schicksale, die im vorliegenden Band, dem Begleitbuch einer gleichnamigen Ausstellung über jüdische Ärzte in Schöneberg, vorgestellt werden. An zwölf exemplarischen Biografien werden die Lebenswege der jüdischen Mediziner nachgezeichnet, die in jenem Berliner Viertel lebten und praktizierten und die stellvertretend für viele Hunderte anderer stehen…

Die Herausgeberinnen Ruth Jacob und Ruth Federspiel sind ein ideales Gespann für das Projekt. Jacob ist selbst Ärztin, genauer gesagt Neurologin und Psychiaterin, und hat sich bereits intensiv mit der Emigrationsgeschichte der deutschsprachigen jüdischen Ärzte beschäftigt. Federspiel wiederum ist Historikerin und hat u.a. auch die Ausstellung „Wir waren Nachbarn“ zu 142 Biografien jüdischer Zeitzeugen aus Schöneberg und Tempelhof wissenschaftlich begleitet.

Der Band stellt zunächst Hintergrundinformationen zum jüdischen Leben in Schöneberg, wie auch zu Ausgrenzung und Verfolgung jüdischer Ärzte durch die Nationalsozialisten im Allgemeinen dar. Fast zwei Drittel der Schöneberger Ärzte hatten jüdische Wurzeln. Alle, ohne Ausnahme, wurden durch die nationalsozialistischen Gesetze gezwungen, spätestens 1938 ihre Praxen aufzugeben. In Schöneberg betraf dies über 350 Ärzte, in ganz Berlin fast 60 Prozent aller niedergelassenen Ärzte. Die Demütigungen, den Verlust von Existenzgrundlage und die Ausgrenzung belasteten den Kinderarzt Albert Falk so sehr, dass er sich im Dezember 1938 das Leben nahm. Andere Ärzte, wie etwa die international renommierten Mediziner Arthur Simons, Neurologe, oder Abraham Buschke, Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, harrten in Berlin aus, wurden schließlich deportiert und ermordet.

Doch es gibt auch Erfolgsgeschichten, so wie jene von Joseph Lachmann. Der 1882 in Posen geborene Mediziner spezialisierte sich auf die in den Anfängen stehende Fachrichtung Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Als überzeugter Zionist emigrierte er 1933 mit seiner Familie nach Palästina, wo er die HNO Abteilung im ersten Universitäts-Krankenhaus aufbaute und zu den angesehensten Medizinern des Landes gehörte.

Der Band wird durch einen historischen Stadtplan von Schöneberg wie auch durch verschiedene Stimmen der Nachfahren aus unterschiedlichen Teilen der Welt ergänzt. Ein lesenswertes Buch, das nicht nur Berlinern und an Medizingeschichte interessierten Lesern empfohlen sei. Im Gegenteil, der Band bietet Einblick in einen Teilbereich der Geschichte des Nationalsozialismus, der exemplarisch die Ausgrenzung der Juden seit 1933 und ihre vernichtenden Folgen anschaulich vermittelt.

Ruth Federspiel (Hg.), Ruth Jacob (Hg.): Jüdische Ärzte in Schöneberg – Topographie einer Vertreibung, 128 Seiten, Klappenbroschur, 34 Abbildungen, Hentrich & Hentrich 2012, Euro 14,90, Bestellen?