François
Lilienfeld,
Die Musik der
Juden
Osteuropas.
lomir ale singen
Chronos Verlag
2002
Euro 29,90
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Yossele Rosenblatt mit Abraham Ellstein (Orgel)
Hajom harass oylom
v. 7.9.1927
Rezension:
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Viel ist vom Untergang
der ostjüdischen Lebenswelt geschrieben worden, durch den auch die
jiddische Musik bedroht war, die jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg ein
bemerkenswertes Wiederaufleben erfuhr. Heute ist, auch in Deutschland,
viel Klezmer-Musik zu hören, die kein Klesmer, sondern das
eingedeutschte "Kletzmer" ist, nicht nur im Sinne der Aussprache des
Wortes. In dem was an anderer Stelle als
Jewish
Disneyland bezeichnet wurde, geht der Ursprung der jüdischen
Lebenswelt oft unter. Das
vorliegende Buch hat es sich zur Aufgabe gemacht, die
historischen,
sprachlichen, kulturellen und stilistischen Hintergründe der Musik der
Juden Osteuropas zu zeigen und ist dabei gleichermaßen für
für Laien und professionelle Musiker
interessant gestaltet.
Der Autor François Lilienfeld, der sich seit über
dreißig Jahren als Forscher und Interpret mit ostjüdischer Musik
beschäftigt, stellt mit profundem Wissen die verschiedensten Aspekte
dar. Beginnend mit einer Einführung zur religiösen Musik, stellt
Lilienthal die Biographien einiger berühmter osteuropäischer Kantoren
vor, darunter beispielsweise Josef (Yossele) Rosenblatt und in einem
Exkurs zur gemäßigten Reform der Aschkenasischen Liturgie Salomon
Sulzer.
Das jiddische Lied, Spiegel des osteuropäischen
Lebens, ist markant durch die Nähe der Gegensätze Fröhlichkeit und
Melancholie geprägt. Lilienfeld gibt Textbeispiele und stellt einzelne
Liederschöpfer und Interpreten vor. Zwei Exkurse führen in die Welt des
jiddischen Theaters und Films ein.
Es ist nicht erstaunlich, so Lilienfeld, "dass der
vielgepriesene russische Geigenstil dieser Generation
[geb.um 1880]
viele Merkmale mit klesmorischen Klängen gemein hat: einen herb-süssen
Ton, Liebe zu Verzierungen, gezielten Vibrato-Einsatz und vor allem viel
ausladende Gefühlstiefe." Die Geigenschüler aus dem Ansiedlungsrayon
waren von Stil und Spiel der "fidlers" geprägt. Lilienfeld stellt nicht
nur den klassischen Klesmorim dar, sondern geht auch der Frage nach, wie
die Musik im Schtetl klang. Die ersten
Schallplatten stammen aus dem Jahr 1906, die Klänge zuvor können anhand
von Photographien, die die Instrumentenzusammenstellungen zeigen, nur
erahnt werden.
Neben einem ausführlichem Kapitel unter dem Titel
"Klez Goes West", in dem die Stars des Yiddish Music bis hin zu
den Epstein Brothers Erwähnung finden, geht Lilienfeld auch auf die
jüngste Entwicklung, den Klesmer-Aufschwung in Deutschland mit
Beispielen ein.
Das Buch ist durch einen Anhang mit einer Erklärung
der verschiedenen Formen von Klesmer-Stücken, sowie eine ausführliche
Bibliographie und Diskographie ergänzt. Zahlreiche
Illustrationen, Notenbeispiele, Liedertexte und nicht zuletzt die
beigelegte CD mit 18 Tonbeispielen illustrieren die Klangwelt der
jüdischen Musik Osteuropas.
Eastern European Jewish musical traditions:
Lomir ale singen
In present-day Germany, Austria, and Switzerland, the
discourse around the field of Yiddish music and Yiddish music research has
become one of ethnicity and race. At a time when the role of Jews in Germany
is marginalized—yet expected to be drawn upon whenever needed as part of the
constituting of the new German Self—it is "Jewish" music that fills the
space...
"Fassade des Stimmigen":
Jüdische Musik in Deutschland
Zunehmend begegnen uns Juden und Judentum unter den Klängen
des "Klezmer", nicht selten begleitet von Bildern religiöser Chassidim. Die
gesamte Vielfalt jüdischer Lebensformen und kultureller Ausdrucksweisen
scheint auf diese visuellen und akustischen Reduktionsformen jüdischer
Existenz zusammengeschrumpft...
Lesetipp zu einem In-Phänomen:
Klezmer-Musik
Die vorliegende Geschichte der Klezmer-Musik handelt nicht
vom Klezmer-Revival in Amerika und seinen Ausläufern in Europa, sondern von
der eigentlichen Klezmer-Musik und der Klezmer-Kultur, wie sie in Osteuropa
als Lebensform innerhalb einer vom jüdischen Religionsgesetz bestimmten
Gemeinschaft bestand...
Musik-Tipp:
Jewish Music Series
Die "Jewish Music Series" von Rita Ottens und Joel Rubin ist eine
einzigartige Reihe, die seltene zeitgenössische und historische Aufnahmen
traditioneller und populärer jüdischer Musik vorstellt...
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