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Thomas Uwer, Thomas von der Osten-Sacken, Andrea Woeldike:
Amerika, Der 'War on Terror' und der Aufstand der Alten Welt
ça ira Verlag 2003
Euro 17,50
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Vorwort |
Der "War on Terror" und der Aufstand der Alten Welt:
Amerika - Antiamerikanismus
Über Antiamerikanismus ist in den vergangenen Jahren
häufig gesprochen worden. Seit dem 11. September wird dieses
"Ressentiment" in Deutschland scheinbar legitim, um schließlich in den
Diskussionen um den Irakkrieg hochzukochen. Henryk Broder hielt die
Reaktionen der
Deutschen zum 11. September fest, Dan Diner schrieb über das "Feindbild
Amerika", Beiträge versuchten das Phänomen "Antiamerikanismus
in Deutschland" mit Beginn des Irakkrieges zu erklären. In einer
wichtigen Neuerscheinung des ça ira Verlags wird der Antiamerikanismus
umfassend beleuchtet.
Das vorliegende Buch versucht zu zeigen, dass der
Antiamerikanismus längst zur politischen Realität geworden ist, die
sich, ähnlich dem Antisemitismus bzw. Antizionismus, im breiten
Bewusstsein festgesetzt hat und nicht mehr durch Aufklärung und
Argumente beseitigt werden kann. Obwohl niemand ernsthaft Interesse an
einem Scheitern der USA im Irak haben kann, obwohl mit dem Fall der
Zwillingstürme nicht nur der amerikanischen Wirtschaft Schaden zugefügt
wurde, setzt die Logik in der Argumentation aus. Die hungernden Kinder
der Dritten Welt und der imperialistische Konflikt um Öl sind die
gängigen Stichworte. Denn "wo Antiamerikanismus zur Realität wird", so
die Herausgeber, "ist er sich selbst genug. Dem rationalen Kalkül einer
kapitalistischen Verwertungslogik verschließt er sich, selbst wenn er
innerhalb seiner eigenen Logik höchst funktional und rational
erscheint."
Das Buch geht dem Verhältnis von Deutschland und Amerika
bzw. dem Antiamerikanismus in teils historischer, teils
kulturgeschichtlicher, wie auch in politologischer Analyse nach. Stefan
Ripplingers Beitrag "Mit Karl May und Hegel im Wilden Westen" zeigt
anhand des Bestsellers "Der Schatz im Silbersee" die Festlegung des
Bildes von Amerika "als dem eines Landes, das kein anderes Gesetz als
das des Goldes kennt und dem die deutsche Kultur weit überlegen sei."
Bernd Beier untersucht Traditionen Deutschlands als Weltfriedensmacht,
angesichts der Tatsache, dass Deutschland derzeit anstatt militärischer
Schlagkraft einen "ideellen und pseudo-moralischen Überschuß" einbringt.
Das Verhältnis von Antiamerikanismus und Antisemitismus, den
geschichtlichen Zusammenhang und die Parallelitäten der Projektion zeigt
Gerhard Scheit, wobei er zu dem Schluss kommt, dass heute in neuer
Klarheit hervortrete, was beide Phänomene eint: "Die 'Bereitschaft zum
Opfer' (Heidegger), die man beiden Feindbildern entgegensetzen will und
Amerikanern wie Juden abspricht."
Christian Knoop widmet sich "Amerikanischer Außenpolitik
zwischen Pinochet und Liberty", während Stephan Grigat die
"deutsch-amerikanischen Beziehungen seit 1945" analysiert. Uli Krug und
Bernd Volkert gehen in ihrem Beitrag auf Facetten des deutschen
Pazifismus ein, der nach 1945 stets "lieber an Dresden als an Auschwitz
erinnert, den Krieg an sich zum Übel erklärt und vergessen gemacht
(hat), dass die Judenvernichtung eben durch Krieg beendet worden war."
Exemplarisch geht es dabei um zwei Schreiben in der unmittelbaren
"Vorzeit" des Irakkrieges vom Mai und September 2002, die jeweils als
Antwortschreiben auf vorherige Stellungnahmen amerikanischer
Intellektueller publiziert wurden.
Auch Thomas von der Osten-Sacken untersucht die Verbindung
von "Antiamerikanismus, Antisemitismus und antiimperialistischer
Friedenssehnsucht". Israel und der Nahe Osten wurden seit dem 11.
September zur ultimativen Chiffre in einer "globalen Intifada". Doch die
Region ist mehr als nur Projektionsfläche, so Osten-Sacken, die
Bruchlinien der Geschichte des 20. Jahrhunderts leben dort erneut auf.
Die Golfkriege riefen Deja-vu-Erlebnisse hervor, die schließlich in
Deutschland mit Transparenten endeten, die die Aufschrift "Dresden 1945;
Bagdad 2003 - Nie wieder Krieg" trugen. Den ersten Teil des Buches,
"Amerika, Deutschland und der Antiamerikanismus", schließen die
Überlegungen Elliot Neamans ab, "warum Europäer und Amerikaner die
Irakkrise so unterschiedlich betrachten".
Im zweiten Teil, Der 'Krieg gegen den Terror' und der Nahe
Osten", untersucht Thomas Uwer die amerikanische Nahost-Politik und
stellt dabei die "Vorgaben der europäischen Geschichte" heraus. Barry
Rubin erklärt das Phänomen des arabischen Antiamerikanismus und kommt zu
dem Schluss, dass der größte Schaden in der arabischen Welt selbst
entsteht: "Äußere Kräfte für alles und jedes verantwortlich zu machen,
verhindert jeden ernsthaften Ansatz, sich mit den schwerwiegenden
inneren Problemen und Mißständen zu beschäftigen, die der wahre Grund
für den Fortbestand von Diktaturen, Gewalt und Instabilität, einer
relativ langsamen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung
sind."
Stephen Schwartz macht sich schließlich Gedanken zur
"Zukunft der amerikanisch-saudischen Beziehungen". Das saudische
Königreich befindet sich seit dem 11. September in einer tiefen Krise
und steht an einer Scheide, die eine grundlegende Entscheidung für die
Zukunft erfordert. Den Abschluss bildet ein Beitrag von Ayelet
Banai-Miller über "Israel und den Krieg gegen den Terror". Ihr
Schlusswort könnte passender nicht sein. Der israelisch-palästinensische
Konflikt stelle in den letzten hundert Jahren das Kernstück zahlreicher
Theorien und Diskussionen. Nur eine Entideologisierung biete eine reale
Chance für reale Probleme: "Grenzen müssen gezogen, ein normales Leben
muß ermöglicht werden. (...) Jeder Schritt, der weg führt von der
Verdichtung aller Konflikte im scheinbar manichäischen Kampf zwischen
Israel und den Palästinensern, ist ein Schritt hin zu einer Lösung."
Dem Herausgebertrio, Thomas Uwer, Thomas von der
Osten-Sacken und Andrea Woeldike, ist mit dieser Publikation eine
vielschichtige und intelligente Analyse zum Thema "Antiamerikanismus"
gelungen, das auch nach dem formellen Kriegsende im Irak weiter aktuell
bleiben wird.
al / hagalil.com
29-02-04 |