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Ermittlungen in Holon

Von der Kritik hochgelobt waren die Erwartungen an Dror Mishani hoch. Ganz sind sie nicht erfüllt worden, das sei voraus geschickt, aber Mishani hat einen einnehmend erzählenden Krimi vorgelegt, der Israel zurück auf die Krimi-Landkarte gebracht hat…

Avraham Avraham, so der etwas kuriose Name des etwas kursiosen Ermittlers, der in Mishanis erstem Krimi den Fall eines vermissten 16-jährigen Jungens bearbeitet. Nachdem Avraham die Mutter zunächst abgewimmelt hat, weiß er, als er sie am nächsten Morgen erneut in der Polizeistation sieht, sofort, dass Ofer nicht einfach nur von Zuhause ausgerissen ist. Später wird er sich Vorwürfe machen, dass er ihre Sorgen nicht schon am ersten Abend ernst genommen hat.

Die Suche nach Ofer bleibt erfolglos, er scheint wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Nachbarn, Freunde, keiner kann etwas Nützliches beitragen. In einem zweiten Erzählstrang lässt Mishani einem Nachbarn des vermissten Jungen, dem Lehrer Seev Avni, der versucht, schriftstellerisch tätig zu sein, eine wichtige Rolle zukommen. Hier erzählt Mishani zwar ausgezeichnet und sehr eindringlich, die Geschichte wirkt jedoch arg gezwungen, um das Thema des Schreibens einzubringen.

Auch die Reise nach Belgien, die Mishani Avraham machen lässt, eine Fortbildung, die keine wirkliche Fortbildung ist, wirkt weit hergeholt, geht es letztlich doch nur darum, Avraham eine Frau kennenlernen zu lassen.

Avraham tappt im Dunklen, weiß nicht so recht, was machen, dabei können erfahrene Krimileser ganz schnell auf die Lösung des Falles kommen, zu deutlich sind einige Hinweise und Umstände.

Die letztendliche Auflösung liefert eben jene Frau, die Avraham besucht. Was wohl als Kniff gedacht ist, um bis zum Ende Spannung zu halten, wirkt seltsam, zeigt sie doch nicht nur Avraham, sondern den ganzen Polizeiapparat als etwas begriffsstutzig und gutgläubig.

Schade, denn so viel ist klar, Dror Mishani ist ein exzellenter Erzähler! Der Literaturprofessor ist selbst auch Lektor und auf Kriminalliteratur spezialisiert. Insgesamt also, trotz der inhaltlichen Schwächen, ein leseswerter Krimi. Schön auch, dass Avraham nicht im geschichtsbeladenen Jerusalem und nicht im hippen Tel Aviv, sondern Holon ermittelt, wo auch Mishani selbst aufgewachsen ist. Überhaupt lassen sich autobiografische Einflüsse erahnen, die aber insgesamt vielleicht zu sehr von der eigentlichen Story ablenken.

Hoffen wir, dass Avi Avraham in seinem zweiten Fall weniger verzagt ermittelt.

Dror Mishani, Vermisst. Avi Avraham ermittelt – übersetzt aus dem Hebräischen von Markus Lemke, Zsolnay Verlag 2013, 352 S., Euro 17,90, Bestellen?