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Schild Hamburg schlägt Jüdischen Jugendbund Aurich mit 7:1

Jüdischer Sport während des Nationalsozialismus…

Es war ein rabenschwarzer Tag für den Torwart des Jüdischen Jugendbundes. Obwohl die „Auricher auf einige ihrer besten Spieler verzichten mussten“, so erklärte ein Journalist die deutliche Niederlage der Hausherrn, „waren sie im Anfang dem Spiel der Hamburger gar nicht gewachsen“. Die Hamburger waren mit der ersten Mannschaft sowie den Altherren zu einem kleinen Turnier in die Provinz gekommen. Aurich schickte seine erste Auswahl und die Reserve auf den Rasen. Der Platz entsprach freilich kaum den Anforderungen: Es handelte sich um eine gewöhnliche Viehweide. „Besonders hinderlich war der Graben, der mitten durch den Platz führte – aber besser als gar nichts“, bemerkte der Reporter sarkastisch.

Welche Auswirkungen der Nationalsozialismus für die vielen jüdischen Sportler bedeutete, ist bislang kaum erforscht und im öffentlichen Bewusstsein nahezu nicht präsent. Schon kurz nach der sogenannten Machtübernahme Hitlers schlossen viele Vereine ihre jüdischen Mitglieder aus und die Nutzung öffentlicher Sportanlagen wurde den Juden verwehrt. Viele Sportler traten daher den beiden jüdischen Verbänden Makkabi und Schild bei. Diese Organisationen waren zum Beginn des 20. Jahrhunderts als Antwort auf den politischen Antisemitismus gegründet worden und verfolgten das Ziel, mit einem neuen physischen und nationalen Selbstbewusstsein das weit verbreitete Vorurteil von der körperlichen Minderwertigkeit der Juden zu widerlegen. Während der Weimarer Republik zählte die Makkabi-Bewegung nahezu 8.000 Mitglieder und es waren rund 100 Schild-Vereine nachweisbar, die zum Reichsbund jüdischer Frontsoldaten gehörten. Die jüdischen Vereine boten eine breite Palette von sportlichen Disziplinen an, wie etwa Boxen, Tischtennis, Schwimmen, Leichtathletik, Turnen, Tennis, Handball und natürlich Fußball. Das lange Zeit als „englische Fußlümmelei“ verpönte Spiel hatte sich in den 1920er Jahren zu einem Sport entwickelt, der die Menschen faszinierte und begeisterte – quer durch alle Nationalitäten, Religionen und Ideologien.

Mit dem Ausschluss der Juden aus den deutschen Sportvereinen und -verbänden verfügten manche jüdischen Klubs nun auch über keine Gegner mehr, mit denen sie sich messen konnten, wie ein Beispiel aus Hannover verdeutlicht. Bar Kochba Hannover war in einem Radius von 100 Kilometern der einzige Makkabi-Verein mit eigenem Fußballteam. Ein geregelter Punktespielbetrieb war nicht zu realisieren, sodass die Elf lediglich 1936 am Endspiel um die Nordwestdeutsche Makkabi Meisterschaft teilnahm. Man behalf sich mit Freundschaftsspielen im weiteren Umfeld wie etwa in Emden, Hamburg oder Berlin.


Bar Kochba Hannover in den 1930er Jahren, Repro ©: Wallstein Verlag

Nicht nur über Fußball unter dem Hakenkreuz, sondern über den jüdischen Sport in seiner gesamten Bandbreite, informiert das soeben von den beiden Hannoveraner Historikern Henry Wahlig und Lorenz Peiffer vorgelegte Buch „Juden im Sport während des Nationalsozialismus. Ein historisches Handbuch für Niedersachsen und Bremen“. Die Wissenschaftler beleuchten die Aktivitäten der etwa 300 jüdischen Vereine, in denen mehr als 45.000 Sportler organisiert waren. Ihre Regionalstudie beschäftigt sich erstmals mit diesem lange verdrängten Kapitel der deutschen Geschichte und ist bei weitem mehr als „nur“ eine regionalgeschichtliche Untersuchung: Die Arbeit ist zwar repräsentativ für das gesamte damalige Reichsgebiet, kann aber auch als Ansporn für weitere Forschungen angesehen werden. Abgerundet wird der Band durch 16 Biografien von jüdischen Sportlern aus Niedersachsen und Bremen.

Eine ehrgeizige, akribisch recherchierte und lesenswerte Dokumentation, die nicht nur für Sportinteressierte zu empfehlen ist. – jgt

Lorenz Peiffer/Henry Wahlig, Juden im Sport während des Nationalsozialismus. Ein historisches Handbuch für Niedersachsen und Bremen, 411 Seiten mit 70 Abbildungen,Wallstein Verlag 2012, € 34,90, Bestellen?