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Die Juden von Eichtersheim

„Als Bub habe er selten versäumt, die Mutter zum jüdischen Metzger zu begleiten, weil der Meister den Kindern immer ein Stück Matzen reichte und nicht wie üblich ein Stück Wurst. Die Matzen waren etwas besonderes, wenn sie auch nicht sehr geschmackvoll waren, doch sie waren etwas Seltenes und Fremdartiges“…

Rezension von Ramona Ambs

Solcherlei Geschichten finden sich in dem kurzen Band von Leonhard Dörfer, der vom jüdischen Leben in Eichtersheim erzählt. Aber nicht nur der Blick von außen auf die Juden, sondern auch die Geschichten der Juden selbst werden erzählt. So zum Beispiel von Hirsch Metzger, für dessen schutzbürgerlichen Rechte 1854 sich nicht etwa der Synagogenrat einsetzte, sondern das örtliche Bezirksamt. Oder die Geschichte der mysterios wieder aufgetauchten Thorarolle, die erst im Jahre 2009 auf einem Dachboden in Bruchsal entdeckt wurde und die wohl der jüdischen Gemeinde von Eichtersheim gehörte.

Akribisch und in mühevoller Recherche hat Dörfer zahlreiche Details jüdischen Lebens in Eichtersheim zusammengetragen. Besonders anschaulich und schön sind die zahlreichen Bilder des Buches, Bilder der Häuser und Friedhöfe, Bilder der Personen, der Synagoge und der Thorarolle. Auch abfotografierte Originaldokumente, wie beispielsweise das mosaische Standesbuchs von 1812 oder die Liste der letzten jüdischen Schulklass,e zeugen von der großen Authentizität des Buches.

Wie bei vielen anderen Büchern zur Geschichte jüdischen Lebens in speziellen Regionen gilt auch hier: es ist nicht (nur) Regionalgeschichte. Die erzählten Schiksale vermitteln insgesamt ein Bild von jüdischem Leben in Deutschland, von ihren Sorgen und Freuden im nachbarschaftlichen Neben- und Miteinander. Und jede dieser Geschichten verdient es gehört zu werden, unabhängig davon, ob sie glücklich ausgegangen ist, wie die des Ehepaares Kurt und Anna Halter oder traurig, wie die des Kurzwarenhändlers Robert Oberndörfer, der sich im September 1938 aus Verzweiflung erhängte und so nicht mehr mitbekam, wie man am 9.November 1938 sein Geschäft demolierte.

Es sind immer die vielen kleinen Geschichten, die Schiksale der einzelnen Menschen die das Leben veranschaulichen und das Grauen der Shoa greifbar machen. Es ist gut, wenn sie erzählt werden.

Leonhard Dörfer: Jüdisches Leben in Eichtersheim, 120 S. mit 47 meist farbigen Abb., fester Einband, Euro 14,90, Bestellen?