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Die Zukunft der Juden in Deutschland: Charlotte Knobloch im Gespräch

Der Verlag bezeichnet Marlis Prinzings Buch „Jüdisches Vermächtnis“ als kompaktes und generationenübergreifendes Bild des Judentums in Deutschland. Überraschend differenziert räume es mit manchem Klischee auf und zeige eine Streitkultur, die von dogmatischen bis zu sehr offenen Positionen reiche…

…“Die Welt ist nicht bedroht von den Menschen, die böse sind,
sondern von denen, die das Böse zulassen“…
(Albert Einstein)

Jüdisches Vermächtnis

Warum gerade jetzt ein Porträt über die erste Frau an der Spitze des Zentralrats der Juden in Deutschland? Und warum zugleich ein Buch zum jüdischen Vermächtnis und zu jüdischem Leben in Deutschland?  Die Autorin nennt drei Gründe, die für sie zentral sind.

Erstens. Die Art und Weise, mit Zeitgeschichte und Jüdischkeit umzugehen, steht innerhalb und außerhalb der jüdischen Gemeinschaft auf dem Prüfstand. In der jüdischen Gemeinschaft werden Stimmen laut, sich „Holocaust-bewusst statt Holocaust-zentriert“ auszurichten. Das liegt auch daran, dass die ostjüdischen Zuwanderer ein anderes Geschichtsbild haben. (Und nicht nur das ist anders.)

In der Mehrheitsgesellschaft verhalten sich trotz „offiziellem“ Abschwören der Nazizeit manche bis heute zwiespältig: Sie relativieren die Rollen jener, die im nationalsozialistischen System durch ihr Handeln jüdischen Bürgern psychischen, physischen oder materiellen Schaden zugefügt hatten; und sie bedienen latent oder unbewusst bestehende Klischees gegenüber Juden.

Das Verhältnis der deutschen Öffentlichkeit zur Politik Israels ist gespannt und spiegelt die gegensätzlichen Lehren aus der Nazizeit: Nie wieder Opfer sein, schwor sich das jüdische Volk, nie wieder Täter sein, das deutsche.

Zweitens. Es ist spannend zu beobachten, wie eine Minderheit sich einrichtet in einer Gesellschaft mit einer ganzen Zahl weiterer Minderheiten und sich in dieser Mitte einen Platz sucht zwischen Integration und Assimilation.

Kommt hinzu: Innerhalb der jüdischen Gemeinschaft gibt es sehr unterschiedliche Stimmen, was und wie viel der eigenen Kulturtradition unerlässlich ist, damit diese in der nächsten Generation weiterlebt. Für die jüdische Gemeinschaft besteht kein Grund, einen Schwanengesang anzustimmen. Aber dieses Buch will einige der Gesänge hörbar machen, die in ihrer Mitte erklingen – die „Hymnen“ auf die Orthodoxie, auf das Liberale oder auf die Multireligiosität.

Drittens: Porträt und Gespräche mit Charlotte Knobloch fügen sich zu einem Spiegelbild des Wandels.

Sie wird die letzte sein, die als Holocaust-Überlebende das öffentliche Bild des Judentums in Deutschland prägte. Sie war eine der ersten, die sich mit Leidenschaft um die jüngere Generation und ihr Bild von der deutschen Geschichte kümmerte. Sie machte sich zum Motor, der jüdische Menschen in München bewegte, in die Mitte der Gesellschaft zurückzukehren: Indem sie als Vorsitzende der orthodoxen Israelitischen Kultusgemeinde den Neubau eines Jüdischen Zentrums und einer Synagoge durchsetzte. Und indem sie München zu ihrer persönlichen und Israel zu ihrer religiösen Heimat erklärte. Ihre Ansichten wirken wie ein Scharnier: Sie spiegeln Beharren und deuten den Wandel an.

Diese drei Gründe waren für die Autorin wegleitend bei der Recherche und beim Schreiben dieses Buches über das jüdische Vermächtnis. Einleitend lässt sie den Verleger Hubert Burda zu Wort kommen; seine Generation handelte nicht direkt im nationalsozialistischen System, trägt aber bereits an der Erblast. Im ersten Hauptkapitel porträtiert sie Charlotte Knobloch: Warum ist Muttersein ihre Traumrolle und welche Rolle spielt Mütterlichkeit auf ihren Wegen durch Gremien und Institutionen? Im folgenden Kapitel geht es um Charlotte Knoblochs Standpunkte: Was fürchtet, freut, frustriert sie – und was will sie der nächsten Generation beibringen? Die Perspektiven von Erben und Weggefährten, alle sind in Deutschland lebende Juden, zeigen die Vielfalt der Denkrichtungen. Zu Wort kommen der Intellektuelle und Politiker Sergey Lagodinsky, der orthodoxe Rabbine-Yehuda Teichtal, der liberale Rabbiner Tom Kucera, die Autorin Lena Gorelik. der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Dieter Graumann und de­Journalist und Anwalt Michel Friedman. Das Buch schliesst mit Charlotte Knoblochs Bekenntnis, weshalb für sie das Vertrauen in die Zukunft den Glauben braucht.

Jüdisches Vermächtnis
Charlotte Knobloch im Gespräch mit Marlis Prinzing
Mit • Michael Friedman • Lena Gorelik • Dieter Graumann • Tom Kucera • Sergey Lagodinsky • Yehuda Teichel u.a.

Marlis Prinzing ist Professorin für Journalistik in Köln, Autorin und freie Journalistin (u.a. Neue Zürcher Zeitung, Rheinischer Merkur). Die Erfinderin und Moderatorin der Gesprächsreihe „Das rote Sofa“ entlockte vielen Persönlichkeiten Amüsantes, Prägendes und Bewegendes.