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Moshe Zimmermann:
Goliaths Falle.
Israelis und Palästinenser im Würgegriff

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Goliaths Falle

Die neue Auflage des Antisemiten-katechismus

Das Erbe von Oslo

Massada-Zionismus

Moshe Zimmermann
30. Juni 1998 (Maariv)

Die Klemme, in der sich der Laizismus in Israel befindet, kommt am deutlichsten in der Debatte um den Militärdienst zum Ausdruck: Der Militärdienst ist zum allerletzten Fluchtort für die Kräfte geworden, die sich weigern, ihren Anspruch, Grundpfeiler des Zionismus und des Staates Israel zu sein, aufzugeben.

Nur ist die Formel: "Wer Militärdienst leistet, ist der wahre Israeli", mit der man auf die Ultraorthodoxen Druck ausüben will, in der Tat eine bloße Massada-Formel der nichtreligiösen Kräfte in Israel, d. h. ein Rezept für den kollektiven Suizid dieser Kräfte im Kampf um den Charakter der israelischen Gesellschaft.(1)

Erstens ist die Identifizierung der säkularen Gesellschaft mit Militär und militärischem Verhalten schon aus moralischen und kulturellen Gründen dubios, nicht weniger dubios als die in den Augen der Religiösen und Ultraorthodoxen existierende Nähe zwischen Laizismus und Disko-Kultur oder Hasch-Rauchen. Militärdienst und das Militär selbst galten ja vornehmlich in der alten preußischen Tradition als Wert. Die Behauptung, daß das Militär an und für sich ein Wert ist, resultiert aus dem Glauben an einen Zustand oder eher einen Mythos von der belagerten, umzingelten Gesellschaft - in Israel wie damals in Preußen. Nur eine Gesellschaft mit einer ausgeprägten Festungsmentalität hält in der Regel das Militär für den primären Garant ihrer Existenz.

Konnte man in Israel vor einem halben Jahrhundert noch von einem realen Belagerungszustand ausgehen, so ist er heute zum bloßen Mythos geworden. Das israelische Militär als Volksarmee, in der jeder Staatsbürger dienstpflichtig ist, verfolgt seine früheren Ziele nicht mehr. Seine Hauptbeschäftigung erwächst aus der Präsenz in den besetzten Gebieten, kaum aus der Verteidigung der Grenzen nach außen. In dieser Situation fallen die Zehntausende von Ultraorthodoxen, die wegen des (oft angeblichen) Studiums in den "Jeshivot" (Talmud-Hochschulen) nicht eingezogen werden, für die Sicherheit des Staates kaum ins Gewicht. Einem rein militärischen Zweck dient das Verlangen nach Militärdienst für Ultraorthodoxe also nicht. Wenn uns die westliche Welt als Vorbild vorschwebt, ist eine kleine, professionelle Armee die eigentliche Vision. Herrscht dagegen die Vision von einer großen Armee im endlosen Zustand der Belagerung vor, wie armselig ist dann die Gesellschaft, die das Militär braucht, um eben ihrem Zionismus und Laizismus klare Konturen zu verschaffen.

Ist das Ziel - wie so oft feierlich posaunt - der Frieden, ist dann das Militär ein zum Absterben prädestiniertes Organ? Je näher und wirklicher der Frieden, um so bedeutungsloser die Rolle des Militärs auch als Symbol des Laizismus und des Zionismus. Die sonderbare Logik, wonach die säkularen Kräfte (die sich ja eher auf dem linken Flügel der Politik befinden) den Zionismus und den Staat ausgerechnet über die Schiene des Militärdienstes für sich in Anspruch nehmen, erklärt wahrscheinlich die Angst vor dem Frieden nicht nur seitens der israelischen Rechten, sondern auch bei den Linken! Welche Ikonen werden säkularen Kräften in Friedenszeiten übrigbleiben, um sich gegenüber den religiösen und ultraorthodoxen Konkurrenten behaupten zu können?

In den sechziger Jahren hat die neue Linke im Westen die Vision gehegt: "Stellt euch vor: Der Krieg bricht aus, und niemand geht hin!" Die konsequenteren Verfechter einer linken Position haben sich sogar die trotzige, aus der Weimarer Zeit stammende Parole "Soldaten sind Mörder!" angeeignet. Dagegen ist die Umdeutung des Militärdienstes zum absoluten Kriterium einer säkularen israelischen Identität die reinste Reaktion.

Mehr noch: Sie ist der Strang, der Selbstmord. Entweder - oder: Wenn wir uns noch tiefer in den Kriegszustand hineinversetzen, werden am Ende, wenn auch die Ultraorthodoxen beim Militär dienen, die nichtreligiösen Soldaten zu Wasserträgern für die national-religiösen Teile des Militärs, die der Besiedlung des "Landes der Väter" durch Juden den Vorrang vor dem Frieden oder dem Menschenleben geben (Anzeichen dafür findet man bereits jetzt). Denn bereits heute (1998) fungiert das Militär vornehmlich als Instrument des Kampfes gegen palästinensische Kinder oder als Beschützer von Siedlern. Wenn aber der Frieden kommt, wird das Militär um so überflüssiger sein und als solches eine wackelige Stütze für die säkularen Kräfte, die den Anspruch auf das "wahre Israelitum" für sich erheben.

Wenn säkulare Menschen der Aneignung des Zionismus und des Staates durch die Ultraorthodoxen und die national-religiösen Kräfte entgegensteuern wollen, wenn sie die Gleichberechtigung mit den letztgenannten anstreben, sollen sie sich lieber nicht auf den Anachronismus namens Militär einlassen und sich in anderen, existentiellen Bereichen profilieren, wie zum Beispiel im Kampf um mehr Demokratie und Freiheit, gegen den Hang zur Theokratie.

Anmerkung:
(1) Massada; eine von König Herodes gebaute Festung unweit vom Toten Meer. Während des "Großen Aufstands gegen die Römer" (60-70) u. Z. war Massada von jüdischen Zeloten besetzt. Nachdem die Römer Jerusalem erobert hatten, begann die Belagerung Massadas. Um nicht in Römische Gefangenschaft zu geraten, verübten die dort verschanzten Juden kollektiv Selbstmord. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist der Satz "Massada darf nie wieder fallen" zum zionistischen Slogan geworden.

hagalil.com 04-11-04











 

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