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Schuften für das deutsche Reich

Das jüdische Arbeitskommando „Flachsröste Lohhof“…

Lange wurde über dieses Zwangsarbeiterlager vor den Toren Münchens geschwiegen. Keiner wollte sich erinnern und niemand wollte die Berichte der wenigen Überlebenden hören: Ab Sommer 1941 waren in Lohhof knapp 300 jüdische Frauen gezwungen, täglich bis zu zwölf Stunden schwere körperliche Arbeit in der Flachsverarbeitung zu verrichten.

Weil sich die deutsche Textilindustrie keine Rohstoffe wie etwa Baumwolle auf dem Weltmarkt besorgen konnte, musste die Versorgungslücke mit heimischen Produkten gefüllt werden. Schon ab Mitte der 1930er Jahre war deshalb der Anbau von Flachs, einer Pflanze, aus der Leinen und Öl gewonnen werden konnten, massiv vorangetrieben worden. Im traditionell landwirtschaftlich geprägten bayerischen Raum kam es zu einem regelrechten Boom in der Flachs- und Hanf-Produktion. Nach der Ernte mussten die Pflanzen jedoch erst einmal in einem aufwändigen und arbeitsintensiven Prozess geröstet werden, um die Fasern zu Seilen, Säcken, Segeltuch und Zeltplanen verarbeiten zu können. Zunächst wurden für diese schweren Tätigkeiten Kriegsgefangene und verschleppte Arbeitskräfte, zumeist aus dem Osten, herangezogen. Da schon vor dem Krieg bei der Flachsverarbeitung überwiegend Frauen zum Einsatz gekommen waren, entschieden die Münchner Behörden ab 1941 ausschließlich jüdische Zwangsarbeiterinnen einzusetzen. Damit bekam das „Arbeitskommando Lohhof“ eine zentrale Funktion bei der Ghettoisierung und Ausbeutung der jüdischen Minderheit in der Hauptstadt der Bewegung und wurde somit zu einem Teil der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. 1942 wurde das Lager geschlossen und die Arbeiterinnen in verschiedene Konzentrationslager deportiert und dort ermordet.

Der junge Münchner Historiker Maximilian Strnad hat nun die jahrzehntelang verdrängte Geschichte des Zwangsarbeiterlagers Lohhof recherchiert und aufgeschrieben. Neben Prozessakten und Zeitzeugenerinnerungen war eine wichtige Quelle das Tagebuch des jüdischen Lagerleiters Rolf Grabower. Obwohl diese Aufzeichnungen schon seit Mitte der 1950er Jahre in mehreren Archiven öffentlich zugänglich sind, wurde das einzigartige Dokument von der deutschen Historiografie nicht beachtet. Es ist das Verdienst von Maximilian Strnad, dieses Tagebuch erstmals ausgewertet zu haben und uns somit einen detaillierten Einblick in die Geschichte des „vergessenen“ Zwangsarbeiterlagers Lohhof und seine Funktion innerhalb des verbrecherischen NS-Systems zu ermöglichen. Er räumt auch mit der Lüge auf, dass die Jüdinnen selbst für ihre Lage in Lohhof verantwortlich gewesen wären. Diese Schutzbehauptung war nach dem Krieg besonders bei der deutschen Betriebsleitung und bei NS-Funktionären beliebt.

Da Strnad es nicht versäumt, Lohhof auch innerhalb des nationalistischen Systems Zwangsarbeit zu verorten, ist seine Arbeit weit mehr als eine regionale Studie. Ein wichtiges und schon lange überfälliges Buch! (jgt)

Maximilian Strnad, Flachs für das Reich. Das jüdische Zwangsarbeiterlager Flachsröste Lohhof bei München, Volk Verlag München 2013, 135 Seiten, 13,90 €, Bestellen?