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Goebbels

Peter Longerich begnügt sich in seiner 910 Seiten umfassenden Biographie nicht mit der Schilderung des Lebensweges dieses, aus dem Rheinland stammenden, gescheiterten Intellektuellen, sondern legt auch eine mit der Hilfe von Psychoanalytikern gefertigte Darstellung der vermutlich als Kleinkind erlittenen seelischen Verletzungen vor…

Eine Rezension von Karl Pfeifer

„Goebbels’ Drang nach Höherem und sein Narzismus lassen sich nicht auf den Versuch zurückführen, seine Behinderung und seine Herkunft aus bedrückenden kleinbürgerlichen Verhältnissen zu kompensieren.“

Vielleicht kein anderer Naziführer hat so viel Tagebuch geschrieben wie Goebbels. Longerich nimmt sie unter die Lupe und beschreibt, wie dieser gescheiterte Schriftsteller zunächst im deutschen Nationalismus, der sich gegen die französische Besatzer richtete, dann im Nationalsozialismus seine „Erlösung“ fand, um nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten eine wichtige Rolle bei der Gleichschaltung von Kunst, Kultur und Medien zu spielen.

Bis heute wird der Begriff Goebbelssche Propaganda oft benützt. Longerich zeigt uns die Beschränkungen dieser auf und macht klar, dass Goebbels bis zu den letzten Tagen um Kompetenzen kämpfen musste und nicht zum ersten Kreis von Hitlers Beratern gehörte. Sehr oft erfuhr er Entscheidungen seines geliebten „Führers“ erst spät.

Goebbels Hass gegen Juden hat auch mit seinem Scheitern im bürgerlichen Leben der Weimarer Republik zu tun, er fand die Erklärung dafür und trug dann während der Kriegszeit zur Aufschaukelung des Antisemitismus bei, der noch nach dem Massenmord anhielt.

Immer wieder sehen wir im Fernsehen, den kleinen Mann mit Klumpfuß, der seine Zuhörer im Berliner Sportpalast am 18. Februar 1943 zehn Fragen stellte, die liturgischen Formen glichen. „Wollt Ihr den totalen Krieg? Wollt Ihr ihn wenn nötig totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt noch vorstellen könnten?“ Das ausgewählte Publikum antwortete frenetisch: „Führer befiehl, wir folgen!“

Longerich schildert genauso detailreich die Rede Goebbels am 5. Juni 1943 als er erklärte: „Die gänzliche Ausschaltung des Judentums aus Europa ist keine Frage der Moral, sondern eine Frage der Sicherheit der Staaten. […] Wie der Kartoffelkäfer die Kartoffelder zerstört, ja zerstören muß, so zerstört der Jude die Staaten und Völker. Dagegen gibt es nur ein Mittel: radikale Beseitigung der Gefahr.“

Während des Niedergangs des „1000 jährigen Reiches“ wollte Goebbels einen Separatfrieden mit der Sowjetunion schließen, bekam aber von Hitler keine Zustimmung.

In seinem letzten Artikel im Reich – „Der Einsatz des eigenen Lebens“ – hatte er die rhetorische Frage gestellt, wer sich nach einer Niederlage „ein persönliches Weiterleben in einem solchen Zustand überhaupt nur vorstellen wollte.“

Nach dem Selbstmord Hitlers begingen auch Magda und Joseph Goebbels Selbstmord, doch noch davor war das Ehepaar imstande ihre sechs Kinder zu ermorden.

Longerich ist einer der brillantesten Historiker des „Dritten Reiches“, sein vorliegendes leserfreundliches Buch gehört in die Bibliothek eines jeden an Zeitgeschichte Interessierten.

Peter Longerich: Joseph Goebbels. Biographie, Siedler Verlag, November 2010, Euro 39,99, Bestellen?