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Globalisierung, Demokratie und Terrorismus

Eric Hobsbawm gibt einen Ausblick auf das 21. Jahrhundert…

Von Andrea Livnat

Wenn einer der bekanntesten und bedeutendsten Historiker einen Ausblick auf das 21. Jahrhundert wagt, ist das auf jeden Fall vielsprechend. Handelt es sich dabei um Eric Hobsbawm, kann man davon ausgeben, dass dies auf jeden Fall kurzweilig ausfällt, auch wenn man sich nicht mit allem einverstanden erklären mag.

Hobsbawm wurde 1917 in Alexandria geboren. Seine Eltern, der Vater war Engländer, die Mutter Österreicherin, waren beide jüdisch. Eric wuchs in Wien auf, nach dem Tod seiner Eltern bei einem Onkel in Berlin. Die Zeit in Berlin und die Schulzeit am Prinz Heinrichs-Gymnasium in Schöneberg bezeichnete Hobsbawm in seiner Autobiographie „Gefährliche Zeiten“ als die „wichtigsten Monate“ in seinem Leben: „Diese Schule war das Medium, durch das ich erfahren habe, was – wie ich schon damals wußte – ein entscheidender Augenblick in der Geschichte des 20. Jahrhunderts sein würde.“ In Berlin wurde Hobsbawm auch zum lebenslangen Kommunisten, „oder zumindest eine(m) Mann, dessen Leben ohne das politische Projekt, dem er sich als Schuljunge verschrieben hatte, seinen Charakter und seine Bedeutung verlieren würde, auch wenn das Projekt nachweislich gescheitert ist“. Die Familie ging später nach London, wo Eric in Cambridge sein Studium aufnahm. Nach Ende des Krieges lehrte Hobsawm zunächst am Birkbeck College der Universität London, von 1971 bis zur Emeritierung 1982 hatte er eine Professur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der University of London inne.

Bekannt ist Hobsbawm vor allem für seine universalgeschichtlichen Arbeiten zum „langen 19. Jahundert“, eine Triologie mit den Titeln „The Age of Revolution“, „The Age of Capital“ und „The Age of Empire“, sowie zum „kurzen 20. Jahrhundert“, für das er mit dem Buchtitel das Schlagwort des „Zeitalter der Extreme“ prägte. Daneben gibt es zahlreiche Publikationen Hobsbawms zu kultur- und sozialgeschichtlichen Themen. 1983 führte er gemeinsam mit Terence Ranger das Konzept der „invented traditon“ ein.

In dem bei dtv im Dezember 2009 erschienenen Band „Globalisierung, Demokratie und Terrorismus“ sind zehn Essays versammelt, die zwischen 2000 und 2006 zu verschiedenen Anlässen entstanden. Damit ist der größte Schwachpunkt der Sammlung angesprochen, denn was für 2007, als das englische Original erschien, noch aktuell war, ist heute teilweise nicht mehr relevant. So etwa die Kritik an den USA, die nach dem Regierungswechsel von Bush zu Obama nicht mehr in gleicher Weise greift. Andererseits sind aktuelle Entwicklungen, wie etwa die jüngste Weltwirtschafts- und Finanzkrise selbstverständlich nicht vertreten.

In Bezug auf Terror mahnt Hobsbawm zur Verhältnismäßigkeit. Der heutige Terrorismus verlange besondere Anstrengungen, man dürfe darüber jedoch nicht den Kopf verlieren. Denn auch wenn die Bedrohung heute viel ernsthafter sei als bei früheren Attentaten, wiederholt Hobsbawm: „Wir haben es nicht mit einem Krieg zu tun, und es wird sich auch zu keinem Krieg entwickeln. Es handelt sich vielmehr um ein ernsthaftes Problem öffentlicher Ordnung.“ Die reale Bedrohung liege „nicht in der Gefahr, die von einer Handvoll anonymer Fanatiker ausgeht, sondern in der übermäßigen Angst, die ihre Aktivitäten erzeugen“.

Auch im vorliegenden Essayband legt Hobsbawm einen universalgeschichtlichen Ansatz vor, der den Fokus oft auf Regionen lenkt, die in den tagesaktuellen Debatten in Vergessenheit geraten. Ein besonderes Thema ist für den marxistischen Historiker die Globalisierung, die dazu geführt habe, dass die „Ungleichheit auf nationaler wie auf internationaler Ebene dramatisch zugenommen hat“, wie Hobsbawm im Vorwort betont. Für die Demokratie hat Hobsbawm keine rosigen Aussichten im 21. Jahrhundert. Er stellt vielmehr die These auf, „dass die gegenwärtige Phase der globalisierten kapitalistischen Entwicklung diese Regierungsform untergräbt und dass dies schwerwiegende Auswirkungen für die liberale Demokratie haben wird (und schon hat), wie wir sie gegenwärtig verstehen.“

Wie gesagt, man muss nicht mit allem übereinstimmen, was aus der Feder des laut Magnus Enzensberger „eigensinnigsten, souveränsten, gelehrtesten – und (…) bei weitem (..) klügste“ Kommunist, der das 20. Jahrhundert überlebt hat, stammt. Die Überlegungen Eric Hobsbawms sind aber in jedem Fall eine äußerst lesenswerte Inspirationen zu den dringlichsten Fragen unserer Zeit.

Eric Hobsbawm: Globalisierung, Demokratie und Terrorismus, dtv premium 2009, 180 S., EUR 14,90, Bestellen?