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Eric Hobsbawm, Gefährliche Zeiten. Ein Leben im 20. Jahrhundert
Hanser Verlag 2003
Euro 24,90

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"Gefährliche Zeiten":
Eric Hobsbawms Autobiographie

Von Andrea Livnat

Auch wenn Eric Hobsbawm der Meinung ist, er gehöre nicht zu den Menschen, "die aus welchem Grund auch immer der Allgemeinheit so bekannt sind, daß allein schon ihr Name Neugier auf ihr Leben weckt", er irrt sich. Die Autobiographie eines der wichtigsten Historiker der Gegenwart, der fast das ganze 20. Jahrhundert erlebt hat, verspricht in jedem Fall viel und wenn sie, wie im Falle Hobsbawms, in humorvoller Art, voll von Understatement und gepacktem Wissen geschrieben ist, dann erst recht.

"In der Autobiographie eines Intellektuellen geht es zwangsläufig auch um dessen Ideen, Einstellungen und Handlungen, doch sollte der Autor nicht als sein eigener Anwalt auftreten", schreibt Hobsbawm im Vorwort. Tatsächlich hat er niemals einen Hehl aus seiner Weltanschauung gemacht, seine marxistische Einstellung ist in Leben und Werk beständig präsent. "Gefährliche Zeiten" lautet der deutsche Titel des Buches, gefährliche Zeiten als Schlagwort für das 20. Jahrhundert, in dem sich der Mensch dessen bewusst ist, was er erreichen kann auf der Welt und sich selbst überschätzt. Hobsbawm versteht die Autobiographie gewissermaßen als B-Seite seines erfolgreichsten Werkes "Das Zeitalter der Extreme": "nicht Weltgeschichte, veranschaulicht durch die Erfahrung eines einzelnen, sondern Weltgeschichte, die diese Erfahrung formt". Auch im Vorwort von "Das Zeitalter der Extreme" weist Hobsbawm darauf hin, dass er nicht alleine als Fachgelehrter schreibt, sondern als "teilnehmender Beobachter". Mehr als seine anderen Bücher schrieb er diese Geschichte des 20. Jahrhunderts mit der Leidenschaft, die er für das Signum des Jahrhunderts hält.


Italien: Mantua 2000. Bei
der Lektüre der linken
Tageszeitung Il Manifesto.
Foto: Hanser

Eric Hobsbawm hat sein Leben lang eine gewisse Außenseiterrolle gespielt, glücklicherweise, wie er selbst findet. Er fühlte sich mehreren Ländern verbunden, lebte in verschiedenen Ländern und besuchte viele weitere, er ist ein "polyglotter Kosmopolit", der leicht der Versuchung widerstand, "sich emotional mit einer klar abgegrenzten oder auserwählten Gruppe zu identifizieren. Da eine Identität gegen jemand anders definiert ist, bedeutet sie eine Nichtidentifikation mit dem anderen. Sie führt in die Katastrophe."

Eric Hobsbawm wurde 1917 in Alexandria geboren als Kind eines englischen Vaters und einer österreichischen Mutter, beide waren Juden. Der Großvater, geboren in den 1840er Jahren, war aus Warschau nach England gekommen, wo der ursprüngliche Name "Obstbaum" verändert wurde. Die Hochzeit der Eltern fand in Zürich statt, denn das Paar gehörte sich entgegenstehenden Kriegsparteien an. Nach Kriegsende zog die junge Familie nach Wien, wo Eric seine Kindheit verbrachte. Bis heute spricht er übrigens mit einem leichten Wiener Akzent deutsch. Die Zeit in Wien schildert Hobsbawm als multinational, aber nicht multikulturell, eine Zeit, in der sein politisches Bewußtsein erwachte "und irgendwie, zwischen dem Zielen mit Steinen auf Forellen und dem Stibitzen von Äpfeln, beschloß [er], auch Kommunist zu werden." Die Stimmung in der verarmten Hauptstadt eines Großreiches beschreibt Hobsbawm trefflich, sowohl aus der Rückschau des erwachsenen Historikers, wie auch aus der Sicht eines 10-12jährigen Kindes.

Nach dem Tod seiner Eltern wurden Eric und seine Schwester Nancy von einem Onkel aufgenommen, dem es gelungen war eine gut bezahlte Stelle bei der Universal Filmgesellschaft in Berlin zu bekommen. Die Zeit in Berlin und die Schulzeit am Prinz Heinrichs-Gymnasium in Schöneberg bezeichnet Hobsbawm als die "wichtigsten Monate" in seinem Leben. "Diese Schule war das Medium, durch das ich erfahren habe, was – wie ich schon damals wußte – ein entscheidender Augenblick in der Geschichte des 20. Jahrhunderts sein würde." Und die Monate in Berlin machten einen lebenslangen Kommunisten aus ihm, "oder zumindest einen Mann, dessen Leben ohne das politische Projekt, dem er sich als Schuljunge verschrieben hatte, seinen Charakter und seine Bedeutung verlieren würde, auch wenn das Projekt nachweislich gescheitert ist".

Die Weltkrise, der Onkel verlor seine Stelle, brachte die Familie nach England. London sei ungeheuer langweilig gewesen gegenüber Berlin, erst in Cambridge habe Hobsbawm die für ihn so wichtigen Gespräche und Debatten wieder aufnehmen können. In der Zwischenzeit versuchte er angestrengt die deutsche Sprache und Kultur weiter zu pflegen. Als angehender Historiker half ihm dann zunächst die unterschiedliche Perspektive auf Ereignisse, die er durch sein Aufwachsen in den Metropolen Wien, Berlin und London erhielt. Die berufliche Laufbahn Hobsbawms begann mit einem Stipendium in Cambrigde, das er erhielt, nachdem er 1935 eine Begabtenprüfung erhielt, eine Karriere, die ihn zu den Mitbegründern einer marxistischen Geschichtsschreibung in England gehören lassen sollte. Nur über die Wirtschaftsgeschichte konnte in England eine neue Strömung innerhalb der Geschichtsschreibung, die sich entgegen der politischen Historiographie in der Rankeschen Tradition herausbildete, auch institutionell Fuß fassen, was wiederum den Einfluss der marxistischen Historiker erklärt.

Hobsbawm selbst beschäftigte sich immer wieder mit einem Thema, das in der klassischen marxistischen Geschichtsauffassung eine untergeordnete Rolle spielt, Kultur und der Einfluss von Kultur, als Konzepte und Formierung von Ideen und Modellen, auf die Ausbildung der Gesellschaft. Das Konzept der "Invention of Tradition" ist wohl den meisten Lesern bekannt, eine Idee, die Hobsbawm bereits in seinem College, dem Kings College, in Cambridge kam, als er die verschiedenen Zeremonien betrachtete, die zur anerkannten Normalität wurden. Doch auch der Jazz ist in Hobsbawms Werk ein wiederkehrendes Thema. Die Autobiographie führt den Leser in die lebenslange Leidenschaft Hobsbawms für den Jazz ein.


Ein verheiratetes Paar:
Marlene und E.H.
(Castelgiuliano 1971)
Foto: Hanser

Erst nach einer sechsjährigen Zeit beim Militär konnte Hobsbawm schließlich an die Universität zurückkehren und seine Lehrtätigkeit am Birkbeck College der Universität London aufnehmen. Von 1971 bis zur Emeritierung 1982 hatte er eine Professur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der University of London inne. Zahlreiche Gastprofessuren führten ihn unter anderem nach Stanford, ans Institute of Technology in Massachusetts und an die Universidad Nacional Autonoma in Mexiko. Seit 1984 hält er den Lehrstuhl für Politik und Gesellschaft an der New School for Social Research in New York. In der Autobiographie findet Hobsbawm den richtigen Weg seine berufliche Karriere mit der geschichtlichen Entwicklung des Jahrhunderts zu verknüpfen. Anhand seiner vielen Reisen führt er den Leser nach Spanien, Italien, in die USA und nach Südamerika.

Was bleibt? Zurück bleibt ein relativ pessimistischer Historiker, der sein Schlusswort mit den Anschlägen des 11. Septembers verknüpft. An anderer Stelle verglich Hobsbawm die Geschichte der Menschheit mit einer "soziobiologischen Nova", die beschleunigt in die Katastrophe rast. Und dennoch, Hoffnung ist immer da. Eines wurde Hobsbawm, der den 11. September im Krankenbett erlebte, klar: "Während ich in meinem Bett lag und Nachrichten hörte oder Zeitungen las, gelangte ich zu dem Schluß, daß die Welt des Jahres 2002 mehr denn je Historiker braucht, und zwar vor allem skeptische Historiker. Vielleicht kann die Lektüre der Streifzüge eines alten Mitglieds dieser Zunft durch sein Leben den Jungen behilflich sein, sich den düster werdenden Aussichten des 21. Jahrhunderts nicht nur mit dem nötigen Pessimismus zu stellen, sondern auch mit einem klareren Auge, dem Sinn für die historische Erinnerung und der Fähigkeit, zu den Leidenschaften und Werbesprüchen des Tages auf Distanz zu gehen."

Dessen kann sich Hobsbawm sicher sein, doch nicht nur junge Historiker sollten seine Lektüre als Anregung nutzen.

hagalil.com 29-09-03











 

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