Holger Schatz und Andrea Woeldike
untersuchen ausgehend von einer historischen Reflexion des deutschen
Arbeitsbegriffs die gesellschaftlichen Abgründe der Projektion einer
"raffenden, jüdischen Nicht-Arbeit".
Kaum eine andere Frage ist in Deutschland und
Österreich derart verdrängt worden, wie die nach dem Ausmaß der
Verantwortung eines Großteils der Bevölkerung für den Antisemitismus vor und
während des Nationalsozialismus.
Antworten, welche die biografischen Zeugnisse
der Überlebenden und die darin zum Ausdruck kommende Erfahrung von der
antisemitischen Totalität bestätigen, stoßen nach wie vor auf Unwillen und
Verschlossenheit. Neben der gewohnten Befangenheit und dem Widerwillen der
Politik liegt dies aber auch an den erkenntnistheoretischen Beschränkungen
der empirischen Geschichtswissenschaft, wonach sprichwörtlich "nur dort
Antisemitismus drinsteckt, wo auch Antisemitismus draufsteht".
Die Zustimmung zum Regime erfolgte demnach
nicht aufgrund des Antisemitismus, sondern ihm zum Trotz - so könnte die
Quintessenz einer polemisch zugespitzten Interpretation solcher
Formulierungen lauten. Hitler wurde zwar bejubelt, jedoch nur wegen der
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und einer erfolgreichen Balsamierung der
gekränkten nationalen Ehre. Außer Acht beleibt dabei, dass die Zustimmung
zum nationalsozialistischen Wirtschaftskonzept eine Zustimmung zu einem ganz
bestimmten Konzept von "Arbeit" und "Volk" beinhaltete, das längst vor dem
"Dritten Reich" immanent antisemitisch gewesen ist. Wer sich zur
"nationalen, deutschen Arbeit" bekannte, willigte auch in den Antisemitismus
ein.
Eine der vielleicht folgenreichsten Elemente
des Antisemitismus ist die Vorstellung, Juden seien arbeitsscheu und lebten
von der Arbeit anderer - eine Vorstellung, die sich auf die lange Tradition
des antijudaistischen Bildes vom angeblich parasitären, wuchernden Juden
stützt. Der ideologiekritische Blick ermöglicht nicht nur eine Analyse der
Ausschlussmechanismen der Volksgemeinschaft. Darüber hinaus werden auch die
Kontinuitäten und Veränderungen der "deutschen Arbeit" nach 1945 angesichts
des Fortwirkens von Rassismus und Antisemitismus nachgezeichnet.
Nur der Blick auf den "utopischen" Gehalt des
"deutschen, nationalen Sozialismus" kann die Dynamik des antisemitischen
Vernichtungswahns in Ansätzen erschließen. Dieses Buch richtet deshalb den
Fokus auf die Synthese der spezifischen Vorstellung von Arbeit und einer
Idee von Freiheit, die in Deutschland immer die "Freiheit vom Fremden"
meinte.
Am Ort der Vernichtung haben Deutsche und
Österreicher ihren Wahn paraphrasiert: "Arbeit macht frei".
Holger Schatz, Andrea Woeldike:
Freiheit und Wahn deutscher Arbeit,
Zur historischen Aktualität einer folgenreichen
antisemitischen Projektion,
UNRAST Verlag, Münster, 2001, ISBN 3-89771-805-7 15,-
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"Zur historischen Aktualität einer
folgenreichen antisemitischen Projektion":
Freiheit und Wahn
deutscher Arbeit
Das Werk ist keine leichte Kost. Ausgehend von einer
historischen Reflexion des deutschen Arbeitsbegriffs, wird die Konstruktion
einer "raffenden, jüdischen Nicht- Arbeit" in der deutschen Geschichte
dargestellt...
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