"Wenn ich nicht gerne in Deutschland lebte, würde ich nicht in Deutschland
leben."
Paul Spiegel gehört zur Generation der
Holocaust-Überlebenden. Heute ist er als Nachfolger von Ignatz Bubis
Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland. Paul Spiegels
Lebensgeschichte ist ebenso widersprüchlich wie abenteuerlich,
einzigartig wie exemplarisch.
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Paul Spiegel wurde 1937 in
Warendorf in Westfalen geboren. Mit seiner Familie emigrierte er nach
Belgien und kehrte schon 1945 in seinen Geburtsort zurück. Nach der
Schule arbeitete er als Redakteur und Pressesprecher in Düsseldorf, wo
er dann seine eigene Künstleragentur aufbaute. Seit 1967 engagiert er
sich in jüdischen Gremien, wird Ratsvorsitzender der Gemeinden in
Düsseldorf und im nordrheinischen Gebiet. Nach dem Tod von Ignatz Bubis
wird er zum Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland
gewählt.
Pressestimmen
Wieder zu Hause
"Paul Spiegel ist in vieler Hinsicht ein
typisches Kind der Bundesrepublik; und gerade deshalb ist es so
alarmierend, wenn er neuerdings an deren demokratischer Stabilität zu
zweifeln beginnt... Wahrscheinlich muss man erst eine solche Aufgabe wie
Spiegel haben, um präzise mitzubekommen und darunter zu leiden, was
alles möglich ist an Gedankenlosigkeiten und Geschmacklosigkeiten, an
Unverschämtheiten und Brutalitäten in deutscher Politik und
Gesellschaft."
HERBERT RIEHL-HEYSE
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
dpa:
Präsident des Zentralrats der Juden legt Autobiografie vor
Berlin/Düsseldorf (dpa) - Unter dem Titel
«Wieder zu Hause?» hat der Präsident des Zentralrates der Juden in
Deutschland, Paul Spiegel, seine Autobiografie vorgelegt. Spiegel, 1937
im münsterländischen Warendorf geboren, schildert in dem Buch, das im
Berliner Ullstein Verlag erscheint, seinen Lebensweg von der Flucht nach
Belgien auf dem Arm seiner Mutter über das frühe Engagement für die neu
belebte jüdische Gemeinschaft in Deutschland bis zur Präsidenten-Wahl
sowie die wichtigsten Ereignisse seiner fast zweijährigen Amtszeit.
Der Repräsentant von rund 90000 Menschen
jüdischen Glaubens in Deutschland hatte zur Präsentation der Biografie
am Montagabend in das Jüdische Museum in Berlin eingeladen. Viele Fäden
verweben sich in den Erinnerungen Spiegels, die Rafael Seligmann
aufgezeichnet hat: Das Schicksal des Sohnes aus bodenständiger
westfälischer Familie, die der braune Terror ihrer Heimat beraubt hat.
Das Gedenken an das KZ-Martyrium des Vaters und an die ermordete
Schwester, schließlich der Wille zum beruflichen und privaten Neubeginn
als Familienvater, Journalist und später Künstleragent im Land der
Täter.
Schließlich gibt Spiegel einen Einblick
in das den meisten Bundesbürgern «fremde» deutsch-jüdische Milieu,
erzählt bewegend von seiner engen Freundschaft zum TV-Unterhalter
«Hänschen» Rosenthal («Dalli-Dalli») und dem Vorbild, Förderer und
Amtsvorgänger Ignatz Bubis.
Der politische Aspekt begleitet die
Schilderungen vom Neuaufbau jüdischer Gemeinden in Deutschland - von
internationalen jüdischen Organisationen heftig kritisiert - über die
schwierige Integration der Neuzuwanderer bis zur Rede Spiegels bei der
Vereidigung junger Bundeswehrsoldaten am 20. Juli. Wo immer der
Zentralratspräsident öffentlich auftritt wie bei seiner kritischen
Auseinandersetzung mit dem Begriff «deutsche Leitkultur» während einer
Demonstration in Berlin: Die Mahnungen gegen die neue rechte Gewalt,
gegen Diskriminierungen jeder Art, stehen im Mittelpunkt.
Schließlich geht es, so Spiegel, nicht
nur um die Juden in Deutschland, sondern um die mühsam errungene
demokratische Gesellschaft, in der die Juden eine Heimat finden möchten
- «wenn die nichtjüdischen Deutschen es wollen». Warum der Mahner Paul
Spiegel eher auf die vermittelnden Töne des «Menschenfischers» Bubis und
nicht auf die harsche Art des früheren Zentralratsvorsitzenden Heinz
Galinski setzt, macht die Schilderung aus der belgischen Emigration
deutlich, die er im Versteck mit anderen jüdischen Kindern überlebt hat:
«Mitspielen» darf nur, wer auf andere zugeht.
Paul Spiegel:
Wieder zu Hause?
Ullstein Verlag, Berlin
Geb. 295 S., 38,92 Mark/19,90 Euro
ISBN 3-89834-041-4
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