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Verena Radkau, Eduard Fuchs, Thomas Lutz (Hg.):
Genozide und staatliche Gewaltverbrechen im 20. Jahrhundert
Studienverlag, 2004
Euro 14,00

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Rechtswissen-schaftliches:
Genozid im Völkerrecht
William A. Schabas, Leiter des Irish Centre for Human Rights und Inhaber des Lehrstuhls für humanitäres Völkerrecht an der National University of Ireland in Galway, beschäftigt sich im vorliegenden Buch ausführlich mit dem Völkermord und der Konvention von 1948. Sein Hauptaugenmerk legt er dabei auf die Interpretation der Definition des Völkermordes sowie auf die Erörterung von Problemen im Zusammenhang mit Völkermord-beschuldigungen, die sich für die Anklage und die Verteidigung ergeben...

Beitrag zur Prävention:
Genozide und staatliche Gewaltverbrechen im 20. Jahrhundert

Von Nikola Friedrich

Die Aufsatzsammlung "Genozide und staatliche Gewaltverbrechen" ist der dritte Band der Reihe "Konzepte und Kontroversen – Materialien für Unterricht und Wissenschaft in Geschichte – Geographie – Politische Bildung". Er widmet sich – im Gegensatz zum ersten Band über den Holocaust – allgemein dem Thema Genozide und staatliche Gewaltverbrechen im 20. Jahrhundert.

Der Studienverlag möchte nach eigener Aussage mit diesem Band seinen Beitrag zur Prävention von Genoziden leisten. Denn bei der Behandlung des Themas Genozid dürfe die Frage nach der Genozidprävention nicht vernachlässigt werden. Vor allem wenn man bedenkt, "dass Völkermord nicht von einer kleinen Gruppe von Fanatikern durchgeführt werden. Sie geschehen, weil breite Bevölkerungsschichten sie mittragen" (Einleitung). Diesem Ziel wird der Verlag mit dieser Publikation ganz und gar gerecht.

Die Publikation ist in drei Teile untergliedert: Während sich der erste Teil mit theoretischen Überlegungen zum Genozid und seinen Definitionsproblemen beschäftigt, besprechen die Beiträge im zweiten Teil konkrete Beispiele des Umgangs mit Völkermord und staatlichen Gewaltverbrechen. Der letzte Teil befasst sich mit einzelnen Projekten.

Der Band enthält zwei Rezensionen, ein Literaturverzeichnis über Sachbücher und Kinder- und Jugendliteratur, Hyperlinks, ein ausführliches und informatives Glossar sowie Angaben zu den Autoren.

Das Buch besteht aus 14 Beiträgen von Wissenschaftlern, Menschenrechtsaktivisten, Politikern, Pädagogen, Künstlern und Journalisten, die auf der internationalen Konferenz zum Thema "Welchen Beitrag können schulisches und außerschulisches Lernen und Erinnern zum Umgang mit Völkermord und staatlichen Gewaltverbrechen leisten?" gehalten wurden.

Die meisten Beiträge eignen sich jedoch nicht als Unterrichtsmaterialien, vielmehr vermitteln sie Hintergrundinformationen. Die Publikation gibt Lehrenden aber einen guten Einblick in zahlreiche Aspekte im Zusammenhang mit Genoziden und staatlichen Gewaltverbrechen. Besonders reizvoll ist die Tatsache, dass das Wie und Wann einer schulischen Vermittlung selbst thematisiert wird. Damit werden Fragen aufgegriffen, die bisher wenig Beachtung im Zusammenhang mit der Behandlung von Genoziden gefunden haben.

Im ersten Beitrag stellt Yves Ternon sich die Frage, wie Genozid definiert werden kann. Eine wichtige Frage, denn die Autoren des Bandes beklagen immer wieder das Fehlen einer Definition bei der schulischen Vermittlung dieses Themas.

Im Anschluss daran behandelt Mihran Dabag – Mitherausgeber der Deutschen Zeitschrift für Genozidforschung – die Wahrnehmung und Prävention von Genoziden aus der Perspektive der strukturvergleichenden Genozidforschung. Dabei streicht er insbesondere heraus, dass Genozide nicht als Eskalation von Konflikten zu betrachten seien, vielmehr stellten sie immer die kontrollierte Verwirklichung eines vorgefassten und nationalen Planes dar. Genozid sei eine spezifische, gerichtete, nationalstaatliche Gewalt, in der sich eine gesamte Gesellschaft zu einer "genozidalen Gesellschaft" formiert.

Der dritte Beitrag ist von dem Gründer der Organisation Genocide Watch und der Internationalen Kampagne zur Beendigung von Genozid Gregory Stanton. Er betont, dass Genozide immer Prozesse darstellten, die sich in acht Phasen entwickelten. Diese seien vorhersagbar, aber nicht unvermeidlich. Daher ließe sich ein Genozid in jeder Phase durch präventive Maßnahmen stoppen. Neben der ausführlichen Beschreibung der einzelnen Phasen des Genozids enthält Stantons Beitrag auch eine Darlegung der Ziele der von ihm gegründeten internationalen Kampagne zur Beendigung von Genoziden.

Im darauf folgenden Beitrag gibt der Jurist und Historiker Gerd Hankel eine ausführliche Darstellung über die Entwicklungen des Völkerrechts im Umgang mit Völkermord und staatlichen Gewaltverbrechen, deren derzeitiger Endpunkt die Schaffung des Ständigen Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag ist.

Abgerundet wird der theoretische Teil mit einem Beitrag von Eric D. Weitz, der als Abschlussvortrag der Konferenz auch eine Gesamtschau über die Konferenz bietet. Weitz nennt drei verschiedene Modelle von Genoziden und beschäftigt sich dabei mit den Zusammenhängen zwischen Genozid, Kolonialismus, Nationalismus und Rassismus.

Im zweiten Teil des Bandes untersucht Volkmar Deile, Mitherausgeber des Jahrbuchs "Menschenrechte", warum der Völkermord in Ruanda eine "Geschichte der Schuld, des Versagens und unzulänglicher Institutionen" ist. Nach dem Urteil des Autors haben in Ruanda alle versagt: die Vereinten Nationen, die Regierungen, die Medien und die Öffentlichkeit. Deile streicht daher die Notwendigkeit eines Früherkennungs- und Warnsystems heraus.

Diese Ausführungen werden thematisch von Fatuma Ndangizas Beitrag ergänzt. Die Generalsekretärin in der National Unity and Reconciliation Commission (NURC) in Kigali beschreibt die Genese des Konflikts in Ruanda während der Kolonialzeit und die heutigen Aufgaben der Versöhnungsarbeit.

Heike Deckert-Peaceman, Professorin für Erziehungswissenschaft an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, wirft die Frage nach dem "richtigen Alter" für eine erste Konfrontation mit dem Thema Genozid auf. Sie gibt zu bedenken, dass hinter der Frage möglicherweise mehr ein Problem der Erwachsenen stünde, weil diese sich im Gespräch mit den Kindern der Tatsache stellen müssten, warum es der menschlichen Gemeinschaft nicht gelingt, Unmenschliches zu verhindern. Dabei sei gerade die Hilfe der Erwachsenen bei der Verarbeitung des Gehörten, Gesehenen und vielleicht sogar Erlebten wichtig.

Die Historikerin Thami Tisani plädiert in ihrem Beitrag dafür, auch das System der Apartheid in Südafrika als Genozid sui generis anzuerkennen. Die Apartheid sei ein System gewesen, das absichtlich eine bestimmte Bevölkerungsgruppe physisch, sozial und intellektuell vernichten wollte. Die Autorin beschreibt in diesem Zusammenhang auch die Rolle des Geschichtsunterrichts während und nach der Apartheid. Ihre Darstellung offenbart, dass in Südafrika die Geschichte neu geschrieben werden muss. Eine Aufgabe, die angesichts der Komplexität der Geschichte der Apartheid eine große Herausforderung sei.

Falk Pingel, Stellvertretender Direktor des Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung, präsentiert schließlich die Ergebnisse seiner Untersuchung, wie in Schulgeschichtsbüchern aus Europa und Amerika das Thema Völkermord behandelt wird.

Im dritten Teil des Bandes legt Roland Brunner dar, wie Medien funktionieren und wie sie missbraucht werden können. Anschließend diskutiert er, welchen Beitrag die Medien bei der Versöhnung im ehemaligem Jugoslawien spielen können.

Helmut Meyer stellt sein zusammen mit Peter Gautschi im Jahr 2001 herausgebrachtes Schuldbuch "Vergessen oder Erinnern? Völkermord in Geschichte und Gegenwart" vor und erklärt dessen Ziel und Aufbau. Beachtenswert in diesem Zusammenhang ist die überaus kritische Rezension dieses Schuldbuches von Eduard Fuchs im selben Band. 

Von der Frage "Vergessen oder Erinnern?" handelt auch der Beitrag von Pedro Alejandro Matta, der neben den politischen Geschehnissen während der Militärdiktatur in Chile, von dem langwierigen Prozess der Aufarbeitung in seinem Land berichtet. Im Fokus steht dabei der "Park des Friedens" in Santiago, wo einst das Folterzentrum Villa Grimaldi stand.

Die Publikation wird von einem offenen Brief der Schriftstellerin und Journalistin Irena Brežná an die tschetschenische Menschenrechtlerin Sainab Gaschajewa abgerundet. Der Beitrag entstammt ihrem Buch "Die Sammlerin der Seelen. Unterwegs in meinem Europa" von 2003. Eine Rezension zu ihrem Buch befindet sich ebenfalls in diesem Band.

hagalil.com 05-04-06











 

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