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Nachwort:
April 1943 / kwiecien 1943

Von Marian Turski

April 1943 / kwiecien 1943
Berliner Bündnis gegen IG Farben/gruppe offene rechnungen
ca. 200 Seiten
Verbrecher-Verlag Berlin; Wydawnictwo Jaworski Warschau
Euro 13,00
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"Auschwitz war eine deutsche Erfindung"

Schon kurz nach der Rückkehr unserer Gruppe von Vertretern des Verbandes der Jüdischen Kombattanten und Versehrten während des zweiten Weltkrieges wurde ich in Warschau gefragt, warum wir nach Berlin gefahren wären, und warum wir zusammen mit Deutschen anlässlich des 60. Jahrestages des Aufstandes im Warschauer Ghetto gefeiert hätten. Das ist eine wichtige Frage, und ich möchte sie hier beantworten.

Ich beginne mit meiner persönlichen Erfahrung. Nach meiner Haft in Auschwitz und nachdem ich den Todesmarsch im Januar 1945 mitgemacht habe (ich müsste schreiben: überlebt habe), bin ich nach Buchenwald gekommen. Beim ersten Appell im neuen Konzentrationslager haben wir dort vom Blockführer folgende Worte gehört: "Jungs, ihr seid in ein anderes Lager gekommen als das, in dem ihr vorher gewesen seid. Hier wird niemand euch foltern und erniedrigen. Aber ich warne euch, ich werde jeden totschlagen, der seinen Häftlingskollegen das Brot stiehlt."

Das waren die schönsten Worte, die ich hören konnte. Glaubt mir, an Hunger waren wir schon gewöhnt, an Kälte genauso wie an Läuse. Aber das Schlimmste in Auschwitz war die Tatsache, dass man jede Minute erniedrigt werden konnte. Die schönsten Worte sagte ein Häftling, ein Blockführer, ein Deutscher. In Buchenwald waren damals die Deutschen Funktionshäftlinge – ehemalige deutsche Sozialisten und Kommunisten. Dieser mir vom Namen her unbekannte deutsche Häftling bewahrte mich – und ich glaube, das gilt für mein ganzes Leben – vor antideutschen Stereotypen und Vorurteilen.

Der andere Grund meiner Reise nach Berlin: Vor ein paar Jahren wurde ich von einer antifaschistischen Organisation nach Berlin eingeladen. Das Treffen wird im Abschlussgespräch der Gedenkveranstaltung, die hier dokumentiert wird, schon erwähnt. Die jungen Leute organisierten eine Gegenveranstaltung organisiert anlässlich des 100-jährigen Gründungsjubiläums des Siemens-Konzerns. Während dieser Gegenveranstaltung wurde daran erinnert, dass die Wirtschaftsmacht und der Reichtum von Siemens während des zweiten Weltkrieges aus der Ausbeutung und dem Elend der Sklavenarbeiter resultieren. Diese Gegenveranstaltung hat in hohem Maße dazu beigetragen, dass Siemens zugestimmt hat, den ehemaligen Zwangsarbeitern eine Entschädigung zu zahlen.

Der dritte Grund ist, dass dieselbe oben genannte Organisation die Feierlichkeiten anlässlich des 60. Jahrestages des Aufstandes im Warschauer Ghetto veranstaltet hat, zu der auch wir gekommen sind. Kostenlos hat ihnen das sozialdemokratische Rathaus Schöneberg den Saal zur Verfügung gestellt, alles andere mussten sie bezahlen. Um es finanzieren zu können, haben sie Geld gesammelt. Ich war zutiefst gerührt und bewegt, als ich die Jugendlichen beobachtet habe – die meisten unter 20 – die das Geld gesammelt hatten. Sie sind zahlreich gekommen und haben aktiv an der mehrstündigen Veranstaltung teilgenommen, deren Dokumentation der Leser hier findet.

Das sind die Gründe, weshalb ich nach Berlin gefahren bin. Ich bin stolz, dass großartige, opferbereite und junge Deutsche wollten, dass ich und die gesamte Gruppe an dieser Gedenkveranstaltung teilnehmen. Dabei handelte es sich – wie Sie hier lesen können – nicht nur um eine feierliche Festlichkeit, sondern um ein ernstes und tiefes Gespräch über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Mehrmals habe ich in Polen, Europa und der ganzen Welt die Frage gehört: Wie lange wollt ihr noch an die Problematik des Holocaust erinnern? Ich habe immer geantwortet: Wenn ihr – Polen, Deutsche und Europäer – nicht vergessen werdet, dann können wir aufhören zu erinnern. In der Anwesenheit derjenigen jungen Deutschen, deren Gäste wir in Berlin waren, habe ich kein Bedürfnis gehabt, zu erinnern, weil unsere Gastgeber auch Wächter der Erinnerung sind.

Einladung zu Buchvorstellung und Gespräch

hagalil.com 18-04-04











 

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