Zu Mantua in Banden
der treue Hofer war;
in Mantua zum Tode
führt ihn der Feinde Schar.
Es blutete der Brüder Herz,
ganz Deutschland, ach! in Schmach und Schmerz,
mit ihm das Land Tirol.
Andreas-Hofer-Lied von
Julius Mosen
"...und ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht"
Südtirol 1938/39
Von Daniel Maul
Im März 1938 zog Hitler aus Dankbarkeit
über die positive Reaktion Mussolinis beim Anschluß Österreichs eine "klare
Grenze" (1) gegenüber Italien am Brenner. Kurz darauf begannen Gespräche
zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und dem faschistischen
Italien, um das Problem der Südtiroler deutschsprachigen Volksgruppe, das
zwischen den Partnern der "Achse Berlin-Rom" stand, einer dauerhaften
"Lösung" zuzuführen. Was folgte, war die sogenannte Option: Die Südtiroler
wurden vor eine kurzfristig zu treffende und endgültige Wahl gestellt:
Umsiedlung ins Reich und damit Aufgabe der Heimat, oder Beibehaltung der
italienischen Staatsbürgerschaft, verbunden mit dem unwiderruflichen
Verzicht auf alle kulturellen Rechte als deutschsprachige Minderheit.
Der Fluchtpunkt jeder Auseinandersetzung mit
der Südtirolfrage in der Zwischenkriegszeit wird letztlich immer in den
Jahren 1939-1943 liegen. Die Option traumatisierte die Südtiroler
Gesellschaft, spaltete sie in "Optanten" und "Dableiber", in
"Heimatverräter" und "Volksverräter". 1938/39 traf der von Hitler vollzogene
Schritt viele Südtiroler unvorbereitet. Denn gerade die Saar-Abstimmung 1935
und der Anschluß Österreichs hatten die Hoffnung genährt, es könne nur noch
eine Frage der Zeit sein, bis auch Südtirol "heim ins Reich" geholt werde.
Das "Vermächtnis des Führers", seine "Preisgabe Südtirols", zerstörte diese
Hoffnung und löste Entsetzen aus.
Auch im Deutschen Reich war die Entscheidung
keineswegs populär. Hitler gab einen Gebietsanspruch auf, den weite Teile
des deutschen Nationalismus seit dem Ersten Weltkrieg erhoben hatten. In der
NSDAP begann sich unmittelbar nach der Märzrede Hitlers deutliche
Unzufriedenheit zu regen, so deutlich, daß Rudolf Hess, sein
"Stellvertreter", es für angeraten hielt, die "Parteigenossen und
SA-Kameraden" im November 1938 eindringlich zu warnen:
Die deutsch-italienische Grenzziehung ist
endgültig. Alle offenen und versteckten Erörterungen des für uns
abgeschlossenen Themas stören deshalb die Außenpolitik des Führers. Jeder
Parteigenosse ist verpflichtet, ihm bekanntwerdende Störungsversuche
unaufgefordert und sofort seiner vorgesetzten Dienststelle zu melden. Die
Beteiligung an Schulungsvorhaben für Südtirol oder ihre indirekte
Unterstützung wird mit schärfsten Mitteln geahndet. Rücksichtslose
Entfernung aus der Partei und strafrechtliche Verfolgung werden den
Beteiligten für alle Zukunft jede Lust nehmen, sich über wohlbegründete
Entscheidungen des Führers hinwegzusetzen. (2)
Die Frage, die sich diejenigen, die empört
über die Aufgabe Südtirols waren, allerdings stellen mußten, lautete: Kam
der Verzicht Hitlers überraschend? Die Antwort konnte nur negativ ausfallen:
Er war nichts weiter als eine logische Konsequenz der Haltung, die Hitler zu
Südtirol bereits seit den frühen zwanziger Jahren einnahm und die – kurz
gesagt – in einem bedingungslosen Verzicht um eines erhofften Bündnisses mit
Italien willen bestand. Er hatte diese Position immer offen vertreten und
auch seine praktische Politik nach 1933 stets an ihr ausgerichtet. Er konnte
mit gutem Recht behaupten: "Diesen Entschluß habe ich nicht 1938 gezogen,
sondern gleich nach dem Ende des großen Krieges, und ich habe nie ein
Geheimnis daraus gemacht."(3)
Gerade in den an Südtirol interessierten
Kreisen im Deutschen Reich, ob in der NSDAP oder außerhalb, müssen in diesen
Monaten und den folgenden Jahren Erinnerungen wach geworden sein an die Zeit
von 1926 bis 1928: Hitler hatte seine Positionen erstmals öffentlich und in
aller Deutlichkeit präsentiert und sah sich massiven Angriffen ausgesetzt.
Aber dann war die Auseinandersetzung verebbt, ohne daß Hitler seine
Positionen modifiziert oder auch nur zu verschleiern versucht hatte. Das
führte schließlich dazu, daß er 1933 nicht mehr gezwungen gewesen war, den
Mantel des Schweigens über der Südtirolfrage auszubreiten, weil die
gewünschte Ruhe bereits zuvor eingekehrt war.
Dieser überraschende Befund ist Ausgangspunkt
und Leitfaden für die Beschäftigung mit dem Thema unter verschiedenen
Fragestellungen und Gesichtspunkten. Die folgende Arbeit wird daher
versuchen, von diesem Sachverhalt ausgehend, Inhalt, Bedeutung und
Konsequenzen von Hitlers Haltung in der Südtirolfrage und die daraus
entstandene Konfrontation mit der Rechten im Reich zu ergründen.
Anmerkungen:
(1) Zitiert nach R. Steininger, Südtirol im 20. Jahrhundert. Vom Leben und
Überleben einer Minderheit, Innsbruck 1998, 157.
(2) Zitiert nach Steininger, Südtirol im 20. Jahrhundert, 156.
(3) Zitiert nach Steininger, Südtirol im 20. Jahrhundert, 157.
Schlussgedanken
Das
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01-06-03 |