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Als
Jehuda Amichais Gedichte ›Wie schön sind deine Zelte,
Jakob‹ 1988 erstmals auf deutsch
erschienen, war der in Deutschland geborene bedeutendste israelische Dichter
der Gegenwart in der Welt längst bekannt, sein Werk in über zwanzig Sprachen
übersetzt. Einige Verlage haben der verspäteten Entdeckung israelischer
Literatur hier zulande seither ein entschiedenes Engagement entgegengesetzt
– dennoch, die israelischen Autoren, die nicht wie Yoram Kaniuk, Amos Oz
oder David Grossman vor allem den politischen Nahen Osten repräsentieren,
sind noch immer Geheimtips.
Der Deutsche Taschenbuch Verlag möchte sich verstärkt einer Literatur
Israels zuwenden,
die auch Einblicke in literarisch noch weniger erforschtes Terrain
erlaubt. Seit Herbst 2000 erscheinen wichtige Werke der Literatur dieses
Landes bei dtv-premium in deutschen Erstausgaben. Heute richtet sich der
Blick israelischer Schriftsteller nicht mehr so sehr auf das Kollektiv, wie
zu Zeiten eines im Werden begriffenen Staates, als dem Schriftsteller in
hohem Maße identitätsstiftende Bedeutung zukam. Heute steht das »Ich«, mit
seinen vielfach verwirrenden Lebensbezügen zwischen Europa und Amerika, dem
Orient und Israel, zwischen Laizismus und Orthodoxie, den Traumata der
Vergangenheit und den Erfordernissen einer friedensbereiten Gegenwart, im
Mittelpunkt schriftstellerischen Interesses.
Savyon Liebrecht, Chaim Be’er und Mira Magén spiegeln diese
Entwicklung auf je eigene Weise. Savyon Liebrecht gehört zu den Ersten
der sogenannten Zweiten Generation, die entschieden gegen das Tabu, den
Holocaust zum literarischen Thema zu machen, verstießen. Ihr erster
Roman, ›Ein Mann und eine Frau und ein Mann ‹ (September 2000),
beschreibt die Krise einer Frau Ende dreißig, die sich angesichts ihrer
sterbenden Mutter noch einmal mit der vom Schweigen beherrschten Welt
ihrer Kindheit auseinandersetzen
muss,
sich fluchtartig in eine Liebesgeschichte stürzt und dabei ganz auf sich
selbst zurückgeworfen wird.
Chaim Be'er,
aus ultraorthodoxem Milieu stammend, schrieb sich in einem steten Akt
der Rebellion aus der Sphäre religiösen Fanatismus' heraus und
verblüffte mit seinem autobiographischen Roman ›Stricke‹ (Oktober 2000)
israelische Leser und Kritiker gleichermaßen: So zärtlich, so
detailgenau und schwebend und dabei so unbestechlich "aufgeklärt" hat
noch nie jemand über dieses Milieu geschrieben.
Und schließlich
Mira Magén, auch sie eine »Abtrünnige der Orthodoxie«. Bereits
mit ihren hochliterarischen Erzählungen gelang ihr in Israel der
Durchbruch. In ihrem ersten Roman, 'Klopf nicht an diese Wand' (April
2001), variiert sie ihr zentrales Thema: die unterschwelligen Begierden
von Frauen, die sich hin und her gerissen fühlen zwischen den Ansprüchen
einer gnadenlos patriarchalen und triebfeindlichen orthodoxen
Gemeinschaft und ihrem sich hart daran reibenden Willen, eigene Wege zu
gehen, ihren Wünschen zu folgen.
Patricia Reimann
Seit Herbst 2000 bei dtv premium:
Israelische Literatur in deutschen Erstausgaben
Patricia Reimann betreut seit 1998
die israelische Literatur im dtv.
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