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Buchrezension zu Matthias Küntzel:
Djihad und Judenhaß

Djihad und Judenhaß gehören zusammen. Jede Billigung des Antisemitismus verleiht der djihadistischen Barbarei neuen Schub. Aus jeder antikapitalistischen Artikulation, die sich antisemitischer Denkmuster bedient, geht der Djihadismus gestärkt hervor

Von Andrea Woeldike

Der Antisemitismus ist für den modernen Djihadismus konstituierend, wie Matthias Küntzel der Autor dieses Buches, u.a. an dem Akademiker, der sich "zum Zwecke der Selbstveredelung" in die Luft sprengt, oder Eltern, die ihre Kinder begeistert auf den 'Märtyrertod' vorbereiten, einzig zu dem Zwecke möglichst viele Juden mit in den Tod zu reißen, illustriert. So wird der Entstehungsgeschichte des modernen Djihadismus nachgespürt, seiner Entstehungsgeschichte zu Beginn des letzten Jahrhunderts, und die Frage aufgegriffen, wie sich seine antisemitische "diesseitige Wahnvorstellungen und jenseitige Heilserwartungen" weiter dynamisierten, wobei der Fokus vornehmlich auf Ägypten und die heutigen palästinensischen Autonomiegebiete gerichtet bleibt.

Im Zentrum der Analyse steht die 1928 in Ägypten gegründete Muslimbruderschaft und ihre Zusammenarbeit mit Amin el-Husseini, dem Mufti von Jerusalem. Wie selten in deutschsprachigen Islamforschung der Zusammenhang zwischen Antisemitismus und Islamismus zur Kenntnis genommen wird verdeutlicht der Autor am Beispiel der Charta der Hamas, welche bis heute weder ins deutsche übersetzt wurde, noch das Papier in Diskussionen über die Motive für die ‚Selbstmordattentate’ thematisiert wurde. "In der Charta der Hamas werden die Juden nicht nur in Nazimanier für die französische Revolution und die Oktoberrevolution verantwortlich gemacht. Ihnen wird zugleich die Verantwortung für den ersten und zweiten Weltkrieg in die Schuhe geschoben. Die Vereinten Nationen werden als Instrument jüdischer Weltbeherrschungspläne entlarvt; zur Bestätigung dieser Vorwürfe wird das berühmteste aller antisemitischen Machwerke angeführt, die 'Protokolle der Weisen von Zion'." (S.9) Im Gegensatz zu vielen anderen Studien, die von der großen Anziehungskraft des Islamismus auf seine doch irgendwie geartete Fortschrittlichkeit schließen, liegt diesem Buch die Prämisse zu Grunde, dass eine sich als antikapitalistisch gerierende Massenbewegungen durchaus einen faschistischen Charakter haben kann. Mit dem Anschlag vom 11.September 2001 "profilierten" sich die Islamisten als "Avantgarde eines antijüdisch aufgeladenen Antiamerikanismus".

Ausgehend von den Muslimbrüdern und dem Mufti schlägt die Studie den Bogen über die zunehmende Islamisierung Ägyptens von Nasser zu Mubarak, um dann den Djihad der Hamas zu beleuchten und schließlich an Hand des 11.September den Hass auf die USA und Israel nicht nur von Seiten der Islamisten, sondern zugleich das tiefe Verständnis, besonders von Linken gegenüber den Islamisten zu beleuchten.

Eine sehr lesenswerte Studie bezüglich der Entstehung des Islamismus, wie auch des Djihadismus der Hamas, während das Kapitel von Nasser zu Mubarek meineserachtens viel zu wenig Augenmerk auf die säkulare Bewegung des Panarabismus legt und somit nicht in der Lage ist die ideologische Nähe zwischen den verschiedenen Panbewegungen (-islamismus und –arabismus) aufzuzeigen.

Im folgenden werde ich kurz die zentralen Thesen des Autors zur Genese des modernen Djihadismus vorstellen.

Die Muslimbrüder

Die 'Balfour-Deklaration' von 1917, die heute zum Ausgangspunkt des 'zionistisch-palästinensischen Problems' hochstilisiert wird, wurde damals von einem großen Teil der arabischen Repräsentanten unterstützt, da sie sich durch die Einwanderung europäischer Juden eine wirtschaftliche Ankurbelung der Region erhofften. Und auch in Ägypten war bis weit in die dreißiger Jahre hinein die Haltung Palästinas gegenüber eher von Gleichgültigkeit geprägt. So verpflichtete das ägyptische Innenministerium sein Pressebüro, als 1929 die Unruhen in Palästina eskalierten, alle antisemitischen und antizionistischen Artikel zu zensieren. Und anlässlich der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland gab es in zahlreichen ägyptischen Städten Protestkundgebungen, von der 70-bis80.000 köpfigen jüdischen Gemeinde organisiert und von weiten Teilen der Bevölkerung unterstützt. Deutsche Produkte wurden boykottiert und deutsche Filmvorführungen verhindert. Die Nationalsozialisten, über diese Entwicklung alles andere als erfreut, drohten in Zukunft den wichtigsten Exportartikel Ägyptens, die Baumwolle, zu boykottieren. Diese Kampagne erwies sich als erfolgreich: die ägyptische Regierung kritisierte die antideutsche Boykottbewegung und in der Presse fanden sich zunehmend Artikel in denen die Juden angeklagt wurden, die ägyptische Ökonomie zu ruinieren.

Nachdem immer mehr Juden vor dem Nationalsozialismus nach Palästina geflohen waren, rief im April 1936 der Mufti einen Generalstreik gegen die jüdische Einwanderung und die britische Mandatspolitik in Palästina aus. "Für die Muslimbrüder war dieser Streik der Startschuß ihrer ersten fanatischen Solidaritätskampagne, in der sie den Gedanken des Djihad mit den Auseinandersetzungen in Palästina verbanden. Nun erst wurde die Bruderschaft zu einer Massenorganisation: Zwischen 1936 und 1938 stieg ihre Mitgliedszahl von 800 auf 200000 an." (S.29) Diese 1928 von dem Prediger Hassan al-Banna zusammen mit 6 Arbeitern der Suez Canal Company, gegründete Bewegung forderte die Rückkehr zum Urislam, als der einzig wahren Religion. Es sei an der Zeit der andauernden Demütigung der Muslime ein Ende zu setzen und die gerechte muslimische Ordnung neu zu etablieren. Man begriff sich als Interessensvertretung der Arbeiter gegen die "Tyrannei der fremdländischen und monopolistischen Unternehmen." (S.18). Neben der praktischen Unterstützung und Organisierung von Mittellosen, wurde die Abschaffung von Zins und Profit gefordert. Planmäßig wurde der Aufbau einer Art ‚Islamischer Internationalen’ vorangetrieben, und zugleich ein paramilitärischer Flügel aufgebaut. Denn, so al-Banna, wenn "die Moslems ihre Liebe zum Leben nicht durch die im Koran geforderte Liebe zum Tod ersetzen, sei ihre Zukunft hoffnungslos." (S. 23) Der Djihad dürfe allerdings nicht zugunsten "materieller oder egoistischer Motive" geführt werden.

Während die ägyptische Regierung bis zum Ende der dreißiger Jahre zwar eine Beendigung der jüdischen Einwanderung nach Palästina fordert, doch zugleich ihre Hochachtung dem ‚zionistischen Ideal’ ausspricht, riefen die Muslimbrüder zum Boykott jüdischer Waren auf und demonstrierten unter der Losung: ‚Tod den Juden!’ Diese islamistisch antisemitisch motivierte Massenmobilisierung wurde zunehmend erfolgreicher. Im Herbst 1938 organisierte die Bruderschaft in Kairo, mit Unterstützung des saudischen Prinzen Feisal und dem Imam von Jemen eine ‚Islamische Parlamentarierkonferenz zugunsten von Palästina’ in Kairo, an der der ägyptische Premier Muhammad Mahmud nicht nur teilnahm, sondern erstmals auch eine pro-palästinensische Rede hielt.

Der Mufti

Al-Banna hatte schon ein Jahr vor der Gründung der Muslimbrüderschaft Kontakt zu el-Husseini, dem Mufti von Jerusalem, geknüpft. Der seit 1921 amtierende Mufti, war verantwortlich für die 1920 in Jerusalem stattfindenden antijüdischen Ausschreitungen, die erstmals Tote und Verletzte forderten, wie auch für das Pogrom von 1929, das nicht gegen Zionisten sondern gegen die jahrhunderte alten jüdischen Gemeinden gerichtet war. Während des Nationalsozialismus beschränkte er sich auch nicht darauf seine Sympathien mit diesem zu bekunden, sondern unterstützte diesen wo immer es ihm möglich war, Einwände wurden von der Seite des Muftis nur erhoben, "wenn er befürchtete, es könnten Juden dem Holocaust entkommen" (S.40). Darüber hinaus ließ er massenweise seine Gegner liquidieren, v.a. Angehörige aus dem einflussreichen Clan der Nashashibis, die für eine moderatere Politik gegenüber den Zionisten und Briten eintraten.

Al-Husseini, der oft in Berlin weilte, harrte dort bis April `45 aus, und versuchte sich dann in die Schweiz abzusetzen. Die Schweizer Behörden lieferten ihn an Frankreich aus, Jugoslawien, welches ihn auf die Kriegsverbrecherliste gesetzt hatten, drängte Frankreich den Mufti Nürnberger Kriegsverbrechertribunal zu überstellen. Die Muslimbrüder allerdings betrachteten Al-Husseini als einzigsten rechtmäßigen Repräsentanten Palästinas und konnten die arabische Liga überzeugen, sich ihrem Standpunkt anzuschließen. Dem Druck der arabischen Staaten wurde schließlich nachgegeben und al-Husseini konnte nach Ägypten ausreisen.

In der Zusammenfassung dieses grundlegenden Kapitels des Buches weist Matthias Küntzel explizit noch mal darauf hin, dass "weder allein die Bruderschaft noch allein der Mufti die Entwicklung der Palästinafrage derart hätten prägen können, wie es durch die Banna-Husseini-Connection geschah. ...In diesem historischen Bündnis wirkte al-Banna als ein kriegerischer Priester, der die Palästinafrage instrumentalisierte, um die islamische Welt für ein neues Kalifat zu vereinen, während der Mufti als ein weltgewandter Politiker agierte, der den Islam instrumentalisierte, um die 'Befreiung' Palästinas... voranzubringen." (S.59)

Matthias Küntzel
Djihad und Judenhaß
Über den neuen antijüdischen Krieg
ca-ira Verlag, Freiburg 2002, 13.50 EURO
ISBN 3-924627-07-X

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Leseprobe
Epilog: Der Mufti und die Deutschen

 

hagalil.com 16-12-02











 

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