Marek Halter, Die Geheimnisse von Jerusalem
Rütten &Loening 2002
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Der neue Roman von Marek Halter wurde in der Presse bisher
durchwegs positiv beurteilt, ein "metaphysischer Thriller", ein
"Thriller der Spitzenklasse", hieß es unter anderem in den
Lobeshymnen. Dass dabei auch platte Klischees, sei es der
"amerikanische Journalist", die "schöne Israelin" oder der
"jüdische Gelehrte" bedient werden, hat keiner bemängelt.
Die Geschichte verspricht tatsächlich vieles. Halter läßt die
Handlung von New York über Paris nach Jerusalem wandern, spinnt
die verschiedensten Charaktere und sogar sich selbst ein und
ergänzt die Krimihandlung durch akademisches Wissen. Die
Charaktere, bis auf Halter selbst, der sich in einer Form der
Autofiktion darstellt, sind erfunden, die historischen
Grundlagen dagegen echt.
Der Reporter Tom Hopkins ist den Machenschaften der Russenmafia
in Little Odessa, einem Viertel in Brooklyn, auf der Spur. Sein
Informant wird jedoch ermordet und hinterlässt ihm eine
Diskette, die den jungen ehrgeizigen Reporter dazu bringt, sich
nach Jerusalem auf den Weg zu machen, um die Geheimnisse des
Tempelschatzes zu lösen. Zuvor macht er Station in Paris und
kann dort den Schriftsteller Marek Halter überzeugen, ihn bei
seinem waghalsigen und aussichtslosen Unternehmen zu begleiten.
Waghalsig, weil die Russenmafia hinter ihnen her sein wird,
aussichtslos, weil bereits viele andere ohne Erfolg über die
Rätsel auf der berühmten Kupferrolle gegrübelt haben, die die
Verstecke des Tempelschatzes verschlüsselt enthält.
In Jerusalem angekommen mischen sich bald verschiedene Figuren
in die Handlung. Ein alter Buchhändler, eine schöne junge Frau,
die sich später als Geheimdienstmitarbeiterin entpuppt, ein
italienischer Professor mit pomadiertem Haar, ein dickwanstiger
Mossad-Agent und natürlich die verschiedenen Bösewichte, Russen,
Hamas, Iraker. Alle diese Personen sind von Halter derart
überzeichnet und klischeehaft besetzt worden, dass die
Geschichte immer absurder wird. Es reicht nicht, dass es den
Beteiligten im Laufe der Handlung gelingen wird, zumindest
einige der Rätsel zu knacken, über die sich haufenweise
Gelehrte, Wissenschaftler, Archäologen, Abenteurer und wer weiß
nicht noch alles, den Kopf zerbrochen haben. Nein, es ist das
Klischeebild eines amerikanischen Journalisten, ein bißchen
draufgängerisch, stur, blond, Robert Redford ähnlich, es ist das
Klischeebild der israelischen Frau, schön, schwarze Haare,
bewaffnet, beim Mossad, trotzdem weiblich und sinnlich, die die
Rätsel knacken. Und natürlich gibt es auch eine klischeehafte
Liebesgeschichte zwischen ihnen.
Schade, denn die Charaktere verstellen und stören die eigentlich
gute Idee des Buches, ein Krimi um den Ursprung der drei
monotheistischen Religionen, der einen anderen Blick auf die
heutigen Rivalitäten gerade in Jerusalem wirft. Dahinter steht
die große innere Verbundenheit des Autors mit der Stadt, die in
vielen Textpassagen Tiefgründiges, Erklärendes, Fragendes,
Fesselndes zu Papier bringt und die Botschaft, dass kein Gold
der Welt die Bedeutung von Schriften und Büchern ersetzen kann.
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